IW: Aufbau Ost ist alles andere als gescheitert
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Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones) - Der Osten Deutschlands ist 34 Jahre nach der Wiedervereinigung als Wirtschaftsstandort etabliert und übertrumpft den Westen in manchen Bereichen. Laut einer Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist in den Landtagswahlen zwar deutlich geworden, dass die Menschen im Osten unzufrieden mit der Lage sind und sich um die Zukunft sorgen. Dabei gebe es auch Grund zum Optimismus.
"Der Aufbau Ost ist alles andere als gescheitert", sagte IW-Ostexperte Klaus-Heiner Röhl. "Ostdeutschland etabliert sich vielmehr als vielversprechender Wirtschaftsstandort. Dennoch bleibt die Demografie eine Herausforderung."
Das Institut griff fünf Bereiche heraus, in denen es im Osten besonders gut läuft. Erstens werde in den neuen Bundesländern bereits heute ein Viertel der deutschen Solarenergie erzeugt. Bei der Windkraft sehe es sogar noch besser aus: Mitte 2024 stand mehr als jedes dritte aller 30.000 deutschen Onshore-Windkraftanlagen im Osten. "Weil die Verfügbarkeit von grüner Energie immer wichtiger wird, ist das ein entscheidender Standortfaktor", so das IW.
Zweitens sei der Osten für ausländische Unternehmen attraktiv. In Thüringen und Sachsen seien die Investitionen in vergangenen zehn Jahren dank Ansiedlungen wie die des taiwanesischen Chiphersteller TSMC um 25 Prozent gestiegen. Große Ansiedelungen zögen die ganze Wirtschaft mit. Im Jahr der Eröffnung der Werkseröffnung von Tesla seien die Unternehmensinvestitionen in Brandenburg um 85 Prozent zum Vorjahr bestiegen und das Bruttoinlandsprodukt des Landes sogar um 2 Prozent.
Höhere Frauenerwerbsquote und mehr Kitaplätze
Drittens führe der Osten bei der Frauenerwerbsquote, die ein entscheidender Faktor im Kampf gegen den Fachkräftemangel sei. In den neuen Bundesländern sind laut IW zwischen 74 und 76 Prozent der Frauen erwerbstätig. Spitzenreiter unter den fünf ostdeutschen Bundesländern ist demnach Sachsen mit 76,3 Prozent. Im westdeutschen Nordrhein-Westfalen sind es 70 Prozent. Bundesweit betrachtet ist nur in Bayern die Frauenerwerbsquote noch höher.
Viertens schneide Ostdeutschland bei den Kitaplätzen besser ab als der Westen. IW zufolge besuchen im Osten 55,2 Prozent der unter Dreijährigen eine institutionelle Betreuung. In Westdeutschland sind es nur 33,9 Prozent.
Und schließlich sei fünftens der Osten auch bei der Bildung spitze. Laut dem INSM-Bildungsmonitor hat der Freistaat Sachsen das derzeit beste Bildungssystem des Landes. Und auch die ostdeutschen Hochschulen sind dem IW zufolge besonders innovativ. Hochschulen in Sachsen und Thüringen meldeten gemessen an ihrer Größe im bundesweiten Vergleich die meisten Patente an. Auf je 1.000 Studenten kamen demnach im Zeitraum von 2017 bis 2021 in Sachsen und Thüringen jeweils mehr als fünf Patentanmeldungen - im Bundesschnitt sind es gerade einmal zwei.
Die alternde Gesellschaft in Ostdeutschland bleibe aber eine Herausforderung. Laut IW braucht es insbesondere in den ländlichen Regionen angemessene Bildungsangebote, Offenheit für Zuwanderung, einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr und schnelles Internet.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
DJG/aat/apo
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