Kommentar
09:50 Uhr, 03.08.2017

Ist der Euro überbewertet?

die Börse ist besorgt über den starken Euro auf den Devisenmärkten. Ist das gerechtfertigt?

  • Die Sorgen nehmen zu, dass die Euro-Aufwertung der letzten Monate die Wirtschaft überfordern und den Börsen schaden könnte.
  • Sowohl die Kaufkraftvergleiche als auch historische Parallelen belegen, dass die Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar nach wie vor unterbewertet ist.
  • Die Schweiz hat gezeigt, wie ein starker Wechselkurs als "Produktivitätspeitsche" für die Unternehmen wirken kann.

In den letzten Wochen hat sich der Euro auf den Devisen­märkten kräftig aufgewertet. Jetzt liegt er bei 1,18 Euro je US-Dollar, vor sechs Wochen waren es noch 1,11, am Be­ginn des Jahres sogar nur 1,04. Das entspricht einer Auf­wertung von über 13 % in gerade einmal sieben Monaten. So etwas fällt schon ins Gewicht.

Es ist verständlich, dass da Sorgen über die Auswirkungen des schwachen Dollars aufkommen. Der Börse hat es in den letzten Tagen die Stimmung vermiest. Realwirtschaft­lich ist bisher aber von schädlichen Effekten noch nichts zu erkennen. Die Konjunktur in Europa und in Deutschland läuft nach wie vor hervorragend. Erst in der letzten Woche hat der Internationale Währungsfonds seine Wachstums­prognosen noch einmal nach oben revidiert. Aber das kann sich schnell ändern. Müssen wir hier bei einer stärkeren Aufwertung etwas befürchten?

Grundsätzlich ja. Es gibt eine grobe Daumenregel, nach
der eine Aufwertung des US-Dollars um 10 % das Wachs­tum in Deutschland um einen Prozentpunkt verringert. Das ist nicht wenig. Freilich kommt es dazu nicht sofort, sondern erst nach mehreren Jahren. Zudem muss der US-Dollar über diese Zeit so schwach bleiben.

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Aktuell bin ich noch nicht besorgt. Das derzeitige Niveau des Euros/US-Dollars ist, wie immer man es auch betrach­tet, noch sehr niedrig. Nehmen wir die Kaufkraftparität: Nach den Berechnungen der OECD müsste ein angemes­sener Euro/US-Dollarkurs gemessen an den Verbraucher­preisdifferenzen bei 1,33 liegen. Die britische Zeitschrift "Economist" macht ähnliche Berechnungen anhand der Preise für Big Macs in verschiedenen Ländern. Danach müsste der Gleichgewichtskurs des Euros 1,35 sein. Der Euro wäre damit um 15 % unterbewertet.

Historisch gesehen liegt der Euro/US-Dollarkurs heute fast genau auf dem Niveau von Anfang 1999, der Zeit also, als die Europäische Währungsunion gegründet wurde. Dazwi­schen ist der Kurs zeitweise auf 0,8 gefallen und dann wie­der auf 1,6 gestiegen. Jetzt hat er wieder die Mitte erreicht (siehe Grafik). Auch da ist keine Übertreibung erkennbar.


»Ein bisschen mehr Druck vom Wechselkurs auf die Produktivität würde der Wirtschaft insgesamt in Deutschland und Europa nicht schaden.«


Wenn man noch weiter zurückgeht, so kann man die gegen­wärtigen Kurse mit den Tiefkursen Mitte der 80er verglei­chen. Das war eine Zeit, in denen die Währungspolitiker nur eines im Sinn hatten, nämlich den Dollar wieder zu schwä­chen und die D-Mark zu stärken. Es gab das berühm­te Pla­za-Abkommen, mit dem man das bewerkstelligte. Wenn US-Präsident Trump nicht so viele Vorbehalte gegen inter­nationale Kooperation hätte, würde er sicher auch an so et­was denken. Eine kräftige Abwertung der amerikani­schen Währung würde zwar vom politischen Selbstver­ständnis nicht zu "America First" passen, wäre im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen hilfreich.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt man, wenn man sich die Zahlen der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der deut­schen Wirtschaft gegenüber ihren Handelspartnern an­schaut. Sie werden von der Bundesbank berechnet. Danach befindet sich die deutsche Wirtschaft heute auf dem Niveau von 1985. Über 30 Jahre hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft also real nicht verändert. Alle Auf­wertungen, die es seitdem gegeben hat, waren nicht größer als die jeweiligen Differenzen in den Inflationsraten.

Mit anderen Worten: Der Euro-Wechselkurs hat noch eine weite Strecke vor sich, bevor es realwirtschaftlich wirklich zu größeren Problemen kommt. Aus meiner Sicht wird es erst ab Kursen von 1,30 kritischer (also bei einer weiteren Auf­wertung um über 10 %). Das schließt freilich nicht aus, dass die Klagen der Exportwirtschaft und der Börse zunehmen werden. Sie sind aber jetzt noch nicht berechtigt. Wenn je­mand sich über den zu hohen Wechselkurs beschweren könnte, dann sind es Länder wie Italien oder auch Frank­reich, aber nicht so sehr wegen des US-Dollars, sondern wegen ihrer hausgemachten Probleme.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Wechselkurs in der aktuellen Lage für die Entwicklung der Wirtschaft auch keine entscheidende Rolle spielt. Der Export ist derzeit kein Treiber von Konjunktur und Beschäftigung. Der Aufschwung lebt vielmehr von der Binnennachfrage, vor allem dem Kon­sum, die weniger wechselkursabhängig ist.

Noch ein ganz anderer Gedanke. Früher hat man die Auf­wertung oft als "Produktivitätspeitsche" bezeichnet, die die Unternehmen immer wieder zu Höchstleistungen zwingt. Die DM-Aufwertung war ein Grund, weshalb die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten so erfolgreich waren.
Der langsamere Produktivitätsfortschritt in den letzten Jah­ren mag auch mit dem geringeren Druck von den Wechsel­kursen zusammenhängen. Ganz anders in der Schweiz. Die dortige Wirtschaft hatte in den letzten Jahren erheblich un­ter der Aufwertung des Frankens zu leiden. Jetzt scheint sie diese Anpassung bewältigt zu haben. Sie steht mit neuem Selbstbewusstsein da. Ein bisschen mehr Druck vom Wech­selkurs auf die Produktivität würde der Wirtschaft insgesamt in Deutschland und Europa nicht schaden.


Für den Anleger

Die Börse lebt derzeit von der guten Konjunktur und den gu­ten Gewinnen. Da stört der starke Euro natürlich. Das ist psychologisch verständlich. Es ist aber nicht – besser noch nicht – durch harte Fakten belegt. Man muss daneben be­achten, dass der steigende Wechselkurs, jedenfalls beim gegenwärtigen Niveau, auch etwas Positives ist. Er signa­lisiert das erhöhte Interesse globaler Investoren an Europa. Das wird auf Dauer zu steigenden Aktienkursen führen, al­lerdings auch zu noch einmal höheren Euro/US-Dollarkur­sen. Irgendwann ist da freilich einmal Schluss.


Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen:martin.huefner@assenagon.com.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.


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