Kommentar
20:34 Uhr, 28.09.2017

Ist die Finanzkrise wirklich vorbei?

Die US-Notenbank beginnt ihre Bilanz zu verkleinern, die japanische Zentralbank interveniert immer weniger und die EZB wird wohl demnächst aus QE aussteigen. Ist das endlich das Ende der Krise?

Eines der besten Krisenbarometer überhaupt, die Devisenanlagen der Schweizer Nationalbank, zeigt Entspannung an. Seit dem Frühsommer sinken die Anlagen. In der Spitze erreichten sie 745 Mrd. Franken. Nun sind es immer noch an die 730 Mrd., doch es scheint, als würde die Notenbank seit drei Monaten gar nicht mehr intervenieren (Grafik 1).

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Nun kann man einwenden: 15 Mrd. CHF mehr oder weniger machen den Kohl nicht fett. Das ist richtig. Man darf aber nicht vergessen, dass die SNB ihre Bilanzpositionen in Franken umrechnet. Der Franken ist gegenüber anderen Währungen, allen voran dem Euro, schwächer geworden. Zu konstanten Wechselkursen hätten sich die Anlagen wohl um 35 Mrd. reduziert.

Eine Bilanzverkleinerung von 35 Mrd. innerhalb von drei Monaten ist vergleichsweise viel. Münzt man das auf eine Wirtschaft wie die USA um, entspricht das einem Betrag von 950 Mrd. Vergleicht man den Betrag nicht mit der Wirtschaftsleistung, sondern mit der Bilanzsumme, wären es immer noch 200 Mrd. Das ist schon ein Wort.

Man durchaus sagen, dass die Flucht in sichere Häfen wie den Franken erst einmal vorbei ist. Das ist ein klares Entspannungssignal. Die Krise ist damit trotzdem noch nicht abgehakt. Die Probleme, die in Europa zur Krise geführt haben, sind größtenteils nicht behoben. Dazu gehören die überbordenden Schuldenberge, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und schwache Bankbilanzen.

Die offenen Gelschleusen der EZB haben das verdeckt und durch einen schwachen Euro konnten sich so manche Wirtschaften wieder etwas aufrappeln. Bis die Arbeitslosigkeit in diesen Ländern wieder ein Normalmaß erreicht hat, vergehen allerdings noch viele Jahre.

Ein Ende der Geldflut muss nicht automatisch eine neue Krise bedeuten. Das zeigen die USA. Es bedeutet vielmehr, dass sich die Wirtschaft lustlos dahinschleppt. Die Lage kann sich weiter verbessern, aber nur sehr langsam. Die wahren Probleme entstehen dann, wenn der nächste Abschwung kommt.

Davor haben auch Notenbanker Angst. In der Eurozone gibt die EZB bereits Vollgas. Käme währenddessen ein Abschwung, stehen plötzlich alle ratlos da. Wegen der hohen Schuldenlast ist es vollkommen illusorisch anzunehmen, dass Länder wie Spanien ihr jährliches Haushaltsdefizit wieder auf 10 % der Wirtschaftsleistung ausdehnen können. Konjunkturprogramme sind schwer umzusetzen.

Auch das muss keine Katastrophe sein. Anleger haben die Zeit von 2008 bis 2012 vor Augen, wenn sie an Rezession und Krise denken. Was wir damals erlebt haben, war ein Jahrhundertereignis. So schnell wird sich das nicht wiederholen. Trotzdem: um Staaten und Bürger wieder auf ein solides finanzielles Fundament stellen zu können, reicht der aktuelle Aufschwung nicht.

Es braucht vor allem Eines: Wachstum. Das ist Mangelware. Das liegt an fehlendem Produktivitätswachstum. Es braucht schon eine neue Erfindung in der Größenordnung der Dampfmaschine, um dieses Problem zu beseitigen. Dieser Innovationsschub wird kommen – irgendwann. Dann kann auch das Wachstum deutlich zulegen und die extremen Schuldenberge können wir hinter uns lassen.

Die akute Krise ist vorerst vorbei. Die Grundprobleme sind jedoch erst beseitigt, wenn wir wieder höhere Wachstumsraten sehen. Bis dahin wird die Wirtschaft im Aufschwung nur wenig wachsen und Rezessionen dauern wohlmöglich länger. Solange es Staaten nicht gelingt aus der Schuldenfalle herauszuwachsen, bleibt die Lage langfristig fragil.

