Investoren schätzen den europäischen Wiederaufbaufonds
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Außergewöhnliche Schocks erfordern außergewöhnliche Antworten. Der EU-Wiederaufbaufonds, offiziell Next Generation EU, scheint eine solche Antwort zu sein. Endlich haben sich die EU-Staats-und Regierungschefs geeinigt, auf bis zu 390 Milliarden Euro Finanzhilfen und 360 Milliarden Euro Kredite für die Mitgliedsländer. Wir halten den Fonds für einen Meilenstein, vor allem wegen seiner politischen Symbolkraft: Er ist ein weiterer Schritt in Richtung europäische Fiskalunion.
Europa, so heißt es, ist ein Projekt der kleinen Schritte, beschleunigt durch Krisen. Wir halten den jüngsten Plan für sinnvoll, zumal er zahlreiche Auswirkungen auf die Märkte hat. Drei sind besonders wichtig:
- Wenn die EU Anleihen begibt, um Finanzhilfen für die Mitgliedsländer zu finanzieren, beeinträchtigt das deren fundamentale Kreditkennzahlen nicht. Die hoch verschuldeten Staaten stehen sogar besser da. Ihnen fällt es jetzt leichter, ihre langfristigen Probleme zu lösen, ohne dass dies die Nachhaltigkeit ihrer Staatsfinanzen gefährdet.
- Dank des hohen Volumens an EU-Anleihen stehen Investoren mehr liquide AAA-Titel zur Verfügung. Auch die Europäische Zentralbank kann sie im Rahmen ihres Quantitative Easing kaufen.
- Möglich wurde der Wiederaufbaufonds durch einen engeren Zusammenhalt der EU, den er zugleich fördert. Gemeinsame Anleihen könnten von Dauer sein, anders als jetzt geplant. Das wiedergewonnene Vertrauen in das Europäische Projekt – vor allem durch die Erneuerung der deutsch-französischen Zusammenarbeit – dürfte risikoreichere europäische Wertpapiere und den Euro stützen. Betrachten wir daher die Auswirkungen genauer.
Individuelle Auszahlungen und gemeinsame Rückzahlungen, damit sich Europa gleichmäßiger erholt
Der Wiederaufbaufonds stellt Finanzhilfen für die bedürftigsten Länder bereit. Wenn dies den schon vor der Krise hoch verschuldeten Staaten hilft, ist das gut. Früher wurden Hilfen vor allem als rückzahlbare Kredite gewährt, sodass die Schuldenstandsquote stieg. Bei Finanzhilfen gibt es eine solche Rückzahlungspflicht definitionsgemäß nicht. Daher verbessern sich die Kreditkennzahlen, die sonst vielleicht noch stärker nachgegeben hätten.
Gemeinsame EU-Anleihen zur Finanzierung von Finanzhilfen müssen nicht von den Einzelstaaten zurückgezahlt werden, sondern aus neuen gemeinsamen EU-Mitteln. Sie sind ein weiterer Schritt zur Fiskalunion: Die Einnahmen werden nach bestimmten Kriterien verteilt, aber zurückgezahlt werden die Anleihen von allen zusammen, aus gemeinsamen Ressourcen. Das ist aber keine Vergemeinschaftung von Altschulden; die nationalen Anleihemärkte existieren weiter. Die Verteilung der Erlöse, mit einem höheren Anteil der südlichen und östlichen EU-Länder, könnte aber helfen, die Unterschiede zwischen den einzelnen Volkswirtschaften zu verringern. 2021 bis 2023 könnten sich die Output-Lücken schließen und dabei konvergieren.
Investoren mit Bedarf an AAA-Titeln
Die Idee gemeinsamer EU-Anleihen ist nicht völlig neu. Zurzeit beträgt ihr Volumen aber gerade einmal 52 Milliarden Euro, also nicht sehr viel. Wenn in den nächsten Jahren neben dem 100 Milliarden Euro umfassenden SURE-Programm (ab Ende 2020) für 750 Milliarden Euro EU-Anleihen begeben werden, wird die Union zum größten internationalen Emittenten Europas. Außerdem erhalten Investoren neue, liquide AAA-Titel in einer Zeit, in der Qualitätsanleihen Mangelware sind.
Hinzu kommt, dass sich die Mitgliedsländer de facto zum Zins der EU, eines AAA-Emittenten, refinanzieren können. Ihre Schulden werden dadurch tragfähiger; das Investorenvertrauen wächst. Der Wiederaufbaufonds ist ein Gemeinschaftsprojekt, durch das alle Mitgliedsländer von den zurzeit niedrigen Zinsen profitieren können und das den Zusammenhalt in der EU stärkt. Die neue Rolle der EU als großer Emittent bonitätsstarker Gemeinschaftsanleihen ist nicht nur gut für risikobehaftete europäische Wertpapiere (da sie Zusammenhalt und Solidarität signalisiert), sondern sorgt auch für eine deutliche Erweiterung des AAA-Anlageuniversums.
Kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Schritt nach vorn
Der Wiederaufbaufonds ist kein Allheilmittel für alle Probleme der EU, aber ein wichtiger Schritt nach vorn. Da es sich um eine echte Innovation handelt, war viel Verhandlungsgeschick gefragt. Am Ende einigte man sich aber über wichtige Details wie die Abstimmungsprozesse und die endgültige Aufteilung auf Kredite und Finanzhilfen. Noch vor zehn Jahren wäre ein solcher Wiederaufbaufonds sehr unwahrscheinlich gewesen. Er ist ein weiterer wichtiger Entwicklungsschritt der EU.
An dieser Stelle kann man Jean Monnet zitieren, einen der Gründerväter Europas. „Europa wird in Krisen geschmiedet, und es wird einst die Summe der Lösungen sein, die man für diese Krisen ersonnen hat“, sagte Monnet. Heute gibt es viele Beispiele für Krisen, die großen Anteil am Entstehen der europäischen Institutionen hatten, wie wir sie heute kennen. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) war Europas Antwort auf die letzte Krise. Später wurde daraus dann ihr dauerhafter Nachfolger, der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM).
Mehr Vertrauen in den Euroraum, niedrigere Risikoprämie
Wir sind der Meinung, dass man sich wegen des Wiederaufbaufonds jetzt weniger Sorgen um den Euro machen muss, was der Gemeinschaftswährung mittelfristig nützt. Zusammen mit der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dürfte der Fonds bewirken, dass die Renditen europäischer Staatsanleihen weniger streuen und ihre Volatilität nachlässt. Insgesamt dürften niedrigere Risikoprämien gut für risikobehaftete Wertpapiere sein. Weil Europa jetzt einiger erscheint und mittelfristig viel für weitere Schritte in Richtung einer gemeinsamen Fiskalpolitik spricht, könnte der Euro auch als Reservewährung wichtiger werden.
Letztlich könnte auch jetzt wieder aus einer als vorübergehend geplanten Maßnahme etwas Dauerhaftes werden. Es ist schon seltsam, wie das in Europa manchmal funktioniert.
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