Kommentar
13:29 Uhr, 30.03.2011

Japans Einfluss auf globales Wachstum ist begrenzt

Die Folgen der nuklearen Strahlung um das AKW von Fukushima sind für Japan derzeit noch völlig unklar.

Infolge der Dreifach-Katastrophe Erdbeben, Tsunami und Havarie des Atommeilers Fukushima haben wir für 2011 unsere Wachstumsprognose für Japan von 1,5 % auf 0,9 % reduziert. Für 2012 haben wir die Wachstumsprognose indes von 2,0 % auf 2,3 % nach oben korrigiert. Die direkten Folgen einer wirtschaftlichen Abkühlung in Japan auf die Weltkonjunktur dürften 2011 begrenzt sein.

Stromsperren hemmen Wirtschaftstätigkeit
Naturkatastrophen führen gewöhnlich dazu, dass die Wachs¬tumsprognosen noch im selben Jahr nach oben angepasst werden, denn der Wiederaufbau kurbelt die Wirtschaft an. An der Ostküste Japans hemmen die zeitweiligen Stromsperren jedoch die Wirtschaftstätigkeit; daher haben wir unsere Prognose für 2011 gesenkt, aber die für 2012 erhöht.

Unser Basisszenario geht davon aus, dass sich diese Situation zum Sommer hin entscheidend bessert, auch durch Verlage¬rung der Produktion nach Südwest-Japan - sofern die nukleare Krise sich nicht verschärft. Leider lässt die bestehende Infra¬struktur keine Stromübertragung vom Westen in den Osten des Landes zu. Einige Unternehmen haben ihre Produktion bereits in andere Werke verlagert, sei es in die westlichen Landesteile oder ins Ausland.

Lieferengpässe bei Elektronikkomponenten
Ein Großteil der Komponenten für die Elektronikindustrie kommt aus der betroffenen Region. Kurzfristig könnten Automobilher¬stellern daher die spezial gefertigten Halbleiter ausgehen, ebenso wie den Herstellern von Smartphones die LCD-Displays und den Herstellern von Digitalkameras die Spiegelreflexobjek¬tive. Je nach Standort des Werks können auch petrochemische Firmen vom Strommangel betroffen sein. Industrien mit hohem Energiebedarf sind Bau- und Baustoffindustrie, gefolgt von der Haushaltsgüterindustrie.

Wiederaufbau wird entscheidend zur Erholung beitragen
Trotz der immensen Verluste an Menschenleben, der gewaltigen Sachschäden und der nuklearen Krise wird Japan sich erholen. Ein bis zwei Quartale lang wird die Katastrophe die Wirtschaft extrem belasten, aber dann dürfte der rasche Wiederaufbau zunehmend Erleichterung schaffen. Auch wenn die Narben, die die Katastrophe in der Tohoku-Region geschlagen hat, wohl nie ganz verheilen werden, so wird sich Japan insgesamt auf Jahressicht wirtschaftlich erholt haben.

Geldpolitische Entschlossenheit
Die Bank of Japan (BoJ) hat sofort Liquidität in den Geldmarkt gepumpt; die Regierung wird voraussichtlich einen Sonderetat für den Wiederaufbau bereitstellen. Erfreulich ist, dass die ganze Welt bereit ist, Japan wieder auf die Beine zu helfen. Nicht nur sind freiwillige Helfer aus allen Teilen der Welt nach Japan geströmt, auch die G7 intervenierte sofort am Devisenmarkt, um den Höhenflug des Yen zu zügeln, der untertägig auf USD/JPY 76 geschnellt war. Das lag an Spekulationen, japanische Versicherer müssten ihr Kapital repatriieren. Für die Versicherer sind die Verluste beherrschbar: Die Mehrzahl der Policen ist im Ausland rückversichert, die Versicherungssummen sind pro Katastrophe nach oben begrenzt und private Versicherungsgesellschaften verfügen über umfangreiche Rückstellungen für solche Fälle.

Folgen für die Weltkonjunktur begrenzt
Fragt sich, was die veränderten Perspektiven Japans für die übrige Welt bedeuten. Dies ist jedoch eine breit gefächerte Problematik, da sie nicht nur die direkten Folgen für das BIP, sondern auch Handel und Kapitalflüsse sowie Wirtschaftspolitik und Finanzmärkte betrifft.

Vor allem aus zwei Gründen sind wir der Ansicht, dass die Folgen für die globalen Wachstumsperspektiven begrenzt sind.

Proaktive geldpolitische Reaktion
Zunächst einmal hat die Bank of Japan mit aller Entschlossenheit reagiert. Die konzertierte Intervention der G7 am Devisenmarkt, um eine weitere Stärkung des Yen zu verhindern, hat unser Vertrauen in die wirtschaftspolitische Vernunft noch untermauert. International koordinierte FX-Interventionen finden relativ selten statt (zum letzten Mal im Jahr 2000). Insofern kommt ihnen eine besonders starke Signalwirkung zu. Spekulanten nehmen auch weitaus mehr Notiz, wenn alle beteiligten Zentralbanken sich auf die gewünschte Richtung von Wechselkursbewegungen einigen. Das gilt umso mehr, als dass die BoJ diese Interventionen nicht sterilisiert, sondern ihren Worten handfeste geldpolitische Maßnahmen folgen lässt.

Japans Beitrag zum globalen Wachstum ist begrenzt
Obwohl Japan bei Zugrundelegung der Marktkurse 8,7 % der globalen Wirtschaftsleistung repräsentiert, trägt das Land nur in Höhe von rund 5 Prozentpunkten (Pp.) direkt zum globalen Wachstum bei. Das ist sehr viel weniger als der Beitrag Chinas in Höhe von 20-25 Pp. (bei Zugrundelegung der Marktkurse knapp über 9 % des globalen BIP) oder der Beitrag der amerikanischen Verbraucher (10-15 Pp.).

Bedenkt man, dass Japan seit Ende der 1990er Jahre mit Deflation (und somit stagnierendem Wachstum) gekämpft hat, während die übrige Welt lebhaft weiterwuchs, macht das natürlich Sinn. Die direkten Folgen einer wirtschaftlichen Abkühlung in Japan für die Weltkonjunktur sollten daher begrenzt sein.

Aber natürlich gibt es auch indirekte Folgen über das Handels- und Finanznetz und das ist der Bereich, in dem die wahren globalen Folgen der japanischen Katastrophe derzeit noch nicht abzuschätzen sind.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

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