Kommentar
08:47 Uhr, 30.03.2016

Japan - 40 Jahre Laufzeit, fast keine Rendite

Die Verärgerung über den Zinsschritt der japanischen Notenbank im Januar in den negativen Bereich war groß. Jenseits der Empörung hat die Notenbank durch diesen Zinsschritt viel erreicht. Ob das gut ist, steht auf einem anderen Blatt

Die Empörung über die negativen Zinsen, die im Januar eingeführt wurden, war groß. Für viele stellt dieser Zinsschritt einen Fehlschlag dar. Auf den ersten Blick wirkt es tatsächlich so, denn der Yen setzte seinen Aufwärtstrend nach dem Entscheid fort. Ein schwacher Yen ist das Kernstück der Geldpolitik. Ohne schwachen Yen können Unternehmen nicht mehr exportieren bzw. durch den Währungseffekt mehr Gewinn schreiben.

Da die japanische Wirtschaft seit Jahren stagniert, können Unternehmen im Inland nicht wachsen. Sie brauchen den Weltmarkt, um überhaupt auch nur ein kleines Stück vom Fleck zu kommen. Ohne Wachstum bei Umsatz und Gewinn stellen Unternehmen kein zusätzliches Personal ein und erhöhen die Löhne nicht. Ohne Vollbeschäftigung und steigende Löhne wird es nie zu einer Rückkehr der Inflation kommen.

Nachdem der Yen in den letzten Wochen aufwertete galt der Zinsschritt als absolutes Debakel. Auf den zweiten Blick hat die Entscheidung durchaus eine große Wirkung entfaltet. Grafik 1 zeigt die Reaktion der Staatsanleihen auf die Zinssenkung. Anleihen mit Laufzeiten bis 10 Jahren fielen schlagartig in negatives Territorium. Zuvor verzeichneten Anleihen mit Laufzeiten bis zu 4 Jahren negative Renditen. Nach dem Zinsschritt fielen auch Laufzeiten von 5 bis 9 Jahren sofort in den negativen Bereich. Anleihen mit 10 Jahren Laufzeit folgten wenige Tage später.

Die Einführung negativer Zinsen hat zu einem wahren Crash der Renditen geführt. Grafik 2 zeigt Anleihen mit Laufzeiten über 10 Jahre in einem längeren Zeitfenster. Der Zusammenbruch der Renditen in diesem Jahr ist absolut einmalig. Selbst in der Zeit der Asienkrise, 9/11, der Rezession 2002 und der Finanzkrise kam es nicht zu einem so ausgeprägten Rückgang.

Im Vergleich ist auch die Einführung des QE-Programms nur eine Randnotiz. Anleihen mit 15 Jahren Laufzeit rentierten am Tag vor dem Zinsentscheid immerhin noch bei 0,55 %. Danach begann die Rendite dramatisch einzubrechen und erreichte Mitte März das bisherige Tief bei 0,085 %.

Für Laufzeiten von 40 Jahren sieht das Bild ähnlich aus. Vor dem Zinsentscheid stand die Rendite noch bei 1,4 %. Sie fiel bis auf 0,52 % zurück. Der Staat kann sich derzeit also praktisch für jegliche Laufzeit Geld umsonst leihen. Der minimale Zins für extrem langlaufende Anleihen wird durch die negativen Renditen bis 10 Jahren Laufzeit mehr als wettgemacht. Es werden sehr viel mehr Anleihen mit Laufzeiten bis 10 Jahre begeben als mit längeren Laufzeiten.

Die japanische Notenbank ging in den letzten Tagen in die Offensive. Nach der Kritik an dem Zinsschritt versucht sie ihn nun zu erklären und die Bevölkerung für negative Zinsen zu gewinnen. Einerseits will die Notenbank dadurch wohl die Verunsicherung der Bürger wieder zerstreuen, andererseits will sie den Boden für weitere Zinssenkungen bereiten.

Weitere Zinssenkungen könnten Anleihen jeglicher Laufzeit ins Minus drücken. Dies dürfte vor allem dann geschehen, wenn das QE-Programm ausgeweitet wird. Dem Protokoll der Januarsitzung zufolge war eine Ausweitung der Anleihenkäufe eine Option. Noch gibt es ausreichend viele Staatsanleihen, die gekauft werden können. Japan ist mit 229 % der Wirtschaftsleistung verschuldet. Dies entspricht einem Schuldenberg von 10,5 Billionen Dollar. Könnten die Zinsen für Staatsanleihen im Durchschnitt auf -1 % sinken, dann würde die Regierung jedes Jahr 105 Mrd. Dollar dafür einnehmen, dass sie sich Geld leiht.

