Inflation und Zinsen bleiben hoch – der Markt muss umdenken
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
In den letzten Wochen haben viele Inflationsdaten die Märkte überrascht. Für jemanden, der Lebensmittel kauft, Strom- und Gasrechnungen bekommt oder Miete zahlt, hielt sich die Überraschung aber in Grenzen. Tatsächlich sind die Rohstoffpreise dieses Jahr bislang sogar stärker gestiegen als die Aktienkurse. „Haushalte bekommen vor allem die steigenden Preise für Basisgüter zu spüren, für Eier, Milch, Strom oder Miete – hier ist Disinflation Fehlanzeige“, sagt Robert M. Almeida, Jr., Portfoliomanager und Global Investment Strategist bei MFS Investment Management.
„Die Zeit der künstlich niedrig gehaltenen Zinsen und entsprechend niedrigen Produktionskosten ist vorbei. Wir befinden uns im Übergang in eine neue Phase. Der Finanzbedarf, vor allem für Betriebsmittel und Arbeitskräfte, ist gestiegen, was die Rückkehr zu unnatürlich niedriger Inflation und Zinsen verhindert.
Corona, mehrere Kriege und die immer unsicherere Weltlage haben gezeigt, wie riskant lange Lieferketten und Outsourcing sein können. Die Globalisierung wird nicht verschwinden, aber sie wird sich ändern, denn es ist wahrscheinlicher geworden, dass etwas fehlt, wenn man es braucht. Und das hat auch finanzielle Folgen.
2024 könnte tatsächlich das erste Jahr seit der Pest im Mittelalter sein, in dem die Weltbevölkerung schrumpft. Die aufgrund von Reshoring steigende Nachfrage nach Arbeitskräften trifft auf eine alternde Erwerbsbevölkerung. Langfristig steigen deshalb die Arbeitskosten.
Die Löhne könnten daher bald höher sein als in den 2010er Jahren, ebenso wie der Konsum, das Wirtschaftswachstum und die Inflation. Doch das geht zulasten der Gewinne, sodass die Zahlungsbereitschaft der Anleger für künftige Unternehmensgewinne wohl nachlässt. Und das ist das Gegenteil dessen, was wir aus den 2010ern kennen.
Ende 2023 nahmen Anleger die Notenbanken beim Wort. Man rechnete mit einem Rückgang der Inflation auf das gewünschte Maß, einer Lockerung der Geldpolitik und fallenden Staatsanleiherenditen. Aber offensichtlich war der Markt zu optimistisch, und wenn sich die Erwartungen durch neue Informationen ändern, passen sich die Kurse an. Hohe Volatilität kann bedeuten, dass der Markt falsche Annahmen korrigiert – oder dass die Unsicherheit groß ist.
Unsere Analysten sind allerdings schon länger von einer anhaltend hohen Gesamtnachfrage ausgegangen und sahen nur wenig Spielraum für die erhofften Zinssenkungen. Aber was kommt jetzt?
Um Missverständnisse zu vermeiden: Wir rechnen weder mit einer strafferen Geldpolitik noch mit steileren Zinsstrukturkurven. Wir glauben aber, dass der Markt die Bedeutung dieses Paradigmenwechsels unterschätzt hat. Irgendwann werden die Zinsen fallen, aber wohl nicht so linear und kontinuierlich wie bisher vermutet.
Die Welt ist komplexer. Vor allem aber passt sie sich an. Unternehmen, die hauptsächlich von billigem Kapital und niedrigen Löhnen gelebt haben, werden Probleme bekommen. Anders als in Zeiten niedriger Kosten werden sie irgendwann auch enttäuschende Zahlen vorlegen. Investmentmanager und Finanzberater könnten deshalb gut daran tun, deren Wertpapiere zu meiden.“
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.