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9 Kommentare

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  • Karsten B.
    Karsten B.

    "Ist das endlich das Ende der Krise?"
    Hm? Nein?! Sie hat ja nichtmal richtig angefangen...das erste Zucken haben wir bhereits gesehen vor wenigen Jahren aber der Knall steht ja noch immer aus seit unsere "Experten" am Damm stehen...

    08:53 Uhr, 29.09.2017
    1 Antwort anzeigen
  • SilverSurfer
    SilverSurfer

    Geld ist die Wurzel allen Übels :-)

    Wie das Wort Finanzkrise schon sagt ist es die Krise unseres auf Wachstum ausgelegten Finanzsystems. Unendliches Wachstum in einer endlichen Welt kann auf dauer nicht funktionieren. Das System wurde nicht reformiert und daher kann die Krise auch noch nicht vorbei sein. Wir haben uns nur Zeit erkauft, das dicke Ende muss erst noch kommen auf die eine oder andere Weise.

    08:24 Uhr, 29.09.2017
  • 1 Antwort anzeigen
  • LK12
    LK12

    Absolut richtige Erkenntnis, meiner Meinung nach jedoch mit weitaus längfristigeren wirtschaftlichen und somit auch sozialen und gesellschaftlichen (man muss sich stets bewusst sein dass das "soziale" den wirtschaftlichen Baustein als Grundlage hat, schliesslich besitzt fast ein jeder etwas, vom kleinen ersparten bis zum Wohnhaus usw.). Und wenn diese Basis zerbricht, dann kann nur ein jeder nach sich selber schauen. Stichwort: Bargeldverbot, Goldverbot. Kommt nicht von ungefähr vor diesem Hintergrund seitens der stattlichen Notenbanken.

    Es geht um das grosse Dilemma auf das selbst die größten Nobelpreisträger und Mathematiker der Welt keine Lösung bislang haben - und somit auch nicht die Notenbanken - (obwohl mathematisch würde es funktionieren: -1 + 1 =0. aber, -> s.o. Wer ist schon bereit für die Schulden des anderen zu zahlen ?). Die Schulden werden somit nicht abgetragen sondern steigen weiter an und somit ist es nur eine Frage des "Wann" das Ganze kollabiert. Vor diesem Hintergrund ist für mich die Krise noch gar nicht vorbei sondern diese hat noch gar nicht erst angefangen, denn sie stellt grundsätzlich die BWL als ganzes in Frage, und darauf beruht nun mal das ganze weltweite System. Vielleicht ist Wachstum doch nicht unendlich, und diese Erkenntnis muss sich erst noch sich durchsetzen. Zumindest widerspricht dies den Naturgesetzen.

    Einfach formuliert: wie lange bin ich bereit meinem Schuldner noch mehr Geld zu leihen und das immer weiter zu strecken ? Die Frage kann sich jeder selbst beantworten.

    Für mich die Antwort: wenn die Anleihen- und Aktienmärkte anfangen nachhaltig zu drehen. Dann rette sich wer kann. Und wehe den Schuldnern. Dürfte eine grosse Deflationsspirale verursachen.

    Aber selbst dies muss nicht negativ sein, denn eigentlich wünschen sich die Menschen - meiner Meinung nach - wieder was neues, nachhaltiges, was wieder nachvollziehbar ist. Und das wird die Lösung sein. So wie sie kommt.

    Auch die politischen Wahlen weltweit passen zum Gesamtbild, denn sie zeigen ein zerrüttetes Weltbild. Muss ja nicht falsch sein. In der Natur gibt es nicht das grosse Ganze wie den Welthandel, sondern Vielfalt.

    02:02 Uhr, 29.09.2017
  • einfach
    einfach

    über die hälfte des bip´s in europa hat eine verschuldung von nahe oder über 100%.

    ohne eine breite nutzung der aktuellen null zins zeit in verbesserte infrastruktur und bildung wird es kein wachstum geben, dass über der jährlichen neuverschuldung liegt und damit auch kein rückgang der verschuldung.

    solange daß nicht geschieht, ist jeder gedanke an eine änderung der zinspolitik illusorisch.

    20:50 Uhr, 28.09.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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