Insolvenzmoratorium: Das dicke Ende kommt mit Sicherheit
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Die durch die Corona-Pandemie verursachten Wachstumseinbrüche im 2. Quartal waren ohne Zweifel dramatisch. Allerdings zeigt sich in den Konjunkturdaten sowie in den nunmehr akribisch verfolgten täglichen und wöchentlichen Echtzeitindikatoren, dass die meisten Länder den Weg aus der Talsohle bereits im Mai wieder eingeschlagen haben.
In Deutschland lag die Produktion im Juni „nur noch“ um 11,5 % unter Vorjahr, nach einem Einbruch um fast 25 % im April. Diese Lücke im Vorjahresvergleich dürfte sich während der Sommermonate weiter verringern. Allerdings dürfte in der Gesamtwirtschaft das Vorkrisenniveau innerhalb der nächsten 12 Monate wohl kaum zu erreichen sein, selbst wenn der derzeitige Anstieg der Infektionszahlen nicht zu einer „zweiten Welle“ führt und die für die Wintermonate zu befürchtende Zunahme der Infektionszahlen unser Gesundheitssystem nicht überfordern sollte. Laut einer Umfrage des ifo Instituts rechnen deutschen Unternehmen im Schnitt mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens bis April 2021. Wir nehmen an, dass es bis Mitte 2021 dauern dürfte, bis ein Impfstoff großflächig zur Verfügung steht, der solche Einschränkungen nach einer gewissen Zeit beenden könnte.
Angesichts des temporären Stillstands vieler Branchen im April war die rückwirkend zum ersten März eingeführte befristete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ein wichtiger Schritt zur Schadensbegrenzung. Das Moratorium gilt explizit nur für Fälle, in denen die Corona-Pandemie ursächlich für die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des betroffenen Unternehmens ist. Dass trotz der auch schon vor Corona schwierigen Konjunkturlage die Unternehmensinsolvenzen im Mai sogar um 9,9 % unter das Vorjahresniveau gesunken sind, lässt allerdings den Verdacht aufkommen, dass in manchem Unternehmen die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona sehr großzügig interpretiert werden könnten. Diese Vermutung dürfte auch mit dazu beigetragen haben, dass zunehmend vor einer ab Oktober hereinbrechenden Pleitewelle gewarnt wird. Nicht ganz überraschend sind daher die Überlegungen im Justizministerium, den Tag der Abrechnung zu verschieben, indem das Moratorium bis März 2021 verlängert wird. Allerdings stellt sich die Frage, wieso einem Unternehmen, dass es bis Ende September nicht geschafft hat, sich an das neue durch Corona veränderte Umfeld anzupassen, dies bis März 2021 gelingen sollte. Zumal zu befürchten steht, dass die Belastungen durch die Pandemie im Winterhalbjahr eher wieder zunehmen.
Eine von der Politik verordnete Aussetzung von Insolvenzverfahren für ein ganzes Jahr dürfte zu einer erheblichen Belastung für die gesunden Unternehmen führen. Die Zahl der „Zombie-Unternehmen“ wird weiter steigen. Diese werden eine aggressive Preispolitik verfolgen, die die Gewinnmargen der gesunden Unternehmen belastet und insgesamt den Strukturwandel behindert. Zwar hat die Zahl der Zombie-Unternehmen durch die Nullzinspolitik der EZB schon seit einiger Zeit zugenommen, aber die durch das Moratorium geschaffene neue Gattung ist weitaus gefährlicher. Da sich die Zinspolitik der EZB wohl auf Jahre nicht verändern wird, dürften die „Zinswiedergänger“ noch entsprechend lange umhergeistern. Der nunmehr entstehenden Gattung von Zombies dürfte dagegen nur ein kurzer Aufenthalt im Reich der Untoten beschieden sein – mit entsprechenden Risiken für die Banken und für gesunde Unternehmen, die mit diesen Unternehmen Geschäftsbeziehungen unterhalten. Mit dem Ablauf des Moratoriums Ende März dürfte nicht nur die Zahl der dann einsetzenden Insolvenzverfahren – im Vergleich zu Ende September – deutlich steigen, es könnte gar zu einem Dominoeffekt kommen, bei dem auch gesunde Unternehmen durch die Häufung von Zahlungsausfällen in die Knie gezwungen werden.
Man kann sich allerdings schon heute fragen, ob die Regierung sechs Monate vor der Bundestagswahl ein derartiges Szenario riskieren würde? Somit sprechen nicht nur ordnungspolitische Überlegungen, sondern auch polit-ökonomische Argumente gegen eine Verlängerung des Moratoriums über den September hinaus. Entscheidet sich Berlin trotzdem für eine Verlängerung, dürfte diese wohl nicht die letzte bleiben und wir würden dem Staatskapitalismus wieder einen großen Schritt näher kommen.
Ziemlich dicke Lippe, liebe Deutsche Bank.
Kann man riskieren, wenn man "systemrelevant" ist. Allerdings wäre es integerer, wenn man zunächst seine eigenen Hausaufgaben gemacht hätte.
In dieser Situation den Verantwortlichen in der Politik zu unterstellen, sie täten alles -was sie tun- nur in Hinblick auf die kommende Wahl, ist unangemessen, ggf. hochgradig unfair und perfide.