Kommentar
12:37 Uhr, 14.02.2011

Japan: Wieder nur ein Wellblechaufschwung?

1. Die japanische Volkswirtschaft steht statistisch gesehen mit einem Bein in einer erneuten Rezession. So sank im vierten Quartal 2010 zum zweiten Mal in diesem Aufschwung das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal. Gemeinhin wird von einer Rezession gesprochen, wenn die wirtschaftliche Aktivität in zwei aufeinander folgenden Quartalen schrumpft. Gleichwohl stellt zumindest auf den ersten Blick die heutige Datenveröffentlichung eine positive Überraschung dar. Nach derzeitigem Kenntnisstand sank das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal um 0,3 % gegenüber dem Vorquartal und damit etwas weniger als befürchtet (Bloomberg-Umfrage: -0,5 %, DekaBank: -0,4 %). Wie üblich wurde die vergangene Entwicklung einer Revision unterzogen. Mit der von uns erwarteten Schrumpfung im vierten Quartal wäre das Bruttoinlandsprodukt im Gesamtjahr 2010 um 4,3 % gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Mit den nun veröffentlichten revidierten Zahlen ist das Bruttoinlandsprodukt in 2010 um 4,0 % angestiegen. Dies ist dennoch der kräftigste Zuwachs seit 1990, der freilich auf ein Minus um 6,3 % in 2009 folgte.

2. Die Zusammensetzung der wirtschaftlichen Aktivität im vierten Quartal entspricht mit einer Ausnahme grundsätzlich unseren Erwartungen. Bereits bei der Kommentierung der Wachstumszahlen zum dritten Quartal 2010 hatten wir auf einen Sondereffekt beim privaten Konsum hingewiesen. Aufgrund staatlicher Anreize, energiesparende Produkte zu kaufen, stieg der private Konsum im dritten Quartal sehr stark an. Zwar wurde dieses Konjunkturprogramm bis Ende 2011 ausgeweitet. Monatliche Einzelhandelsumsätze signalisierten aber bereits damals einen negativen Rückpralleffekt im vierten Quartal. Tatsächlich ist der private Konsum im Schlussquartal 2010 im Rahmen unserer Erwartungen gesunken. Allerdings ging dieser Rückgang nicht vom Bereich der zuvor nach oben getriebenen Gebrauchsgüter aus. Diese stiegen sogar nach 12,2 % im dritten Quartal nochmals um 3,1 % im vierten Quartal an. Anders als von uns erwartet ist also nicht der Rückpralleffekt im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket für die schwache Konsumentwicklung im vierten Quartal verantwortlich, sondern vermutlich die eher schwache Einkommensentwicklung in diesem Zeitraum. So sanken die Realeinkommen im vierten Quartal um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal. Allerdings war auch hier das Vorquartal mit einem Zuwachs um 0,8 % durchaus kräftig gewesen. Eine andauernde Einkommensschwäche gepaart mit einem noch ausstehenden negativen Rückpralleffekt im Bereich der Gebrauchsgüter könnte auch für das erste Quartal 2011 eine spürbare Wachstumsbremse bedeuten. Vom Arbeitsmarkt, der wichtigsten Einkommensquelle der privaten Haushalte, liegen bislang noch keine monatlichen Daten für 2011 vor. Zumindest fand im Dezember 2010 ein Beschäftigungsaufbau statt. Aufgrund der sehr hohen Schwankungsanfälligkeit dieser Statistik kann aber hieraus nicht mit Gewissheit auf einen positiven Trend am Arbeitsmarkt geschlossen werden.

3. Durchaus erfreulich ist die Entwicklung der gewerblichen Investitionen. Diese setzten ihre wenn auch schwache Aufwärtsentwicklung fort. Monatliche Investitionsindikatoren hatten sogar einen Rückgang nahegelegt. Neben den gewerblichen Investitionen sind auch die Wohnungsbauinvestitionen gegenüber dem Vorquartal angestiegen. Hier war der Zuwachs sogar vergleichsweise stark. Der Bedeutungsverlust des privaten Wohnungsbaus hält mit zwischenzeitlichen Unterbrechungen bereits seit Anfang der Achtzigerjahre, dem Beginn der amtlichen Statistik, an. Damals betrug der Anteil der Wohnungsbauinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt noch 7 %. Dreißig Jahre später sind es nur noch 2,4 %. Es ist durchaus möglich, dass dieser Jahrzehnte andauernde Abwärtstrend im Laufe dieses Aufschwungs sein Ende findet, wenngleich die demografische Entwicklung weiterhin einen Belastungsfaktor darstellen wird. Ein spürbarer Bremsfaktor stellten die Staatsinvestitionen im vierten Quartal dar. Die Staatsinvestitionen stiegen zu Beginn des Aufschwungs 2009 aufgrund von Konjunkturprogrammen deutlich an. Spätestens seit Anfang 2010 setzte dann eine Normalisierung ein. Aufgrund des sehr deutlichen Rückgangs im vierten Quartal 2010 liegt nun wieder ein Investitionsniveau wie der Krise vor. Dieser "Bereinigungsprozess" scheint somit weitgehend abgeschlossen zu sein.

