Kommentar
14:26 Uhr, 14.07.2006

Japan: Ende der Nullzinspolitik

1. Die Bank of Japan hat heute zum ersten Mal seit August 2000 wieder eine Leitzinsanhebung beschlossen und ihren Zins für unbesichertes Tagesgeld auf 0,25 % angehoben. Alle Mitglieder des Zentralbankrates stimmten für diesen Zinsschritt. Damit endet die seit März 2001 ununterbrochen anhaltende Nullzinspolitik. Zudem hat die BoJ mit einem Abstimmungsergebnis von 6:3 Stimmen den Diskontsatz von 0,1 % auf 0,4 % angehoben. Drei Mitglieder stimmten für eine Anhebung auf 0,5 %. Darüber hinaus hat sie das Volumen ihrer direkten Ankäufe von japanischen Staatsanleihen bei 1,2 Bio. Yen pro Monat bestätigt. Im Monatsbericht zum Zinsentscheid hat die BoJ ihre Einschätzung der Konjunktur von „fortgesetzter, stetiger Erholung“ auf „moderate Expansion“ angehoben. Zudem erwartet sie eine leicht steigende Inflation aufgrund der inzwischen positiven Outputlücke. Allerdings bewegt sich die Inflation weiterhin im Rahmen der eigenen Projektionen vom April, d.h. die Kerninflationsrate dürfte im Mittel des Fiskaljahres 2006 (endet im März 2007) bei 0,6 % yoy und für 2007 bei 0,8 % yoy liegen.

2. Der heutige Zinsschritt ist konsistent mit dem wirtschaftlichen Umfeld Japans und dem Inflationsziel der BoJ in Höhe von 0 %-2 %. Die aktuelle konjunkturelle Lage ist nicht vergleichbar mit der vor sechs Jahren, als die damalige Zinsanhebung dazu beigetragen hat, Japan zurück in die Rezession und Deflation zu stürzen. Trotz dieser internen Logik des Zinsschrittes aus Sicht der BoJ halten wir diesen Zinsschritt für verfrüht. Der „Fehler“ liegt unserer Ansicht nach nicht in der Beurteilung des konjunkturellen Umfelds inklusive der positiven Outputlücke, sondern in dem unverständlich niedrigen Inflationsziel. Warum wählt die BoJ eine untere Grenze von Null als akzeptable Inflationsrate, wenn sie noch nicht einmal ein halbes Jahr aus einer 1999 begonnenen Deflationsphase herausgewachsen ist? Selbst der Mittelwert der Spanne bei 1 % ist vor dem Hintergrund der bei der Berechnung des Verbraucherpreisindex immanenten Messfehler eine Inflationsrate, die sehr wenig Puffer gegen einen Rückfall in die Deflation im Falle eines adversen Schocks bietet. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Zentralbanken Inflation immer leichter bekämpfen können als Deflation, nicht zuletzt aufgrund der unteren Schranke von Null für Nominalzinsen.

3. In der Presskonferenz zum Zinsentscheid sagte BoJ-Gouverneur Fukui, dass es keine Zinsanhebungen bei aufeinander folgenden Sitzungsterminen geben werde. Dies ist bislang der deutlichste Hinweis und das Präziseste, was die BoJ hinsichtlich des genaueren Timings weiterer Zinsschritte von sich gegeben hat. Fukui wiederholte die Aussage, dass zukünftige Zinsschritte graduell erfolgen werden unter genauer Beobachtung der Konjunktur- und Inflationsentwicklung. Unklar bleibt weiterhin, was damit genau gemeint ist. Auch die Aussage, dass der Leitzins vorerst niedrig bleiben werde, ist bei einem derzeitigen Niveau von 0,25 % nicht mehr als eine Offensichtlichkeit.

4. Nachdem im unmittelbaren Vorfeld des heutigen Zinsentscheids nicht mehr das ob, sondern nur noch das wann dieses Schrittes in Frage stand, steht nun das Timing der weiteren Zinserhöhungen im Fokus der Märkte. Die Guidance der BoJ ist weiterhin wenig hilfreich. Unserer Einschätzung nach klafften zuletzt Worte und Taten bei der BoJ auseinander: Sie hatte zwar immer wieder bestätigt, dass sie keine Eile mit einer geldpolitischen Straffung hätte, dann aber mehrfach bei der ersten sich bietenden Gelegenheit Veränderungen durchgeführt. Dies war mit der Beendigung der Politik der quantitativen Lockerung im März der Fall, als die Minimalkriterien der BoJ (positive Inflation, kein Anzeichen eines Rückfalls in die Deflation) gerade einmal für zwei Monate erfüllt waren. Im Anschluss daran hat sie trotz der Ankündigung, sich bei der Rückführung der Überschussreserven Zeit zu lassen, diese Reserven derart schnell zurückgefahren, dass es bereits Ende Mai zu Aufwärtsdruck beim Tagesgeldzins gekommen ist. Und letztlich erfolgte auch die Beendigung der Nullzinspolitik zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Vor dem Hintergrund dieser bislang an den Tag gelegten Eile besteht durchaus ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, dass die BoJ auch in Zukunft ihre eigene Aussagen, sich mit weiteren Zinsanhebungen Zeit lassen zu wollen, nicht lange Folge leisten wird.

5. Dennoch glauben wir, dass es in Japan vorerst nicht zu einem Zinserhöhungstempo kommen wird, das mit dem in Euroland oder den USA vergleichbar sein wird. Zwei Gründe sprechen u.E. für diese Einschätzung. Erstens, die Reflationierung der japanischen Wirtschaft bleibt ein zäher Prozess und eine nachhaltige Beschleunigung der Inflationsdynamik ist derzeit nicht erkennbar. Zwar kam es im Mai zu einem Anstieg des Verbraucherpreisindex, allerdings hält sich der konjunkturelle Inflationsdruck in Grenzen, denn ein Großteil des Preisanstiegs war durch höhere Rohstoffpreise bedingt, sodass in Zukunft hier mit einem Rückprall zu rechnen ist. Darüber hinaus birgt die Rebasierung des Verbraucherpreisindex, die im August durchgeführt wird, ein Abwärtsrisiko für die gemessenen Inflationsraten in sich. Dies verändert zwar nicht unbedingt die Inflationsdynamik, allerdings sehr wohl das Ausgangsniveau, was bei einem niedrigen Inflationsziel der BoJ von 0 %-2 % von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Zweitens zeigte die jüngste Diskrepanz von Worten und Taten seitens der BoJ u.E. das unbedingte Verlangen einer Rückkehr zu einer „normalen“ Geldpolitik. Nun ist dieser Prozess abgeschlossen und weitere Eile daher nicht zwingend notwendig.

6. Aufgrund unserer weiterhin moderaten Inflationsprognosen erwarten wir eine gemächliche Gangart der BoJ bei ihren Zinserhöhungen. Wir gehen davon aus, dass sie in diesem Jahr noch einen und 2007 dann zwei weitere Zinsschritte durchführen wird, sodass der Tagesgeldsatz dann bei 1 % steht.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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