Kommentar
07:45 Uhr, 17.11.2015

Japan: Notenbank zwischen Offensive und Notbremsung

Geht das größte Quantitative Easing Programm der Welt zu Ende oder legt die japanische Notenbank noch eins drauf? Beides ist möglich, nachdem die Zentralbank ankündigte ihre Kapitaldecke zu stärken.

Die japanische Notenbank hielt im Oktober still.Zwei mal hätte sie die Gelegenheit gehabt, geldpolitisch weitere Lockerungen zu beschließen. Sie tat es nicht, dabei gab es viele Gründe, die dafür sprachen. Die Inflation kommt nicht in Gang. Viel schlimmer als die aktuelle Inflationsrate sind die Inflationserwartungen. Diese sackten auf ein Dreijahrestief ab. Es sieht ganz so aus, als würden Investoren und Konsumenten nicht mehr daran glauben, dass die Notenbank tatsächlich Inflation erzeugen kann. Nachdem die ganze Politik der Notenbanken nur auf Vertrauen basiert ,ist dieses neue Misstrauen Gift.

In diesem Zusammenhang hilft auch nicht, dass die japanische Wirtschaft im dritten Quartal weiter geschrumpft ist. Japan befindet sich nun offiziell wieder in der Rezession. Neu ist das nicht. In Japan wechseln sich moderate Rezessionen und minimales Wachstum regelmäßig ab. Die derzeitige, dritte Rezession während des großen QE Programms lässt natürlich an der Wirksamkeit zweifeln.

Der Bank of Japan (BoJ) gehen nun die Möglichkeiten aus, um das Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Die Inflationserwartungen kann sie wahrscheinlich nur anheben, wenn sie den Kurs der geldpolitischen Lockerung verschärft. Der Yen muss weiter abwerten, um die Inflationserwartungen zu stabilisieren. Das ist für die BoJ kritisch. Sie sieht den aktuellen USD/JPY Kurs von 120 als ein adäquates Niveau an. Die Notenbank scheint Angst vor einer Abwertung unter dieses Niveau zu haben.

Die Notenbank befindet sich nun in einer Zwickmühle. Lockert sie nicht weiter, dann droht eine neue Phase der Deflation. Sämtlichen, positiven Effekte des bisherigen QE Programms sind wieder verpufft und die Erwartungen der Konsumenten und Investoren sind klar auf Deflation ausgerichtet. Die Investitionen der Unternehmen sind wieder deutlich rückläufig. Weitere Lockerung birgt allerdings die Gefahr, dass die Dämme endgültig brechen und die Währung nicht nur leicht abwertet, sondern regelrecht kollabiert.

Die Situation ist vertrackt und ganz offensichtlich weiß die Notenbank nicht so recht, was sie tun soll. Daher tut sie erst einmal gar nichts und wartet ab. Ob Abwarten und der Eindruck der Handlungsunfähigkeit Investoren und Konsumenten von alleine aus den Deflationsfantasien reißen können, darf man bezweifeln.

Die BoJ ist momentan regungslos, doch das wird vermutlich nicht lange so bleiben. Sie führt etwas im Schilde. Was, das weiß niemand. Es wurde am vergangenen Freitag lediglich bekannt, dass die Notenbank ihre Kapitaldecke stärken will. Dies wird sie tun, indem sie ihre Gewinne größtenteils einbehält und nicht mehr an das Finanzministerium überweist.

Die Notenbank hat mit dem Finanzministerium vereinbart, einen größeren Teil der Gewinn einzubehalten. Die Politik ist informiert und unterstützt das Vorhaben. Der Finanzminister wird jedoch kaum freiwillig auf Milliardenüberweisungen verzichten. Die Notenbank muss schon gute Argumente vorgebracht haben, weshalb sie die Gewinne einbehalten will.

Die Grafik zeigt die Bilanzsumme der BoJ seit 2001. Die Ausweitung der Bilanz durch die Anleihen- und Aktienkäufe ist bekannt. Im Schatten der Bilanzausweitung ist die Kapitalquote massiv geschrumpft. Vor Beginn des aktuellen QE lag die Kapitalquote (Kapital im Verhältnis zu den Assets) noch bei 5%. Inzwischen ist sie auf 2% zusammengeschmolzen. Mit anderen Worten: verlieren die Assets 2% an Wert, dann hat die Notenbank eine Kapitalquote von 0%.
Sollten die Kurse der Anleihen aus irgendeinem Grund fallen, dann sind 2% Kapitalpuffer sehr, sehr wenig. Langlaufende Anleihen können relativ schnell 5 bis 10% verlieren. Kommt es dazu, dann weist die BoJ eine hohe Summe negativen Eigenkapitals aus.

