Kommentar
15:03 Uhr, 14.05.2020

Kann die Eurozone das überleben?

Die Coronakrise wird immer mehr zur Eurokrise. Das Paradoxe daran: Die EZB ist dafür der Auslöser, aber nicht, weil sie ihr Mandat überschreitet, sondern weil sie es erfüllt.

Die Eurozone hat gleich mit mehreren Krisen zu kämpfen. Nicht alle sind auf die Pandemie zurückzuführen. Mein Kollege Oliver Baron berichtete bereits über eine mögliche Verfassungskrise in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das erste QE Programm gegen EU-Recht verstößt. Persönlich gehe ich von einer raschen Klärung der Lage aus. Die Lage kann geklärt werden, indem gezeigt wird, dass die Anleihenkäufe durchaus notwendig waren. Die EZB ist zwar nicht verpflichtet dies zu zeigen, allerdings dürfte sie nicht riskieren, die Eurozone durch Untätigkeit zu sprengen. Die Krise ist damit praktisch wieder abgehakt. Anleger sahen das ähnlich. Der Markt zuckte nur sehr kurz nach Veröffentlichung des Urteils. Dafür rollt schon die nächste Krise an. Das neu aufgelegte Pandemie-Notfallprogramm verzichtet auf bisher übliche Einschränkungen. Bisher kaufte die EZB Anleihen der jeweiligen Staaten nach ihrem Kapitalanteil an der EZB...und jetzt?

Der Kapitalanteil richtet sich nach der Größe eines Landes. Deutschland hat die größte Wirtschaftsleistung in der Eurozone und damit auch den höchsten Kapitalanteil. Liegt dieser bei 27 %, dann sollten auch 27 % der Staatsanleihenkäufe auf dieses Land entfallen. Tun sie aber nicht.

Kleine Abweichungen gab es bereits in der Vergangenheit. Je nach Liquidität wurden in bestimmten Monaten einmal mehr und in anderen Monaten einmal weniger Anleihen gekauft als vorgesehen. Seit Beginn der Coronakrise herrscht aber so etwas wie Anarchie. Im April entfielen 40 % aller Anleihenkäufe auf Italien, obwohl dem Land nach Kapitalschlüssel nur die Hälfte davon zusteht (siehe Grafik).


Deutsche Anleihen wurden hingegen kaum gekauft. Die EZB kauft gezielt Anleihen von Staaten in Schwierigkeiten. Das sorgt einerseits für Ruhe auf dem Markt, wirft aber große Fragen auf. Schulden werden durch die Bilanz der EZB nun nicht mehr einfach nur vergemeinschaftet, sondern auch noch überproportional verschoben.

Kauft die EZB permanent mehr italienische Staatsanleihen als vom Kapitalschlüssel vorgesehen, profitiert Italien überproportional. Da der Kapitalschlüssel an sich unverändert bleibt, tragen Länder wie Deutschland mehr Risiko. Stehen Italien 500 Mrd. zu, kauft die EZB aber 600 Mrd. muss Deutschland immer noch nach seinem festen Kapitalschlüssel daran partizipieren.

Die EZB hat den Kapitalschlüssel in der Krise aus gutem Grund ausgesetzt. Ohne diese Intervention befänden wir uns bereits wieder dort, wo wir 2012 schon einmal waren, kurz vor dem Zusammenbruch der Eurozone. Die EZB kann also gut argumentieren, dass die Käufe notwendig waren, um ihr Mandat zu erfüllen. Ein Auseinanderbrechen der Eurozone macht die Erfüllung des Mandats (Preisstabilität) unmöglich.

In Erfüllung des Mandats kreiert die EZB allerdings ein neues Pulverfass. Den Bürgern lässt sich schlecht erklären, weshalb sie am Ende überproportional für Italien haften sollen. Es braucht hier ganz schnell eine Normalisierung oder anderweitige Lösung. Andernfalls dürfte die Eurozone das überproportionale Verschieben von Risiko von einem Land in ein anderes kaum überstehen.

Clemens Schmale


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    Die Journalisten der Tageszeitungen befassen sich doch lieber mit so wichtigen Themen, ob Masken jetzt mehr oder weniger schützen. Wer will sich schon mit der EZB befassen, das wäre doch viel zu mühsam. Hinter uns die Sintflut.

    21:26 Uhr, 14.05. 2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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