Kommentar
08:32 Uhr, 30.03.2015

Kahlschlag: Jeder zweite Job fällt langfristig weg

Einer aktuellen Studie zufolge sind 47% aller Jobs durch Automatisierung gefährdet. Massenarbeitslosigkeit ist vermutlich die natürliche Folge.

Das Paper zur Automatisierung von Arbeit erschien vor anderthalb Jahren. Bis vor kurzem hat sich darum kaum jemand gekümmert, obwohl die Zahlen ziemlich erschreckend sind. Würden 47% aller Jobs durch Computer und Roboter ersetzt, dann ist Vollbeschäftigung wohl endgültig ein Relikt des 20. Jahrhunderts. Einschränkend muss man natürlich sagen, dass die Gefahr der Automatisierung keine ist, die sich plötzlich manifestiert. Es ist ein Prozess, der viele Jahre in Anspruch nimmt. Vielleicht sind deshalb die meisten Menschen und Politiker sehr entspannt.
Früher oder später wird sich die Haltung ändern müssen.

Gefährdet sind vor allem Jobs, in denen Menschen nicht viel verdienen. Bereits heute geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Was geschieht erst, wenn Menschen mit geringer Qualifizierung überhaupt keine Chance mehr auf einen Job haben?
Gefährdet sind vor allem Jobs, in denen es einen hohen Grad an standardisierten Prozessen gibt. Dazu gehört z.B. der Job eines Kassierers. Die Tätigkeit ist einfach. Der gleiche Prozess wiederholt sich immer und immer wieder. Produkte werden über einen Scanner gezogen. Kunden zahlen entweder mit Karte oder Bargeld. Wird mit Bargeld gezahlt, dann kommt es immerhin zu einer gewissen Form der Interaktion, die nicht komplett standardisiert ist. Trotzdem lässt sich diese Form der Arbeit problemlos automatisieren. In vielen Bereichen hat das bereits stattgefunden. Früher kaufte man sein Bahn- oder Flugticket noch am Schalter. Heute tun das nur noch die wenigsten.

Einige Lebensmittelketten haben inzwischen angefangen, den Self-Checkout einzuführen. Dabei übernehmen Kunden die Rolle des Kassierers. Sie scannen die Produkte selbst und zahlen dann mit Karte. Das wird noch nicht flächendeckend eingesetzt. Bis es soweit ist, wird es aber vermutlich nicht mehr lange dauern. Man erinnere sich nur an die Airlines. Self-Checkin brauchte auch eine gewisse Zeit, bis es sich durchgesetzt hat. In wenigen Jahren wird es vermutlich keine Möglichkeit mehr geben, von einem Menschen eingescheckt zu werden. Auch die Gepäckaufgabe wird immer mehr an Kunden ausgelagert. Die meisten Flughäfen bieten inzwischen die Möglichkeit für Reisende, das Gepäck selbst aufzugeben.

So wie es dem Personal bei den Airlines erging wird es auch dem Personal in vielen anderen Bereichen gehen. Je nach Berufsgruppe ist die Wahrscheinlichkeit eine andere. Grafik 1 zeigt die Wahrscheinlichkeiten der Automatisierung für einige ausgewählte Berufsgruppen. Insgesamt haben die Autoren des Papers über 700 Berufe untersucht. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit der Automatisierung von Faktoren abhängig, die beschreiben, wie einfach es ist eine Tätigkeit durch einen Computer oder Roboter zu ersetzen. Die wichtigsten Faktoren, die das Ergebnis beeinflussen, sind soziale Intelligenz, Kreativität und Wahrnehmung. Kreative Aufgaben lassen sich nur sehr schwer von Computern übernehmen. Letztlich muss alles programmierbar sein. Kreativität ist nicht einfach zu programmieren. So ähnlich verhält es sich bei sozialer Intelligenz. Dort, wo sie gebraucht wird, dürften es Computer schwer haben (z.B. Public Relations). Dort, wo soziale Intelligenz kaum gebraucht wird, können Maschinen übernehmen (z.B. Reinigung).


