Kommentar
08:28 Uhr, 28.01.2015

Historisches Jahr für die USA und Schwellenländer

Seit der Jahrhundertwende wurde immer klarer: die Schwellenländer übernehmen. Durch ihr schnelles Wachstum würden sie bald schon mehr zur weltweiten Wirtschaftsleistung beitragen als die Industrieländer. Das Ende der Dominanz der Industrieländer schien schon besiegelt. So kann man sich irren...

Schwellenländer haben es im Moment nicht leicht. Das Wachstum in einigen Ländern kratz an der Nullprozentmarke. Gleichzeitig sind Inflation und Zinsen hoch. Trotz aller Bemühungen werden die Handelsbilanzdefizite immer negativer. Währungsreserven verschwinden, die Währungen werten weiter ab. Die Liste an Problemen ist gewaltig. All das führt dazu, dass die alte Welt in der Weltwirtschaft wieder an Bedeutung gewinnt. Bis vor kurzem war das undenkbar.

Eindrücklich wird die Entwicklung besonders, wenn man sich den Anteil einzelner Länder am weltweiten Bruttoinlandsprodukt ansieht. Hier fallen besonders die USA auf. Grafik 1 zeigt die Entwicklung des Anteils seit 1960. Damals dominierten die USA mit fast 40% Anteil an der Weltwirtschaftsleistung. Zusammen mit anderen entwickelten Ländern lag der Anteil deutlich über der zwei Drittel Marke.

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Die Tendenz war lange Zeit fallend. Seit zwei Jahren stabilisiert sich der Anteil und dürfte ab 2015 zu steigen beginnen. Am Ende des aktuellen Zyklus könnten die USA wieder einen Anteil von über 25% am Welt-BIP halten. Es sind vor allem zwei Faktoren, die dafür verantwortlich sind. Der erste Grund ist die Aufwertung des Dollars. Grafik 1 zeigt den USD Index Verlauf und den Anteil der USA am Welt-BIP. Der Zusammenhang ist ziemlich eindeutig. Die Anteilsausweitung hatte in den letzten Jahrzehnten kaum etwas mit Wachstum zu tun, sondern vielmehr mit Wechselkursverhältnissen.

Dieses Mal ist es nicht vollkommen anders. Die Dollaraufwertung spielt eine wichtige Rolle. Das ist aber noch nicht alles. Im Gegensatz zu früheren Phasen, als das US Wachstum in der Tendenz rückläufig war, beschleunigt es sich gerade. Damit tragen die USA 2015 sehr wahrscheinlich mehr zum Weltwachstum bei als China. China dürfte zwar noch mit 7% wachsen, das BIP liegt allerdings nur bei der Hälfte des US BIPs. Grafik 2 zeigt den Beitrag Chinas und der USA zum Weltwirtschaftswachstum. Hier erobern die USA nach 10 Jahren wieder die Krone zurück.

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Vergleicht man das Wachstum aller Emerging Markets zum Wachstum der USA, dann tut sich auch dort ein interessantes Bild auf. Es sieht so aus als würden die USA 2015 stärker wachsen als die Schwellenländer. Das schließt China mit ein, allerdings auch Länder wie Russland und Brasilien. Russlands Wirtschaft dürfte 2015 schrumpfen. In Brasilien liegt das Wachstum nahe 0%.
Schnelleres Wachstum in einem Industrieland als in Schwellenländern – das gab es schon lange nicht mehr. Im Fall der USA war das letzte Jahr, in dem die USA schneller wuchsen als Schwellenländer, das Jahr 1998. Die Asienkrise zog den Gesamtwert stark nach unten. Das war eine Ausnahmesituation. Dass die USA systematisch schneller wuchsen als Schwellenländer ist schon eine Weile her und kam zuletzt Anfang der 80er Jahre vor (Grafik 3).

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Ob es aktuell zu einem systematisch höheren Wachstum für mehrere Jahre kommt kann man noch nicht sagen. Die Chancen dafür stehen gut. In den USA ist 2015 das Jahr, indem das Wachstum u.a. von Staatsausgaben wieder angeschoben wird. Seit 2011 wurde das Wachstum vom sogenannten Fiscal Drag zurückgehalten. Wegen automatischer Ausgabenkürzungen und dem Government Shutdown war der Nettoeffekt des Staates leicht negativ.
Grafik 4 zeigt wie sich die Einnahmen und Ausgaben des Staates entwickelt haben. Besonders eindrücklich ist das Wachstum der Ausgaben. Dieses legte bereits 2014 wieder deutlicher zu. Dabei ist schon auffällig, dass das Quartalswachstum 2014 in Q2 bis Q4 deutlich über den Erwartungen lag, während das erste Quartal unter den Erwartungen blieb. Die Erfüllung bzw. Verfehlung von Erwartungen traf ziemlich gut mit dem Ausgabenwachstum zusammen. Wurden die Erwartungen übertroffen, dann hatte die US Regierung ein hohes Ausgabenwachstum, wurden sie verfehlt, dann wurden die Ausgaben meist zurückgeschraubt.

