Kommentar
09:26 Uhr, 21.12.2017

Kann die Welt überhaupt noch ohne QE?

Die Ära des QE geht dem Ende entgegen. Viele fragen sich, ob das überhaupt funktionieren kann. Meine Meinung: es kann.

Die US-Notenbank macht ernst. Sie hat im November begonnen ihre Bilanz zu verkleinern. Das sieht derzeit noch unspektakulär aus (Grafik 1), wird aber über die kommenden Monate immer deutlicher werden. In einem Jahr soll die monatliche Bilanzreduktion bei 50 Mrd. USD liegen.

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Der Beginn der Bilanznormalisierung hat reibungslos funktioniert. Etwas Angst hatte so mancher Anleger davor. Bisher stellt sich diese Angst als unbegründet heraus. Weder sind die Zinsen für Staatsanleihen gestiegen, noch hat der Aktienmarkt auf diese neue Ära reagiert. Es ist ein Non-Event.

Viele führen das darauf zurück, dass andere Notenbanken noch immer viel Geld in den Markt pumpen. Grafik 2 zeigt dazu den rollierenden 12-Monatsdurchschnitt, mit dem Notenbanken den Markt geflutet haben und vermutlich bis Oktober 2018 fluten werden. Bis September 2018 läuft das QE Programm der EZB. Nimmt man nun an, dass es nicht noch einmal verlängert wird, kauft nur noch die Bank of Japan Assets auf.

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Schon jetzt reduzieren sich die Käufe in Japan. Es braucht immer weniger, um das Ziel niedriger Zinsen zu erreichen. Mit dem Ende des EZB QE wird dem Markt dann netto Geld entzogen. Bis Anfang 2020 kann dieser monatliche Entzug ca. 35 Mrd. USD betragen. Aufs Jahr gerechnet sind das 420 Mrd. USD. Das ist schon eine ganze Menge.

Sollte die BoJ dann noch irgendwann mit QE aufhören und die EZB eine Bilanzverkleinerung beginnen, könnten dem Markt bis zu 1.000 Milliarden USD pro Jahr entzogen werden. Das kann ja fast nicht gutgehen, meinen viele. Aber wieso eigentlich nicht?

Begründet wird die Sorge mit der überbordenden Verschuldung. Betrachtet man das US-Budgetdefizit mit und ohne QE (Grafik 3), wird sofort klar, wie groß der Einfluss von QE war. Anstatt ein Defizit von über 1 Billion USD bei Privatanlegern mit Anleihen unterbringen zu müssen, reduzierte QE den Betrag um bis zu 800 Mrd. USD.

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In den USA wächst das Defizit bereits wieder, obwohl die Wirtschaft in voller Fahrt ist. Die Verschuldung wird langsam aber sicher immer weiter steigen. Wenn die Notenbank die Anleihen nicht kauft, wer dann?

Nach einer so einmaligen Geldflut erscheint es unwahrscheinlich, dass Investoren das Angebot aufnehmen können. Persönlich habe ich da weniger Bedenken. Die Welt funktionierte jahrhundertelang ohne QE – und es waren nicht immer nur rosige Zeiten. Die USA waren schon deutlich höher verschuldet als heute (nach dem Zweiten Weltkrieg). Gleiches gilt für Großbritannien. Japan konnte auch vor QE eine Verschuldung von 200 % der Wirtschaftsleistung problemlos tragen.

Dass die Schulden streng genommen nicht tragfähig sind, ist kein Argument. Es geht nicht darum, ob die Schulden wieder zurückgezahlt werden können oder nicht. Es geht allein um den Glauben, dass die Zinsen pünktlich gezahlt werden. Dieser Glaube kehrt selbst nach Griechenland zurück. Trotz mauen Wachstums und rekordhoher Verschuldung kann sich der Staat schon wieder zu weniger als 4 % für 10 Jahre Geld leihen.

Analysten, die wegen fehlenden QEs den Teufel an die Wand malen, liegen nicht automatisch falsch. Vielleicht geht es ohne QE tatsächlich nicht. Ich denke aber, dass es geht. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte. Und ob mit oder ohne QE – die Welt schwimmt nur so in Geld. Schulden lassen sich problemlos refinanzieren und ausbauen.

