Kommentar
07:08 Uhr, 22.09.2017

Kann der Markt eine weitere Zinserhöhung verkraften?

Anleger müssen sich wohl auf eine Fortsetzung der Zinswende einstellen. Das kann ungemütlich werden, doch wie ungemütlich genau?

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Kaum eine Zinswende war jemals so schwierig wie die derzeitige. Die US-Notenbank Fed hat die Zinsen seit Ende 2015 erst vier Mal angehoben. So langsam ging es noch nie. Das zeigt, wie hoch die Nervosität auf allen Seiten noch ist. Die Notenbank will die Wirtschaft nicht abwürgen. Daher geht sie behutsam vor. Das muss sie auch, denn nicht nur Anleger sind nervös, sondern auch Unternehmen.

Eine schnellere Folge von Zinsschritten würde mit hoher Sicherheit die Stabilität gefährden. Dazu gehört die Stabilität am Finanzmarkt ebenso wie bei Unternehmen, die durch niedrige Zinsen durchaus profitieren. Schulden aufzunehmen war noch nie so günstig wie jetzt. Höhere Zinsen können Investitionsentscheidungen verzögern.

Die aktuelle Zinswende ist schon eine ganz besondere. Das gilt nicht nur für die Geschwindigkeit (oder besser: Langsamkeit), sondern auch für den Aktienmarkt. Seit dem ersten Zinsschritt legten die Kurse deutlich zu. Das per se ist nicht außergewöhnlich. Was dabei aber durchaus bemerkenswert ist, ist das Tempo.

Grafik 1 zeigt wie sich das KGV des US-Marktes in jedem Zinserhöhungszyklus entwickelt hat. Es gab bisher keine Zinswende, bei der das KGV nach zwei Jahren höher stand als zu Beginn des Zyklus. Die Ausnahme ist der Zyklus seit 2015. Das KGV stieg. Im Normalfall stagniert es oder fällt.

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Der Grund dafür ist relativ einfach. Mit höheren Zinsen werden andere Anlageklassen attraktiver. Um Anlageklassen vergleichen zu können, braucht man einen Maßstab. Dieser ist die Rendite. Bei Anleihen wird die Rendite ausgewiesen, beim Aktienmarkt nicht. Die Aktienmarktrendite kann man berechnen, indem man das KGV umkehrt. Bei einem KGV von 10 liegt die Rendite bei 10 %. Bei einem KGV von 20 liegt sie bei 5 %. Aktuell sind es 4 %.

Für 4 % Rendite muss man eine hohe Schwankungsbreite in Kauf nehmen. Steigen nun die Zinsen und werfen sichere Staats- und Unternehmensanleihen plötzlich wieder 3 % oder 4 % ab, muss man nicht lange nachdenken, wohin das Geld fließen sollte. Steigende Zinsen führen dazu, dass Anleger eine höhere Rendite von Aktien fordern. Das wird erreicht, indem der KGV sinkt.

Heute ist das nicht so – bisher zumindest. Steigende Zinsen müssen auch nicht zwangsläufig zu fallenden Kursen führen. Grafik 2 zeigt die Kursentwicklung des S&P 500 über Zinserhöhungszyklen. Nach zwei Jahren war bisher nur ein einziger Zyklus erfolgreicher für Anleger. Die Kurse stiegen innerhalb von zwei Jahren in dem Zyklus 1954 bis 1957 um 60 %.

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Die Kurse können auch bei sinkenden KGVs weiter steigen. Es ist lediglich notwendig, dass die Gewinne der Unternehmen schneller steigen als die Kurse. Derzeit steigen die Kurse schneller als die Gewinne. Auf Dauer ist das extrem ungesund.

Anleger kommen derzeit damit davon, weil immer noch die Meinung vorherrscht, dass die Zinsen nicht mehr normalisiert werden, also unterhalb von 2 % bleiben. Sollte es wider Erwarten doch zu einer Normalisierung kommen, wird es ein böses Erwachen geben. Um das wieder geradezurichten, muss der Markt schon mindestens 25 % fallen. Aber wer weiß, vielleicht durchbrechen die Zinsen auch nie wieder die Marke von 2 %.

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  • agnostika
    agnostika

    Zunächst: Danke Herr Schmale, guter Artikel.
    Meine Anmerkung dazu: Betrachten Sie bitte die Angelegenheit aus der Perspektive der Rentenmärkte. Zinsen 10 Jahre Bund bei 0,5% macht ein KGV von 200. Selbst wenn sich die Zinsen im Euroraum eher rasch erhöhen und auf 1% verdoppeln, fällt das KGV "nur" auf 100. Setzen sie dies in Bezug zum Aktien KGV - et voilà! Der Markt bleibt somit strukturell bullish, Norges Bank hat zuletzt Aktienquote weiter angehoben - da kommt keine fette 20-30% Korrektur, auf die so viele angeblich warten. Das m.E. größte Risiko ist das Überschiessen der Inflation - aber die Inflation konnte keine Notenbank auf diesem Planeten in den letzten 8 Jahren schlüssig erklären, von daher spare ich mir Kaffeesatzlesen und baue schön weiter auf.

    11:10 Uhr, 22.09. 2017
  • Joey-the-bee
    Joey-the-bee

    Es gibt jedoch noch kleinere Unternehmen die noch zu fairen Preisen für Investoren zu haben sind. Die großen U. sind meiner Meinung nach einfach zu teuer und daher schließe ich mich den anderen Kommentaren an. Fette Fische erst nach ner Korrektur kaufen und sie vorerst den Tradern überlassen.... @Schmale netter Artikel

    08:37 Uhr, 22.09. 2017
  • Ridicule
    Ridicule

    Moderat steigende Zinsen (und dafür wird perspektivisch die FED sorgen) sind für den Aktienmarkt überhaupt kein Problem, ja sogar wünschenswert. Die 10 Year Treasuries oszillieren weiter zwischen 2 und 2.5 Prozent und absehbar wird das so bleiben. Und nicht vergessen, dass einige Sektoren, die erhebliche Marktbedeutung haben, auf steigende Zinsen positiv reagieren.

    07:30 Uhr, 22.09. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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