4. Zum zweiten Mal in Folge blieben Wachstumsimpulse vom Außenhandel aus. Im vierten Quartal sanken sogar erstmals seit Beginn des Aufschwungs die Exporte. Allerdings gibt es berechtigte Hoffnung, dass dies nur ein zwischenzeitlicher Rückgang gewesen sein dürfte. Monatliche Außenhandelsdaten deuten darauf hin, dass es zum Ende des Quartals einen kräftigen Schlussspurt gegeben hat. Dieser kam zwar für das vierte Quartal zu spät, dafür ist der statistische Überhang für das erste Quartal 2011 sehr hoch. Neben diesen statistischen Gründen gibt es aber auch handfeste ökonomische Argumente. So hat die Währung in den vergangenen Monaten handelsgewichtet nicht weiter aufgewertet. Hinzu kommt ein neuer globaler Nachfrageschub. In den vergangenen Monaten haben sich die globalen Frühindikatoren, wie beispielsweise die regionalen Einkaufsmanagerindizes, wieder verbessern können. Auf der Importseite machte sich im vierten Quartal die schwache inländische Nachfrage bemerkbar, sodass auch die Einfuhren gegenüber dem Vorquartal gesunken sind. Importe gehen in die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts negativ ein, sodass der Importrückgang einen positiven Wachstumsbeitrag bedeutet. Die anhaltend schwache inländische Nachfrage sowie der deutliche Importrückgang im Dezember deuten an, dass die Importe auch im laufenden ersten Quartal sinken könnte. Zusammen mit dem Exportplus dürfte der Außenhandel im ersten Quartal 2011 die entscheidende Wachstumsstütze bilden.

5. Die Lagerinvestitionen stellten je nach Revisionsstand in diesem Aufschwung ebenfalls eine wichtige Wachstumsstütze dar. Im vierten Quartal blieben die Lagerinvestitionen gegenüber dem Vorquartal unverändert. Da im Vorquartal noch ein Rückgang der Lagerinvestitionen vorlag, ist der Wachstumsbeitrag positiv und fiel im Rahmen unserer Erwartungen aus. Eine weitergehende Normalisierung der Lagerinvestitionen bedeuten einen weiteren noch zu erwartenden Wachstumsimpuls in diesem Jahr.

6. Trotz des Rückgangs im vierten Quartal 2010 ist das Bruttoinlandsprodukt seit Anfang 2009 um 6,6 % gewachsen, und die Arbeitslosenquote liegt bei knapp 5 %. Gemessen an diesen beiden Kennzahlen müsste der Konjunkturaufschwung eigentlich gefestigt sein. Aufgrund der gestiegenen gewerblichen Investitionen hat sich die Situation tatsächlich auch im vierten Quartal weiter verbessert. Allerdings liegt das Investitionsniveau im vierten Quartal 2010 immer noch 16,5 % niedriger als Anfang 2008. Die Folge dieser insgesamt nur schwachen Erholung zeigt sich über den Arbeitsmarkt und der Einkommensentwicklung der privaten Haushalte schließlich beim privaten Konsum. Das Ausbleiben des negativen Rückpralleffekts bei den Gebrauchsgütern im vierten Quartal bedeutet, dass der privaten Konsum sehr wahrscheinlich auch im laufenden Quartal nochmals rückläufig sein wird. Ob auch das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal schrumpft, entscheidet sich letztlich am Außenhandel. Auch für den mittelfristigen Wachstumsausblick ist der Außenhandel sicherlich von Bedeutung. Den Zustand eines gefestigten Konjunkturaufschwungs, der nicht einem Wellblech gleicht, kann aber nur über die inländische Nachfrage und damit über die Investitionstätigkeit der Unternehmen erreicht werden. Nach den heutigen Daten haben wir keinen Änderungsbedarf für unsere BIP-Prognose. Wir erwarten in diesem Jahr ein Wachstum von 1,5 % und für 2011 ein Wachstum von 1,7 %.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 160 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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