Noch ist es nicht soweit, doch das Gedankenspiel ist interessant. Der Staat könnte in einem solchen Fall die Verschuldungsquote fast stabil halten, da das Budgetdefizit durch die Einnahmen der Verschuldung ausgeglichen werden könnte. Japan kann sich auf diese Art und Weise sanieren. Voraussetzung wäre ein moderates Wirtschaftswachstum, sodass die Schuldenquote nicht nur stabil bleibt, sondern sinkt.

Das klingt aus der Perspektive des Staates wahrscheinlich gar nicht so schlecht. Der Haken: irgendjemand muss bereit sein Geld dafür zu zahlen, dass er Geld verleiht. Die Bereitschaft dazu gibt es, doch praktisch entzieht so etwas dem Markt Vermögen. Ein Pensionsfonds mag so verzweifelt sein, dass er dem Staat Geld für die Ausleihung zahlt. Dadurch verkleinert sich das Vermögen des Fonds jedoch Jahr um Jahr.

Die negativen Renditen sind im Prinzip nichts anderes als eine Vermögenssteuer. Alle, die in früheren Jahren Geld gespart haben, werden dadurch mit der Zeit immer ärmer. Vermögen wird von Privaten zum Staat transferiert. Nun liegt dem Staat und der Notenbank jedoch daran am Herzen, dass die Japaner mehr Geld ausgeben, um die Wirtschaft und Inflation anzukurbeln. Wenn der Staat den Privaten nun aber Jahr um Jahr ein oder zwei Prozent der Wirtschaftsleistung durch eine Vermögenssteuer entzieht, dann wird aus dem Konsumrausch wohl nichts.

Negative Renditen schaffen keinen Geldsegen. Sie transferieren Vermögen zum Staat. Dadurch geht es der Gesamtwirtschaft um keinen Deut besser. Unterm Strich bleibt alles gleich. Negative Renditen sind also bestimmt nicht die Lösung aller Probleme. Sie bringen nur etwas, wenn nicht die Privatwirtschaft die Zeche dafür zahlt, sondern jemand, der nicht direkt Teil der Wirtschaft ist. Andernfalls wird nichts gewonnen.

Gewonnen werden kann, indem die Notenbank für Geldausleihung zahlt. Das wiederum führt jedoch zwangsläufig dazu, dass die Notenbank bankrottgeht. Die japanische Notenbank muss bereits jetzt Anleihen mit negativer Rendite erwerben. Sie nimmt dadurch kein Geld aus Zinszahlungen des Staates mehr ein, sondern verliert es. Noch befinden sich viele Anleihen mit positiver Rendite im Besitz der Notenbank. In wenigen Jahren ist das anders. Dann sind die Reserven sehr schnell aufgezehrt. Immerhin, wenn die Notenbank rein formal bankrott ist, dann dürfte wohl endlich die Inflation zurückkehren, weil jeder sein Bargeld loswerden will, bevor es nicht einmal mehr das Papier wert ist, auf dem es gedruckt wurde.

Einen anderen Weg hat Japan vermutlich nicht. Wenn Investoren bereit sind, für Laufzeiten von 40 Jahren nur noch 0,5 % Zinsen zu erhalten, dann ist der Glaube an eine Rückkehr der Inflation nicht vorhanden. Kein Investor, der bei Verstand ist, würde dem Staat für 4 Jahrzehnte zum Nulltarif Geld leihen, wenn Inflation erwartet wird. Käme es tatsächlich zu einem Anstieg der Inflation, z.B. 2 %, und schießt deswegen die Rendite der Anleihen auf 2 % nach oben, dann muss der Anleihepreis um über 40 % sinken. Das ist ein enormes Kursrisiko und bringt wieder neue Probleme mit sich.

Je tiefer die Renditen für Staatsanleihen fallen, desto höher steigen die Preise der Anleihen. Die Notenbank will durch niedrige Zinsen die Inflation anfachen. Steigt die Inflation, dann müssten jedoch die Renditen steigen und somit die Preise der Anleihen fallen. Das wiederum würde hohe Verluste für Investoren bedeuten, was den Aufschwung wieder komplett infrage stellt. Vielleicht geht es nur mir so, aber mir fehlt die Fantasie dafür zu erkennen, wie Japan aus diesem Schlamassel wieder herauskommt.

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4 Kommentare

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Das ganze Theater erinnert immer stärker an die Geschichte eines gewissen John Law. http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anlagebetruege...

    Wie das alles enden wird, ist ja längst bekannt. Nicht von ungefähr hatte man in den USA vor der Gründung der Fed im Jahr 1913 derart massive Bedenken.

    Zwei ähnliche "Experimente" waren da nämlich bereits gescheitert.

    Wie das dritte ausgeht, das erleben wir gerade...

    10:03 Uhr, 30.03. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • Austrochris
    Austrochris

    Und dann bricht noch die Industrieproduktion im Februar über 6 % ein .

    Das nimmt kein gutes Ende ! Wobei am Ende sind die ja schon !

    09:23 Uhr, 30.03. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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