Stärkt die BoJ ihre Kapitaldecke nicht, dann würde die Kapitalquote pro Jahr um 0,3 Prozentpunkte sinken. In wenigen Jahren wären die Rücklagen im Vergleich zur Bilanz winzig. Verluste könnten überhaupt nicht mehr absorbiert werden. Letztlich ist die Stärkung der Kapitaldecke durch die Einbehaltung von Gewinnen nur Kosmetik. Die Gewinne sind zu klein, um die Kapitalquote zu erhöhen. Das einzige, was der Notenbank gelingen kann, ist den Rückgang der Quote zu verkleinern.

Vielleicht ist das schon alles, was die Bank vorhat: die Erosion der Eigenkapitalquote verlangsamen. Das ist die einfachste aller Erklärungen. Es ist jedoch auch möglich, dass mehr Eigenkapital zur Verfügung stehen soll, um drohende Verluste effektiv abzufedern. Solche Verluste fallen an, wenn QE beendet wird. Anleihen würden schnell an Wert verlieren. Ob die Kapitalquote in einem solchen Fall bei 2%, 3% oder 1% liegt, ist eigentlich auch schon egal. Das Eigenkapital reicht keinesfalls aus, um Verluste zu absorbieren.

Möglich ist daher auch die Vorbereitung der Bank auf weitere Maßnahmen. Die BoJ ist durchaus bekannt für deutlich mehr Spontanität als andere Notenbanken. Sie kündigen potentielle Veränderungen nicht Jahre im Voraus an. Gut möglich, dass die Bank Kapital aufbauen möchte, um neue, unkonventionelle Maßnahmen zu testen.

Die Stärkung der Kapitaldecke kann alles bedeuten – von einem QE Ausstieg bis hin zu neuen, noch nicht dagewesenen Maßnahmen. Wir dürfen gespannt sein.

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5 Kommentare

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  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Hä? Wir haben doch überall Inflation. Nämlich die inflationäre Wortwahl Inflation. Herr Schmale, so´ne richtig geile Inflation wie in den 1920er Jahren wäre schon cool, oder? Das Brot für 500,00 Euro, da ist der Liter Benzin für schlappe 95,00 Euro schon fast ein Schnäppchen.

    Stellen Sie sich doch einfach mal vor, wir hätten alles was wir brauchen. Haus, Job, Auto, Frau, Kind. Wo bleibt da noch was übrig für Konsum? Das Apple-Teil auf Kredit, Haus und Auto auf Pump bis zum Anschlag, der Rest der Bevölkerung ist eh überschuldet.

    Die Umstellung auf den Euro gab dann 2002 den Rest.

    Meine Meinung.

    23:17 Uhr, 25.11.2015
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Welche positiven nachhaltigen Effekte von QE habe ich verpasst???

    12:26 Uhr, 17.11.2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Ich korrigiere mich: 2014 waren es 43%

    10:32 Uhr, 17.11.2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Dass die BOJ in den letzten zwei Monaten nichts gemacht hat zeigt dass sie einsieht, dass sie mit den bisherigen QE Maßnahmen nichts erreicht hat und derzeit darüber grübelt, was sie als nächstes tun sollte. Eine weiter so mit bisherigen Stil bringt ja nix. Und QE a la Japan geht auch am Anleihemarkt nicht mehr so ohne weiteres weil die umlaufenden Titel teilweise geringer als die QE Volumina sind. Ich könnte mir ganz neue Sachen vorstellen - z.B. jeder Haushalt kriegt einen Scheck über 5.000 EUR um ihn im Konsum zu verballern. Es wird interessant sein, wie man das "verpackt". Aber schon im Grundstudium der VWL (Barrow / Neoklassik) lernt man, dass man mit so einem Effekt kurzfristig die Inflation anheizen kann. Die Frage ist nur - wie lange? Wenn Japan keine harte Reformen durchführt, ist es finanziell dem Untergang geweiht. Und dieser Punkt kommt immer näher - wir reden nicht mehr über 20 Jahre. Das ganze Spiel wird sich in den nächsten 5 Jahren entscheiden. Und wenn der Punkt da ist, geht es ganz schnell. Hier noch mal als Hinweis: über 50% des laufenden Budgets wird in Japan bereits über Kredite finanziert. Das muss man sich mal vorstellen. In D reden wir von einem ausgeglichen Haushalt mit der Tendenz zu leichten Überschüssen.

    10:29 Uhr, 17.11.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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