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18:00 Uhr, 24.10.2011

Irlands Gesundung zum Vorbild nehmen

Frankfurt (BoerseGo.de) – Anleger haben derzeit kein Auge für die Reformentwicklungen Irlands. Michael Hasenstab Senior Vice President und Co-Director des International Bond Department der Franklin Templeton Fixed Income Group, führt in einem aktuellen Marktbericht aus, dass Irland anderen europäischen Schuldenstaaten eine Blaupause für die Lösung ihrer eigenen Krisen sein kann.

Irland wurde durch sein ungezügeltes Bankensystem, das einen Kreditboom des Privatsektors und eine Immobilienblase anfachte, heruntergewirtschaftet. Aber diese finanzielle Blase verdeckt nach Meinung Hasenstabs den Blick auf die starken wirtschaftlichen Fundamentaldaten und zwei wichtige Wettbewerbsvorteile des Landes: eine gut ausgebildete Erwerbsbevölkerung und ein wirtschaftsfreundliches aufsichts- und steuerrechtliches Umfeld. Außerdem wurde eine umsichtige Fiskalpolitik befolgt, als die Krise einsetzte. 2007 lag die Staatsverschuldung Irlands bei nur 25 Prozent des BIP und das Land konnte einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen, auch wenn dies teilweise dem hohen Steueraufkommen eines kreditbefeuerten Konjunkturbooms zu verdanken war. Die Finanzkrise und der folgende weltweite Abschwung versetzten dem Land einen schweren Schlag. Nun aber sind die ersten Ergebnisse viel versprechend. Das Land hat bei der Wiedererlangung seiner Wettbewerbsfähigkeit bereits große Fortschritte erzielt.

Da Irland nicht auf eine Wechselkursanpassung zurückgreifen kann, hat es die Lohnstückkosten im Fertigungsgewerbe seit 2008 um mehr als 20 Prozent gesenkt. Dies verleiht der Wettbewerbsfähigkeit einen Schub, wie er auch bei einer Währungsabwertung um 20 Prozent entstanden wäre. Seit Januar 2008 hat sich Irlands Handelsüberschuss verdoppelt und liegt nun bei über 20 Prozent des BIP, so Hasenstab.

Diese robuste Exportleistung konnte die kontinuierlichen Anpassungen in der Binnenwirtschaft mehr als wettmachen. Irland war im 2. Quartal 2011 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2,3 Prozent die am zweitschnellsten wachsende Volkswirtschaft in Europa. Dank der Erholung des BIP-Wachstums konnte Irland die Ziele zum Defizitabbau, die von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds gesteckt worden waren, nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen. Letztes Jahr konnte Irland auch wieder einen Leistungsbilanzüberschuss ausweisen, auch wenn es dieses Jahr wieder ins Minus rutschte. Der IWF prognostiziert nun wieder einen Überschuss von 2,3 Prozent des BIP bis Ende nächsten Jahres. Dies steht in krassem Gegensatz zu Griechenland und Portugal.

Unterdessen hat die Regierung dem Druck der EU-Partner widerstanden, den Unternehmenssteuersatz von 12,5 Prozent anzuheben. Auch die Regulierung ist in Dublin zurückhaltend. Dieses Geschäftsklima sowie die produktive und gut ausgebildete Erwerbsbevölkerung ziehen ausländische Direktinvestitionen wie ein Magnet an, schreibt Hasenstab. Die Investitionen stiegen im ersten Halbjahr um 19 Prozent, angeführt von Technologie- und Dienstleistungsunternehmen.

Irlands Politik hat auch die Banken vom Rande des Abgrunds zurückgezogen. Das Land hat sein Bankensystem, das nach wie vor aggressiv seine Schulden abbaut, rekapitalisiert. Die Stresstests der irischen Banken gehören zu den anspruchsvollsten und glaubwürdigsten in Europa. Nur bei den irischen Stresstests wurden anstelle von staatlichen Aufsichtsbehörden unabhängige externe Experten hinzugezogen.

Irland zeichnet sich neben den starken wirtschaftlichen Fundamentaldaten auch durch einen übergreifenden sozialen und politischen Konsens aus, meint Hasenstab. Während die Politiker der Eurozone schwierige Maßnahmen ergreifen, um das Überleben des Euro zu sichern, werden die Märkte volatil bleiben und versucht sein, alle angeschlagenen europäischen Länder über einen Kamm zu scheren. Aber damit würde man nur einen Fehler der Vergangenheit wiederholen. Hasenstab denkt zwar, dass Irlands weiterer Weg lang und schwierig sein wird. Aber es sei ein Wegweiser für andere Länder, die unter einer großen Schuldenlast ächzen.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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