Kommentar
18:58 Uhr, 28.05.2018

Italien: Das Systemrisiko ist wieder im Blickpunkt

Die Finanz- und Schuldenkrise haben viele vergessen. Die Entwicklungen der letzten Tage zeigen aber, dass die Eurozone nach wie vor instabil ist und die Lage jederzeit kippen kann.

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Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn alles wieder normal wäre, also die Staaten der Eurozone einfach so vor sich hin wurschteln könnten, ohne dass es jemand merkt. So ist es aber nicht. Das Systemrisiko ist nach wie vor vorhanden und zeigt sich gerade wieder.

Begonnen hat alles mit Italien. Die Koalition, die hätte regieren sollen, hatte große Pläne. Solche Pläne kosten. Wie viel sie am Ende wirklich gekostet hätten, ist unklar. Schätzungen gehen allerdings von mehr als 7 % der Wirtschaftsleistung aus. Die Staatsverschuldung liegt bereits bei 132 % der Wirtschaftsleistung und das nominale Wachstum bei 2 %.

Die Regierung verantwortet derzeit ein Budgetdefizit von 2,4 % der Wirtschaftsleistung. Die Verschuldung steigt gerade also weiter. Wäre nun ein großes Ausgabenprogramm gekommen, wäre die Verschuldung auch schnell 10 Prozentpunkte höher gewesen. Der Markt hätte das wohl nicht akzeptiert. Darauf gaben die italienischen Staatsanleihen einen deutlichen Hinweis. Die Rendite stieg sprunghaft an.

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Was nach dem Scheitern der Regierungsbildung nun geschieht, bleibt abzuwarten. Eventuell beruhigt sich die Lage wieder. Neuwahlen können aber genauso gut zu einer Verschärfung der Lage führen. Am ersten Handelstag nach den Neuigkeiten sind Anleger jedoch erst einmal verunsichert und suchen eine Richtung.

Im Big Picture ist das Spektakel erst einmal kaum wahrnehmbar (Grafik 1). Gezeigt wird die Zinsdifferenz zu deutschen Anleihen, die in der Eurozone als die sichersten gelten. Die Spreads waren zu den schlimmsten Zeiten deutlich höher. Trotzdem muss man sich Sorgen machen.

Betrachtet man ein kürzeres Zeitfenster (Grafik 2), zeigt sich wie dramatisch der Anstieg innerhalb von nur wenigen Wochen war. Die Zinsen steigen fast senkrecht nach oben. Dass Italien betroffen war, ist klar. Die Pläne der potentiellen Regierung waren nicht nachhaltig. Das Problem an der Sache: nicht nur Italien war betroffen.

Wäre nur Italien betroffen gewesen, könnte man nicht von Ansteckungsgefahr und Systemrisiko sprechen. Der Spread zeigt jedoch, dass nicht nur Italien betroffen war, sondern auch Spanien, Portugal, Griechenland und Zypern. Hat ein Krisenland ein Problem, greift es offenbar immer noch sofort auf andere über.

Die EZB hat einen eigenen Stressindex entwickelt, um die Situation besser einschätzen zu können (Grafik 3). Dieser Index befindet sich nach wie vor nahe seiner Tiefs. Man kann seine Zweifel haben, ob dieser Index die Realität wirklich widerspiegelt.

Der Zinsanstieg spricht eine deutliche Sprache. Die Schuldenkrise ist längst nicht vergessen und die Lage bleibt fragil. Einzelne Regierungen, Parteien und Politiker scheinen das anders zu sehen und glauben, sie könnten nach ein paar Jahren Ruhe wieder Unsinn machen. Das können sie nicht. Die Krise ist schnell zurück.

Die meisten Regierungen ruderten in den letzten Jahren schnell zurück, wenn sie merkten, dass Anleger durchaus darauf achten, was der Staat tut. Man kann nur hoffen, dass sich auch die nächste italienische Regierung daran erinnert. Andernfalls ist die Krise schnell wieder da. Dann können wir wieder von vorne beginnen. Eskaliert die Lage, braucht es wieder mindestens ein Jahr, bis sich alles beruhigt hat. Das ist verlorene Zeit, um Vertrauen zu gewinnen und voranzukommen.

Regierungen haben anscheinend immer noch nicht begriffen, dass ein Zurück zu früheren Zeiten keine Option mehr ist. Es ist keine Option, einfach die Geldschleusen zu öffnen. Das mag vor 20 Jahren möglich gewesen sein, um Probleme zu verdecken. Heute sind die Schulden das Problem und man kann nicht durch noch mehr Schulden von den Schulden ablenken. Es braucht stattdessen sinnvolle Reformen. Dagegen haben Regierungen immer noch große Abneigung. Anstatt Reformen anzugehen, werden lieber Feindbilder gesucht. Traurig.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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