Bei Wahrnehmung geht es vor allem darum etwas, was man sieht, einordnen und darauf reagieren zu können. Ein Chirurg wird daher schwer zu ersetzen sein. Es gibt bereits Medizinroboter. Diese unterstützen Chirurgen jedoch nur bei ihrer Arbeit. Die komplette Automatisierung in der Chirurgie – gerade für sehr schwierige und selten durchzuführende Operationen – wird wohl erst sehr spät kommen.
Grafik 2 zeigt die Wahrscheinlichkeit der Automatisierung für Berufsgruppen. Dabei wird zwischen 3 Wahrscheinlichkeitskategorien unterschieden. 33% der Beschäftigten sind so gut wie gar nicht von der Automatisierung betroffen, 47% hingegen müssen ernsthaft um ihren Job bangen.
Die Grafik zeigt die Zahl der Beschäftigten pro Sektor. Sie wurde auf den US Arbeitsmarkt abgestimmt. Man kann dabei gut erkennen, was ich oben bereits beschrieben habe: kreative und komplexe Tätigkeiten sind weniger von der Automatisierung bedroht. In der Grafik sind das etwa Berufe aus dem Bildungssektor, Kunst, Medien, Management und Gesundheitswesen. Als besonders gefährdet gelten Produktion, Verkauf (etwa Kassierer) und Transport.

Wie schnell Jobs ersetzt werden hängt von zwei Faktoren ab: Akzeptanz und Kosten. Zuallererst muss ein Unternehmen Kosten sparen können. Ansonsten würde es die notwendigen Investitionen in die Automatisierung nicht tätigen. Es gilt jedoch auch, dass nicht alles, was möglich ist, auch letztlich Sinn macht. Konsumenten fühlen sich wahrscheinlich wohler, wenn ihnen ein Mensch die Haare schneidet und nicht ein Roboter.
Bis sich bestimmte Berufe ersetzen lassen kann es lange dauern, weil Konsumenten die Veränderung auch akzeptieren müssen. Dass es früher oder später aber soweit kommt, daran besteht kaum ein Zweifel. Ein Beispiel ist das selbstfahrende Auto. Je nachdem, wen man fragt, wird die Technologie noch 5 bis 10 Jahre Entwicklung brauchen bis sie marktreif ist. Wird sie deswegen auch angenommen? Fragt man heute begeisterte Autofahrer, dann lautet die Antwort ganz klar: Nein. Die Argumente: fahren macht Spaß und ich traue der Technologie nicht zu, dass sie besser ist als ein Mensch. Letzteres lässt sich eher schnell ausräumen. Man darf nicht vergessen, dass Flugzeuge kaum noch manuell bedient werden. Trotzdem fliegen immer mehr Menschen. Anscheinend stört es sie nicht, dass sie von einer Maschine geflogen werden.

Tatsächlich dürften sich in vielen Bereichen Fehler fast vollständig vermeiden lassen, wenn Menschen durch Technik ersetzt würden. Im Bahnverkehr kommt es immer wieder vor, dass Menschen Signale übersehen und es in der Folge zu Unfällen kommt. Eine Maschine kann ein Signal nicht übersehen.

Ein starkes Argument für Konsumenten dürfte ebenfalls der Preis sein. Automatisierung kann vieles günstiger machen. Wenn die Arbeitskraft gespart werden kann, dann dürften sich die Preise für viele Produkte oder Dienstleistungen halbieren. Man denke nur ans Taxifahren.

Zusammenfassend kann man sagen: die Automatisierung ist keine Zukunftsvision, sie findet seit vielen Jahren statt. Im Gegensatz zum 20. Jahrhundert dürfte sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten der Prozess deutlich beschleunigen. Die Jobs in Berufsgruppen, in denen fast alles standardisiert ist, werden wegfallen. Das wird vor allem jene hart treffen, die bereits jetzt immer weniger verdienen und immer weniger die Chance haben, Vermögen aufzubauen. Das kann zu einem großen sozialen Problem werden. Der Trend ist genauso ernst zu nehmen wie der demographische Wandel. Es ist genauso langfristig und problematisch. Kümmern tut das bisher noch niemanden. Das ist ein blinder Fleck. Sich nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen ist ein großer Fehler.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

15 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Lumpazi
    Lumpazi

    Nach jüngsten Forderungen brauche Deutschland in den nächsten Jahren über 500.000 Einwanderer jährlich. Na prima!

    18:26 Uhr, 30.03. 2015
  • Arnim
    Arnim

    Ach noch eine schöne Alternative zu der Klitsche in Seulberg

    36469 Tiefenort Werkstrasse7 Grundstücksgrösse 12576qm Wohnhaus mit ca 650qm NfL

    Wohnzimmer ca 460qm NfL schlappe 60.000€

    17:28 Uhr, 30.03. 2015
    2 Antworten anzeigen
  • Arnim
    Arnim

    Stellt euch vor in meinem Edeka Markt hier auf dem flachen Land haben sie diese Kassen ohne Kassierer. habe ich sogar auch schon mal gemacht - ging natürlich voll schief - war ja klar. Ist aber eine schöne Drohkulisse - so ala he willste nicht für 5 € arbeiten dann ersetzen wir dich mit soner Elektrokasse. Könnse ja gerne mal probieren dann bricht ihr Umsatz aber zusammen - denn das funktioniert ja nicht und neben jeder EKasse steht ein Computerfuzzi für 20€ die Stunde um den Dreck am laufen zu halten - lächerlich.

