Fundamentale Nachricht
16:32 Uhr, 22.06.2020

Indien: Die Pandemie, der Wirtschaftsschock und der Krieg.

Angesichts der bevorstehenden ersten Rezession im Zeitraum von vier Jahrzehnten steht Indien vor einem langen und steinigen Weg, um an seine früheren Glanzzeiten mit jährlichen Wachstumsraten von über 8 Prozent wieder anknüpfen zu können.

New York/ Neu Delhi (Godmode-Trader.de) - Die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens, Indien, steht vor einem Scherbenhaufen. Die weltweit strengsten Lockdown-Vorsichtsmaßnahmen gegen die Corona-Ausbreitung haben der Ökonomie den Strom gezogen. Lokale Lieferketten sind unterbrochen, die Nachfrage nach indischen Waren auf den Überseemärkten ist gering und nicht zuletzt eskalierte jüngst noch ein Grenzstreit mit dem Nachbarn China, der zufällig auch der zweitgrößte Handelspartner des Landes ist.

All dies lässt die Vision von Premierminister Narendra Modi, die indische Wirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von derzeit 2,7 Bio. Dollar in den nächsten fünf Jahren auf 5 Bio.-Dollar-Wirtschaft zu heben und für ausländische Investoren attraktiver zu machen, Makulatur werden, wie es Bloomberg formulierte.

Millionen von Indern haben seit der Ende März verhängten Abriegelung ihren Arbeitsplatz verloren. Viele Migranten, die fast ein Fünftel der Erwerbsbevölkerung ausmachen und für den Bau und Betrieb von Fabriken von großer Bedeutung sind, sind in ihre Herkunftsregionen geflüchtet.

Es ist unwahrscheinlich, dass sie demnächst zurückkehren werden, was in der Konsequenz bedeutet, dass das Verarbeitende Gewerbe auf dem Subkontinent nicht vor September seine Produktion wieder aufnehmen kann. Für ein Land, dessen Geschäftsjahr von April bis März läuft, kann zum jetzigen Zeitpunkt im Grunde die Hälfte des Jahres abgeschrieben werden.

Bloomberg Economics hat vor kurzem seine Wachstumsprognosen für Indien drastisch gesenkt und erwartet nun, dass das Bruttoinlandsprodukt im aktuellen Fiskaljahr um 10,6 Prozent schrumpfen wird. Im April war noch ein Rückgang von 4,5 Prozent prognostiziert worden. „Die Verlangsamung wird Indiens Anziehungskraft zu einer Zeit schmälern, in der es sich sehr darum bemüht, US-Unternehmen, darunter den Medizinprodukteriesen Abbott Laboratories, für eine Verlagerung aus China zu gewinnen“, schreibt Bloomberg. Die Regierung von Modi hatte mehr als 1.000 Unternehmen in den USA angesprochen.

Die wochenlange militärische Eskalation zwischen den beiden nuklear bewaffneten Mächten China und Indien an der Grenze sorgt aber nicht unbedingt dafür, dass Indien nach außen als ein sicherer und berechenbarer Investitionsstandort gilt. Und auch im Inneren bremsen die Streitigkeit die Wirtschaft aus. Weite Teile der indischen Unternehmen sind auf Rohstoffe aus China angewiesen. Ein weiterer Störfall kann die Erholung des Subkontinents zum Erliegen bringen.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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