Kommentar
08:00 Uhr, 29.11.2010

Jahrelange Scheinprosperität, die sich nun bitter rächt

Der amerikanische Nobelpreisträger Paul Krugman bezeichnete den Euro schon vor seiner Geburt als ein Fehlkonstrukt, das an seinen inneren Widersprüchen scheitern müsse. Mit jeder Krise die nun kommt, ob nun Griechenland, Irland oder Portugal davor steht, werden wir alle von Krugmans Prognose heimgesucht. Er hatte Recht!

Im wesentlichen leidet der Euro-Raum unter zwei Folgen der Währungsunion: Einheitliche Zinsen und die Unmöglichkeit für einen Nationalstaat, die eigene Währung abzuwerten.

Die einheitlich niedrigen Zinsen haben in einigen Staaten Europas zu einem Immobilienboom geführt, der nur durch den Euro und sein Zinsgeschenk möglich wurde. Diese erlebten eine jahrelange Scheinprosperität, die sich nun bitter rächt. Die Staaten, die nun in der Krise stecken und Handelsbilanzdefizite anhäufen, würden, hätten sie ihre alte Währung noch, einfach abwerten. Bzw. der Markt würde das für die Staaten übernehmen. Ob Drachme, Escudos oder Pesetas, diese Währungen würden im Verhältnis zu Euro (bzw. DM und anderen Altwährungen) stark verlieren, was zwei Effekte bewirkt: Steigende Exporte und sinkende Importe.

Oder auch: Weniger Handelsbilanzdefizit bzw. sogar -überschüsse. Diesen Korrekturmechanismus gibt es im Euro-Raum nicht. Wir sitzen alle in einem Währungsboot.

Es stellt sich nun für alle Passagiere ernsthaft die Frage, ob nicht einige – oder sogar alle – das Boot verlassen sollten. Machen wir uns nichts vor: Es wird nicht bei Irland bleiben, nicht bei Portugal und auch nicht bei Spanien. Spätestens wenn Italien wackelt, wird die Situation fast unbeherrschbar, und selbst das stabil scheinende Frankreich genießt kein uneingeschränktes Vertrauen am Kapitalmarkt. Letztlich ist es nur die weltweit angesehene Kraft Deutschlands, die noch Rest-Stabilität schenkt.

Aber wie lange noch?

Deutschland hat ohne Zweifel massiv vom Euro profitiert. Aber womit haben wir die Exporterfolge, jedenfalls jene in den Euro-Raum, erkauft? Die Rechnung wird jetzt präsentiert, in Form von nicht enden wollenden Rettungspaketen und Garantien. Wir haben unseren Nachbarn Produkte verkauft, die sie sich gar nicht leisten konnten, und leihen ihnen jetzt Geld, damit es immer so weitergeht. Das kann nicht funktionieren.

Eines ist klar: Die Rückkehr zu den alten Währungen würde massiv Probleme bereiten. Gar keine Frage, aber es wäre ein ehrlicher Weg. Es wäre das Eingeständnis, dass das Euro-Projekt gescheitert ist. Und das ist es! Bei der Gelegenheit wäre es dringend ratsam, die ganze Union zu reformieren. „Scheitert der Euro, dann scheitert die EU“, versucht man uns einzureden. Nein, das europäische Projekt läuft nur schon lange weit aus der Spur. Die EU muss zurück zu ihren Wurzeln als europäische Wirtschaftsgemeinschaft, zu einem Modell das lange Zeit sehr erfolgreich war. Das gesamte Konzept der Transferunion mit ihrem Subventionsirrsinn muss hinterfragt werden. Ich bin überzeugt davon, dass dies zumindest in Deutschland auch der Wille des Volkes ist, das ja angeblich der Souverän ist, der aber nie gefragt wurde (auch ein entscheidender Webfehler des Euro).

Natürlich kann die EZB als Zentralbank, ausgestattet mit der Macht der Gelderzeugung, das ganze Leiden bis zum Tag des jüngsten Gerichts verlängern, indem es wie das US-Pendant Fed am Markt agiert und einfach ohne Limit Staatsanleihen kauft. Wir wissen wo das hinführt – die Tatsache dass die USA so handeln, ist der Grund dafür dass der Euro sich noch so stabil hält.

Wir sind alle Europäer – aber wir sind auch alle Deutsche, Italiener, Portugiesen usw. Wir sind nicht alle gleich. Und wenn die Franzosen schon bei der Rente ab 60 aus Protest auf die Straße gehen und die Griechen am liebsten mit 58 nicht mehr arbeiten wollen, von mir aus. Aber nicht auf unsere Kosten!

Europa als gemeinsamer Wirtschaftsraum ohne Zölle, aber ohne gemeinsame Währung (dafür ein floatendes Wechselkurssystem wie früher), ohne EU-Parlament, mit der Wiedererstarkung der nationalen Regierungen und Parlamente. Das ist meine Vision der europäischen Zukunft. Warum das eine Katastrophe sein soll wie alle behaupten kann ich nicht nachvollziehen. Bis 1999 (Europäische Währungsunion) haben wir ja nicht gerade in Armut gelebt und auch sehr friedlich. Und das wird auch wieder funktionieren. Dann wechsele ich vor dem Spanienurlaub eben wieder in Peseten – immer noch besser als dauerhaft für die Verfehlungen anderer zu bezahlen – in Euro.

Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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