    Sicher irgendwann haben sie das stabil - so wie mein Computer jeden Tag stabil läuft - hahaha

    und zur Frage wer hat die Kohle/Macht mein lieber MDAdvisory

    bei 0% Zins sind die Doppelhauhälften natürlich verkauft allerdings bestimmt zu einem horrenden Preis den du nun bezahlen sollst als Mieter - hahaha

    Alternative in 39171 Sülzetal OT Altwedingen Breitestrasse 21 - 23 super Luxus Haus kaufen für 45.000 € 2889qm Grundstücksgrösse 1300qm Wohnfläche

    Hubschrauberschein machen und Porsche 911 kaufen

    17:08 Uhr, 30.03. 2015
  • Grundeinkommunikator
    Grundeinkommunikator

    @Clemens Schmale : Danke für den interessanten Artikel! Könnten Sie bitte einen Link zu dem zitierten Paper posten? Danke!

    17:01 Uhr, 30.03. 2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Herr Schmale ,

    am besten finde ich den Satz zum Lockfuehrer: Maschinen koennen keine Signale uebersehen. Und was passiert , wenn kein Signal kommt? Dann rauscht der Zug volles Rohr ohne Mensch sonstwohin? Aber im Grunde haben Sie natuerlich Recht. Ich schreibe gerade ueber die verschwiegenen und voellig ignorierten Auswirkungen der schleichenden Automatisierung seit Jahren. Wenn ich unsere Projekte in Kambodscha betrachte, verhungert die Masse dort nur nicht, weil sie bisher billiger im Textil/Schuh Bereich arbeitet als Roboter. Das ist in der gesammten 3. Welt so. Von was sollen diese Menschen dann leben, deren Gewaesser ueberfischt oder verseucht sind und deren einstiger Lebensraum (Dschungel) langst zerstoehrt ist? Von WAS? Da kommen ganz schwehre Zeiten auf uns zu. Ich finde es interessant HIER was dazu zu lesen. Generell wird dieses Thema gemieden wie die Pest und das in der gesammten Presse. Es existiert einfach nicht. So wenig wie die Auwirkungen regen Computergebrauchs aufs menschliche Gehirn. Dazu gibt es praktisch oeffentlich ueberhaupt nichts..

    11:43 Uhr, 30.03. 2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Praktisches Beispiel aus dem Leben zum Thema "Wer hat hier die Kohle?": Wir waren mal wieder am Wochenende auf Immobiliensuche. Der Makler fuhr mit uns in ein kleines Dorf nördlich von Bad Homburg. Dort standen zwei Doppelhaushälften mit ca. je 180qm Wohnfläche und ca. je 300 qm Garten. Die beiden Hälften waren bereits verkauft - der Vermieter war vor Ort und erzählte dann, er wolle je Hälfe 3.000 EURO Kaltmiete pro Monat. Ich fragte hinterher den Makler, ob das realistisch sei, denn wir wären hier schließlich in the middle of nowwhere und das Publikum im Dort sah auch nicht gerade vertrauenserweckend aus. Da meinte er: Kein Problem - irgend eine Bank wird das schon für einen Direktor oder sonst wen anmieten.

    Da weisse Bescheid ;-)

    08:47 Uhr, 30.03. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Ich denke wir konvergieren zu den Zuständen, die in Raumschiffenterprise gelten: Arbeit und Geld sind Relikte des 21. Jahrhunderts. In Bezug auf Geld sind wir auf dem besten Wege, das bestehende System gegen die Wand zu fahren. Bei der Arbeit haben Sie gerade beschrieben, wo die Reise hingeht. Es wird spannend, wie der Sprung aus dem alten in das neue System ohne große Verwerfungen gelingen kann. Nach vorne gedacht würde es insbesondere bedeuten, dass diejenigen, die heute viel haben, künftig deutlich weniger haben, weil sie de facto soviel haben wie das untere Viertel. Desweigen stemmen sie sich gegen den Trend - sieht man ja heute schon: Die Finanzindustrien tut alles dafür, das bestehende System zu halten (IWF, Zentralbanken etc.), weil auf Basis dieses Systems ihr überlegener Anspruch (mehr Vermögen und damit mehr Macht) basiert. In Zukunft wird die Grundversorgung gesichert sein und und man kann sich anderen Dingen widmen kann. Wenn dann noch eine neue Energiequelle (Kernfusionsresaktor) erschlossen wird, wird alles Gut ;-).

    08:43 Uhr, 30.03. 2015
    1 Antwort anzeigen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten