Wirtschaftliches Umfeld 2024: Nicht günstig
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- Wenig Unterstützung durch die Weltkonjunktur: Globales BIP-Wachstum dürfte sich in 2024 auf 2,6% nach 3,0% in 2023 verlangsamen
- Erneuter BIP-Rückgang um 0,2% für 2024 in Deutschland erwartet, aber privater Verbrauch dürfte sich langsam berappeln
- Unserer Prognose nach sinkt die Deutsche Inflationsrate 2024 in Richtung 2%-Ziel, aber im Jahresdurchschnitt wohl noch 2 ½% nach 5,9% in 2023
- Fed und EZB dürften ab dem Frühjahr ihre Zinsen deutlich senken. Aber die Meinungsbildung in den Notenbanken ist hochgradig datenabhängig, d.h. hohe Prognoseunsicherheit. Am langen Ende sind bereits kräftige Senkungen der Notenbankzinsen eingepreist -> Rückschläge möglich
- Erhebliche politische Risiken: Naher Osten, US-Präsidentschaftswahlen und Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern
Kernbotschaften im Detail:
1. Schwaches Wachstum der Weltwirtschaft
Industrieländer befinden sich wohl im ersten Halbjahr in einer Rezession. In China fehlen wegen der anhaltenden Probleme im Immobiliensektor und verunsicherter Konsumenten interne Wachstumstreiber, wir erwarten daher eine expansivere Fiskal- und Geldpolitik (BIP-Wachstum 2024: 4,7%). Insgesamt dürften aber aufgrund des gesunkenen Trendwachstums und der angestrebten stärkeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit die Wachstumsimpulse für die deutsche Wirtschaft geringer werden. In den USA besteht eine zunehmende Hoffnung, dass ein „Soft Landing“ doch gelingen könnte. Unsere Grundprognose bleibt aber eine durch den massiven Zinsanstieg herbeigeführte moderate Rezession im ersten Halbjahr (BIP-Prognose 2024: 0,9%). Europa dürfte zunächst wegen der Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation, die schwache US-Wirtschaft und die bremsende Wirkung der zurückliegenden EZB-Zinserhöhungen um 450 Basispunkte auf Investitionen und Konsum in eine leichte Rezession in H1 fallen. Wir erwarten ein BIP-Wachstum von 0,2% für das Gesamtjahr 2024.
2. Deutschland: Erneutes BIP-Minus in 2024
Deutschland ist wegen seiner energieintensiven Industrie stärker von derzeitigen strukturellen Veränderungen getroffen (höhere Energiepreise, strukturell schwächere Welthandel). Dies belastet insbesondere die zyklischen Nachfragekomponenten, Export und Investitionen. Die Exporte werden neben dem schwachen Welthandel auch durch eine verschlechterte preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie getroffen, da bei uns die Arbeitskosten vergleichsweise stark gestiegen sind und die Energiekosten im Vergleich zu den USA und China sehr hoch sind. Bei den Ausrüstungsinvestitionen stand zwar in 2023 ein Plus von 3% zu Buche, dies resultierte aber nahezu ausschließlich aus kräftig gestiegenen gewerblichen Kfz-Zulassungen, die durch bis Ende September zur Verfügung stehende Steuervergünstigungen für E-Autos getrieben waren. Investitionen in andere Maschinen und andere Ausrüstung stagnierten nahezu. Daran dürfte sich angesichts der schwachen Nachfrage und der gedrückten Stimmung in der Wirtschaft (ifo) zunächst auch nur wenig ändern. Der Zinsanstieg des vergangenen Jahres wird wohl zunächst die Rezession im Wohnungsbau weiter verstärken. Das ifo-Geschäftsklima im Wohnungsbau ist im Dezember auf ein Allzeittief gesunken, 22% der befragten Unternehmen klagten über Stornierungen. Unser Immobilien-Experte Jochen Möbert erwartet aber, dass gegen Jahresende die mittlerweile wieder gesunkenen Hypothekenzinsen eine Trendwende einleiten könnten. Hoffnung macht dagegen der Private Verbrauch, der in den vergangenen Jahren durch die Explosion der Verbraucherpreise arg unter die Räder gekommen war. In diesem Jahr sollten kräftige Lohnsteigerungen (etwa 5 ½%) und die deutlich sinkende Inflationsrate erstmals wieder zu spürbaren Realeinkommensgewinnen führen, die sich dann auch zunehmend im Konsum niederschlagen. Allerdings macht der Arbeitsmarkt trotz (oder auch wegen) der zunehmenden Arbeitskräfteknappheit etwas Sorgen. Steigende Arbeitslosenzahlen um knapp 20 Tsd. pro Monat haben die Arbeitslosenquote zuletzt auf 5,9% ansteigen lassen. Zumindest bis zur Jahresmitte könnte diese leichte Schwächetendenz anhalten.
3. Inflation in Richtung 2%
Im Vorjahresvergleich kräftig sinkende Energiepreise haben den Anstieg der Verbraucherpreise von 8,7% gg. Vj. im Januar 2023 auf zuletzt 3,7% sinken lassen. Des Weiteren haben sich die Preisanstiege bei Nahrungsmitteln (4,6%) und Gütern (ohne Energie) (3,9%) verlangsamt. Dagegen sollten kräftige Lohnanstiege zu weiter steigenden Preisen insbesondere bei Dienstleistungen aber auch staatlichen Gebühren etc. führen, sodass die Kerninflation im Durchschnitt dieses Jahres noch bei etwa 3% liegen dürfte.
4. Kräftige Leitzinssenkungen erwartet
Wir erwarten, dass die Fed ihre Leitzinsen im laufenden Jahr beginnend im Juni um insgesamt 175 Bp. senken wird. Im Falle eines Soft Landing könnten Zinssenkungen bereits im März beginnen, insgesamt aber geringer ausfallen. Angesichts der schwachen Eurolandkonjunktur und der zuletzt stärker als erwartet gesunkenen Inflation in der Eurozone erwarten wir nunmehr, dass die EZB bereits im April mit Zinssenkungen beginnt und im Jahresverlauf die Zinsen um 150 Bp. reduzieren dürfte, wobei die ersten 100 Bp. relativ schnell kommen sollten. Allerdings zeigen jüngste, recht unterschiedlich ausfallende Kommentare der EZB-Ratsmitglieder, dass die Meinungsbildung im Fluss und sehr datenabhängig ist. Mit anderen Worten, die Leitzinsprognosen sind mit sehr hohen Unsicherheiten behaftet. Ungeachtet dessen sind die zehnjährigen Anleihezinsen seit Oktober in den USA um einen vollen Prozentpunkt und in Deutschland um ¾ Prozentpunkte gefallen und haben damit frühe und kräftige Zinssenkungen eingepreist. Zehnjährige Zinsen dürften daher in 2024 kaum noch sinken. Im Gegenteil, es könnte hier sogar zu Rückschlägen kommen (Jahresende: 10J-Treasuries 4,05%, 10J-Bunds 2,6%).
5. Erhebliche politische Risiken
COVID und der russische Überfall auf die Ukraine haben uns in den letzten Jahren schmerzlich vor Augen geführt, wie bescheiden unsere Prognosemöglichkeiten letztlich sein können. Eine globale Pandemie und ein Krieg in Europa waren nicht völlig unerwartet, allerdings tauchten sie allenfalls als „Wildcards“ in den Risikoauflistungen auf. Die „unknown unknowns“ kann man per Definition nicht benennen. Aber dieses Jahr mahnen bereits die „known unknows“ zur Vorsicht. Dazu gehört die angespannte Lage im Nahen Osten, die den Welthandel kräftig bremsen könnte. Nach den Wahlen In Taiwan bleibt die Lage im Südchinesischen Meer ebenfalls angespannt. Bei den EP-Wahlen Anfang Juni und bei den im Herbst anstehenden Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern könnten Rechtspopulisten reüssieren und die Regierungsbildung massiv erschweren. Und dann gibt es noch die Wahlen in den USA, wobei ein besonderer Rechtspopulist im November noch mal Präsident werden könnte. Dieses Szenario könnte bereits in der zweiten Jahreshälfte für erhebliche Unruhe an den Finanzmärkten führen.
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