Ich bin mir sicher, dass die nächste Korrektur oder Bärenmarkt auf einen Mangel an QE geschoben wird. Das ist wie ein Reflex. Korrekturen gab es allerdings schon vor QE. Da muss überhaupt kein Zusammenhang bestehen. Kurz gesagt: Was das Ende von QE anbelangt, mache ich mir keine Sorgen.

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12 Kommentare

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  • netzadler
    netzadler

    QE ist falsch, Geld darf niemals macht bedeuten bzw. man darf es nicht für mächtig halten, wahrscheinlich ist die aktuelle definition und ausübung von macht an sich das Problem. QE hat weder fragen beantwortet noch Probleme gelöst. die Zerstörung der Gesellschaft wird wissentlich in kauf genommen. Handlungsunfähigkeit wird mit der Komplexität der dinge entschuldigt...da stimmt was im kopf nicht. Probleme werden nie auf die art und weise gelöst, durch die sie entstanden sind.

    das denken wird neu erfunden werden müssen

    15:00 Uhr, 21.12. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Heinz15
    Heinz15

    ... wenn ich mir so ansehe, dass gerade die USA mit schöner Regelmäßigkeit den "government shutdown" durch eine Erhöhung der Schuldengrenze abwenden müssen und dann betrachte, dass durch die Steuerreform die Steuereinnahmen sinken und durch die steigenden Zinsen die Zinsausgaben steigen werden, dann läßt das wohl nichts Gutes ahnen.

    14:06 Uhr, 21.12. 2017
  • Newton1642
    Newton1642

    Hier sind viele Punkte weder stringent noch ökonomisch schlüssig. Selbstverständlich könnte die Realwirtschaft ohne QE überleben. Das hat sie immer, wenn auch mit teilweise erheblichen Einbrüchen. Ob die Finanzmärkte und das Finanzsystem ohne QE auskommen können, halte ich mit hoher Wahrscheinlichkeit für fraglich. QE fließt und floss seit nun fast 10 Jahren fast ausschließlich in die Finanzmärkte. Ohne QE wird der Ozean aus dem sich die Finanzmärkte speisen, trockengelegt. QE hat die Entkopplung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft rapide beschleunigt und zu gigantischen Assetblasen geführt. Die Staatsverschuldung und Unternehmensverschuldung wächst exponentiell deutlich schneller als das reale BIP. QE über nun 10 Jahre in diesem Umfang heißt staatliche Eingriffe in die Märkte und in die Marktwirtschaft in noch nie gekanntem Ausmass. Der Markt wird zurückschlage n. Dies weiß ich schon jetzt.

    Außerdem betreibt auch die SNB massiv QE, was offensichtlich vergessen wird.

    12:12 Uhr, 21.12. 2017
  • einfach
    einfach

    das problem ist nicht das es ohne qe gehen könnte, sondern das problem ist bei dann steigenden zinsen die wieder steigende zinslast bei rekordverschuldungshöhe.

    in den ersten 3 - 5 jahren geht das für die meisten staaten noch ohne einschränkungen, dann können sich diejenigen wieder freuen die bargeld oder sicherheiten hatten um sich wieder mit guten zinsertragsbringern einzudecken.

    aber nach dieser zeit heißt es dann für alle entweder ein neues qe um die zinlast wieder zu drücken oder steuererhöhungen auf breiter front um den erhöhten zinsdienst leisten zu können oder noch schlimmer noch höhere schulden bei weiter steigenden zinsen zuzulassen.

    bei pro und contra betrachtung führt volkswirtschaftlich gesehen eigentlich kein weg an weiterem qe vorbei.

    eine kluge regierung wird qe solange laufen lassen bis die staastverschuldung durch die eingesparten zinsdienste wieder im bereich um die 40% ist.

    eine noch klügere regierung wartet sogar ab bis die staatsverschuldung nahe null % gesunken ist.

    10:25 Uhr, 21.12. 2017
  • Elchness
    Elchness

    Wieso ist der Betrag der EZB in Grafik 2 bis September 2019 positiv?

    Das QE geht doch Stand jetzt nur bis September 2018. Wodurch vergrößert sich die Bilanz der EZB danach noch um ein weiteres Jahr?

    09:54 Uhr, 21.12. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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