Ist das die „Lösung“ der Schuldenkrise?
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Vor einem Jahr habe ich in meinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ einen Weg skizziert, um die hohen Staatsschulden zu handhaben. Dabei geht es im Kern darum, dass die Notenbanken einen großen Teil der Staatsanleihen in ihrem jeweiligen Währungsraum aufkaufen und die Regierungen entschulden, indem sie auf die Rückzahlung verzichten.
Für diesen Vorschlag habe ich damals einige Schelte einstecken müssen. Er sei bilanziell nicht praktikabel, sagten mir Leute, die sich gut mit dem Thema auskennen. Die Notenbanken seien danach überschuldet und müssten ihrerseits von den Regierungen aufgefangen werden. Zudem fördere der Vorschlag den sogenannten Moral Hazard, das bedeutet, dass die Regierungen für ihr schlechtes Wirtschaften sogar noch belohnt werden würden.
Nun ist zum ersten Mal ein Bericht aufgetaucht, demzufolge bei einer der wichtigsten Notenbanken der Welt über genau diese Vorgehensweise nachgedacht wird. Wie die FAZ schreibt, hat der Chef der britischen Finanzaufsicht und potenzielle Kandidat für den Chefsessel der Notenbank, Adair Turner, folgendes vorgeschlagen: Die Bank of England solle doch einen Teil der von ihr gehaltenen Gilts (britische Staatsanleihen) annullieren, das bedeutet auf die Rückzahlung verzichten. Dies würde die Schuldenquote drosseln und gleichzeitig das Wachstum fördern.
Damit ist der Geist aus der Flasche. Auch wenn eine solche Vorgehensweise vermutlich nicht kurzfristig umgesetzt wird, bin ich doch überzeugt davon, dass bei einer Verschärfung der Krise – und die wird zweifellos kommen – in eine solche Richtung gedacht werden wird. Letztlich ist die Sache ziemlich simpel: Die alternden Industriestaaten werden aus der Schuldenspirale nicht mehr herauskommen. Das reale Wachstum der Wirtschaft ist aufgrund der demografischen Situation äußerst begrenzt. Die Umverteilung des Geldes von den Bürgern zum Staat durch höhere Steuern sowie durch finanzielle Repression wird zwar versucht, dürfte letztlich aber nicht ausreichen, um die Situation zu stabilisieren.
Es bleibt letztlich nur die Finanzierung durch die Notenbanken. Ein Weg, den sowohl Japan als auch die USA und Großbritannien sowie die Eurozone bereits mit unterschiedlicher Intensität gehen. Der Forderungsverzicht durch die Notenbanken wäre aus meiner Sicht die logische Konsequenz. Letztlich ist es doch so: Das Finanzsystem des Papiergelds ist in der Schuldenspirale gefangen und steuert auf einen Neustart zu. Dieser kann mit großem Knall in Form von Staatspleiten und Währungsreformen vor sich gehen – oder vergleichsweise geräuschlos auf Ebene der Bilanz von Notenbanken. Dass diese danach überschuldet wären – geschenkt.
Pleite gehen kann eine Notenbank nicht, denn sie sitzt an der Quelle des Geldes. Ob man dann das negative Eigenkapital jahrelang mit sich herumschleppt oder die Bilanz neu aufsetzt, ist eine akademische Frage und kann von Bilanzspezialisten entschieden werden.
Die Briten sind die Vorreiter, wenn es um kreative Staatsfinanzierung geht. Die Bank of England hat britische Staatsanleihen im Wert von 360 Milliarden Pfund in der Bilanz stehen. Das sind etwa 30 Prozent der britischen Staatsschulden. In den USA ist das Bild ähnlich: 12 Prozent der US-Anleihen liegen direkt bei der FED, 35 Prozent bei anderen US-Regierungsinstitutionen. In Japan, wo die Aufkäufe von Staatsschulden schon seit den 90er Jahren laufen, liegen auch ca. 40 Prozent der Anleihen bei staatlichen Stellen, davon rund die Hälfte direkt bei der Notenbank.
Wenn die Bank of England nun tatsächlich auf die Rückzahlung sämtlicher von ihr gehaltenen Staatsanleihen verzichten würde, dann würde dies UK auf eine Verschuldung von weniger als 60 Prozent des BIP rücken – und damit auf ein Niveau, das allgemein als „gesund“ gilt und eine Finanzierung durch private Anleger erleichtern dürfte. Es würde mich nicht verwundern, wenn die Briten diesen Weg demnächst gehen würden.
Über den Autor:
Roland Klausarbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist aktiver Investor. Für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC berichtete er von der Frankfurter Börse. In seinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ analysiert er die Schuldenkrise und liefert konkrete Ratschläge, wie man sich vor den entstehenden Risiken schützen kann. Sie erreichen Ihn unter www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.