„Ist der Ruf erst mal ruiniert …
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… lebt es sich ganz ungeniert", eine Redensart, mit der sich die aktuelle Lage auf dem Zertifikatemarkt nach dem Lehman-Desaster vor knapp zwei Jahren sehr gut umschreiben lässt. Auf der einen Seite die fehlgeleitete Öffentlichkeit, die noch immer von einschlägigen populistischen TV-Sendern reichlich mit Ressentiments gefüttert und durch die von Verbraucherschutzorganisationen geforderten Vertriebsverbote für Zertifikate zusätzlich verunsichert wird. Andererseits aber auch die Branche selbst, die über zahllose „Transparenzoffensiven" ihr Heil in der Flucht sucht und alles dafür tut, zumindest den interessierten Anleger für sich zu gewinnen bzw. bei der Stange zu halten. Der verdiente Lohn: Es geht wieder aufwärts im Zertifikateland, auch wenn die sich wieder langsam zu normalisieren scheinenden Verhältnisse an den Finanzmärkten dabei eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielen – zwischenzeitliche Aussetzer wie die Schuldenhysterie um Griechenland und Konsorten durchaus inbegriffen.
Der Trend ist positiv – mehr Produkte, weniger Risiko und Komplexität
Dies zeigen auch die regelmäßig vom Deutschen Derivate Verband (DDV) veröffentlichten Statistiken. Danach stabilisierte sich das von der European Derivatives Group (EDG) im Auftrag des DDV monatlich bei vierzehn Banken erhobene ausstehende Marktvolumen bereits gegen Ende des vergangenen Jahres auf hohem Niveau, wobei im September hochgerechnet auf den Gesamtmarkt erstmals seit der Finanzkrise die 100-Milliarden-Euro-Marke wieder zurückerobert werden konnte. Eine ähnliche Entwicklung lassen auch die monatlichen Zahlen zu den Börsenumsätzen in Stuttgart und Frankfurt erkennen, die gerade zu Jahresbeginn gleich um 20 Prozent nach oben schnellten. Das positive Umfeld für Anlage- und Hebel-Produkte dokumentiert aber auch die immer stärker wachsende Zahl an gelisteten Papieren. Dabei konnte bereits Ende Februar mit 426.618 ausstehenden Produkten ein neuer zwischenzeitlicher Höchststand markiert werden, der Ende Mai mit 452.564 Papieren sogar noch deutlich übertroffen werden konnte. Gute Stimmung scheint auch unter den 19 Emittenten zu herrschen, die von der Feri EuroRating Services AG im April turnusgemäß nach ihren Einschätzungen befragt wurden. Danach erwartet die große Mehrheit bis zur nächsten Untersuchung in sechs Monaten steigende Absätze besonders bei Garantie-Zertifikaten und Aktienanleihen. Bevorzugte Basiswerte dürften deutsche Aktien, entsprechende Indizes, sowie Gold und Öl sein. Nicht mehr so ganz ins Bild scheinen laut der Umfrage komplizierte Produkte zu passen, da sich die eine Hälfte der Anbieter für eine abnehmende, die andere zumindest für eine gleichbleibende Komplexität ausspricht. Bleibt nur abzuwarten, ob sich auch alle Banken an diese Marschroute halten, da man sich in einer Befragung vielleicht auch nicht so recht traut, für etwas Gegenteiliges zu stimmen. Ein weiterer Trend geht weg von Hebel-Papieren und hin zu Anlage-Produkten. So votierten nur noch zwölf Prozent für eine größere Nachfrage nach riskanten Derivaten, nachdem sich noch vor einem halben Jahr immerhin 31 Prozent dafür ausgesprochen hatten. Dies dürfte ebenfalls ein klares Indiz für eine zunehmende Normalisierung an den Märkten sein.
Noch reichlich Luft nach oben
Wie weit der Weg zurück zu altem Ruhm allerdings noch immer ist, dokumentiert exemplarisch die diesjährige Jahresstatistik der Deutschen Bank zum Thema „Retail-Derivate", die basierend auf dem Börsenabwicklungssystems BÖGA alle abgewickelten Wertpapierumsätze in Deutschland misst. Danach ging 2009 der Umsatz (Käufe + Verkäufe) infolge der anhaltenden Wirtschaftskrise insgesamt um 34,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück, wobei Anlage-Produkte mit einem Minus von 39,4 Prozent stärker betroffen waren als Hebel-Papiere mit einem Abschlag von „nur" 29,9 Prozent. Allerdings kam es dabei gegenüber 2008 auch wieder verstärkt zu Kauforders.
Aufklärung tut weiter Not
Auch von wissenschaftlicher Seite her in Person von Dr. Sigrid Müller von der HU Berlin erhielt die in der Volksmeinung noch immer unter dem wenig schmeichelhaftem Label „Teufelszeug" subsummierte Produktklasse vor einiger Zeit Unterstützung. Konnte doch in der vom DDV in Auftrag gegebenen Studie an Bonus-, Discount- und Garantie-Zertifikaten mit einem Marktanteil von rund 80 Prozent nachgewiesen werden, dass das Absicherungsverhalten der Emittenten zu positiven Effekten bei Aktienkursen und Liquidität führt. Schade nur, dass über solch elementare Zusammenhänge in diversen Diskussionsrunden selten gesprochen wird.
Alternativen am Anlagemarkt Mangelware
Vergangenheitswerte hin oder her, so ganz still und heimlich scheint sich also auch die Lage bei den „Strukturierten" wieder zu entspannen. Dieser positive Trend dürfte bei den zu über 50 Prozent (Anlage-Produkte) bzw. mehr als 75 Prozent (Hebel-Papiere) vor allem aktienmarktgetriebenen Produkten zumindest auch noch solange anhalten, wie größere Störfeuer von der Zinsfront ausbleiben und das dort vorherrschende historisch niedrige Niveau Bestand hat. Schließlich befindet man sich in Europa oder den USA längst noch nicht in einer Boom-Situation wie z.B. im rohstoffreichen Australien, in dem der Leitzins wieder in schöner Regelmäßigkeit angehoben werden kann. Dagegen besteht die Herausforderung hierzulande noch immer darin, das richtige Timing für die notwendige „Exit"-Strategie zu finden, die das irgendwann sicherlich wieder hervor huschende Inflationsgespenst vertreibt ohne gleich den noch immer zartbesaiteten Aufschwung zu gefährden.
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