Kommentar
11:10 Uhr, 18.12.2018

Ist die EZB jetzt viel zu optimistisch geworden?

Für die EZB ist die Welt vollkommen in Ordnung. Die Wirtschaft wird schön wachsen, die Inflation bleibt nahe 2%. Anscheinend ist alles in Butter.

Vergleicht man das mit der Realität, fragt man sich schon, in welcher Welt die EZB eigentlich lebt. Sie geht davon aus, dass alles in ruhigem Fahrwasser bleibt. Das ist auch ein Grund, weshalb QE beendet wurde. Es ist angeblich nicht mehr notwendig. Die Eurozone befindet sich auf gutem Wege.

In der Realität haben wir da z.B. Italien und Frankreich. Italien kommt nicht vom Fleck und will ein Konjunkturprogramm auflegen (und Wahlgeschenke verteilen). In Frankreich wird demonstriert und der Präsident muss die Kasse öffnen. Das alles geschieht normalerweise nicht, wenn alles in bester Ordnung ist und Nektar von den Wänden fließt.

Zu allem Überfluss kann man nicht gerade behaupten, dass alle Länder gleichermaßen Wachstum vorweisen können. Das dritte Quartal zeigte deutliche Schwächen. Deutschland wies negatives Wachstum aus. Das galt auch für Italien und Lettland (Grafik 1). Wie kann es da sein, dass die EZB so ruhig bleibt?

Einerseits muss sie ruhig bleiben. Wenn sie jetzt Panik verbreitet und der Welt erzählt, dass QE weiterlaufen muss, flüchten alle. Es ist Zweckoptimismus. Es gibt aber noch einen anderen Grund. Die Wachstumsschwäche in einigen Ländern wie Deutschland hat einen klaren Grund: den Außenhandel. Noch konkreter: den Handel mit außereuropäischen Partnern.

Deutschland und auch Lettland sind nicht nur generell exportstark, sondern im außereuropäischen Ausland sehr aktiv. Länder, die vor allem in die EU exportieren, z.B. Slowenien, zeigen aus dem Handel sogar einen positiven Beitrag.

Zu Italien kann man wenig sagen. Die wirtschaftliche Aktivität ist im Vergleich kaum wahrnehmbar. Das Land steht praktisch still. Doch auch das ist weniger dramatisch als man auf den ersten Blick vermuten mag. Das Lohnwachstum bleibt überall robust, auch in Italien.

Die Eurozone zeigt so starkes Lohnwachstum wie zuletzt vor der Krise (Grafik 2). Das ist ein positives Signal und ist genau das, was die EZB am Inflationsausblick festhalten lässt. Lohndruck fällt nicht einfach vom Himmel. In Deutschland ist das Wachstum mit über 3 % sehr hoch. In Frankreich sind es immerhin noch 2,2 % und Italien 2,1 %.

Die Schwäche lässt sich mit Problem im außereuropäischen Raum begründen. An anderer Stelle habe ich erklärt, dass China der Hauptgrund ist. Das ändert nichts daran, dass es auch in Europa eine Abkühlung gibt. Der Grund ist aber nicht eine Binnenmarktschwäche, sondern die Schwäche Chinas. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Wir stehen nicht vor einer dramatischen Rezession.

Die EZB hat bisweilen spannende Ansichten. Sie hat allerdings nicht Unrecht, wenn sie keine Panik verbreitet und ihren Ausblick nur leicht nach unten anpasst. Sie mag dabei etwas zweckoptimistisch vorgehen, doch Angst, dass sie komplett daneben liegt, muss man nicht haben. Vieles deutet auf eine Wachstumsdelle hin, die vor allem Exportnationen trifft und nicht alle gleichermaßen.

Clemens Schmale

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  • wolp
    wolp

    Gut geschrieben, sehr lesenswert. Besten Dank.

    12:52 Uhr, 18.12.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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