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Ein Ende des Fiscal Drag wird das Wachstum ein klein wenig unterstützen. Der positive Einfluss kann bei 0,3 bis 0,5% Wachstum liegen. Bleiben alle anderen Faktoren konstant, dann könnten die USA im kommenden Jahr ein reales Wachstum von 3% und mehr erreichen. Das setzt voraus, dass es keine neuen Krisen gibt.

Um wieder eine dominantere Rolle in der Weltwirtschaft einzunehmen ist 2015 höchstwahrscheinlich nicht einmal ein überdurchschnittlich hohes Wachstum vonnöten. Es reicht bereits eine Fortsetzung der Dollaraufwertung. Schwellenländer werden 2015 kaum auf wundersame Weise wieder stärkeres Wachstum zeigen. Das liegt vor allem an China. Die Wirtschaft kühlt sich langsam ab. Das hat die Rohstoffpreise bereits massiv nach unten gedrückt (Eisenerz, Öl und Kupfer verloren über 50% seit den letzten markanten Hochs). Bedenkt man, dass viele Schwellenländer wie Chile, Brasilien und Venezuela ihr Wachstum vor allem aus dem Rohstoffsektor beziehen, dann dürfte 2015 die Tendenz auf dem Markt das Wachstum weiter belasten.

Diese Tendenz kann sich noch einige Jahre fortsetzen und dann geschieht das, was kaum jemand für möglich gehalten hat: der Vormarsch der Schwellenländer endet. Sie verlieren insgesamt an Boden und Einfluss, während die Industrieländer wieder an Einfluss gewinnen. Das ist ein Zustand, der sich nicht ewig halten wird. Er könnte aber für die kommenden 3 bis 5 Jahre aktuell bleiben.

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11 Kommentare

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  • Garten
    Garten

    ​... ja, der Baltic Dry Index geht abwärts wie auch die meisten Rohstoffe. Die Schiffahrt liegt seit 2009 am Boden. Vielleicht kommts zum Crash :(. ​Und dann? Noch mehr Geld drucken oder die Steuern erhöhen? Fände dann wegen der niedrigen Zinsen ein KGV von 40 angemessen. Die 30-jährigen US- Anleihen liegen ja jetzt bereits bei 2,29 Prozent. Kaum einer rechnet anscheinend mit einem langfristigen Zinsanstieg. Die USA hat das Problem der Kapitalkonzentration. Die Milliardäre haben eine Sparquote von 99,9 Prozent werden immer reicher und das reale Einkommen der Armen die eine negative Sparquote haben sinkt. Die EU, Japan und andere Industrieregionen-staaten haben zusätzlich das Problem der Überalterung. Die Bevölkerung muss fürs Alter sparen. In der Eurozone muss auch noch bei hoher Arbeitslosigkeit für die soziale Absicherung (Spanien, Griechenland, Italien) und politische Unwägbarkeiten gespart werden. Die Industriestaaten können grundsätzlich langfristig nicht mehr exportieren als importieren weil sonst die Währungen steigen würden, siehe ansteigende Währung der USA im Moment. Soll keine Empfehlung sein, bin in Shoprite, MTN, Kernel, scif, cbd, ebr, pbr, Gazprom, Rosneft, Indofood, Cresud, cpf, Dr Reddy, Mahindra, Sino Grandness Food, db x trackers MSCI Bangladesh investiert, Grüße

    12:24 Uhr, 29.01.2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Garten
    Garten

    Hallo,

    Die USA haben sich im Wesentlichen durch den schwachen Dollar (Index) aus der Krise herausexportiert. Bin mir nicht so sicher, dass der niedrige Ölpreis die Wirtschaft der Industrieländer so ankurbelt wie früher, da die Bedeutung der ölexportierenden Schwellenländer in letzter Zeit als Käufer von Industrieprodukten sehr gewachsen ist. Weiterhin stehen die meisten Schwellenländer wechselkurstechnisch sehr gut da (Exporte). Eher werden es die Amerikaner jetzt schwer haben zu exportieren. Hoffen wir, dass die Binnenwirtschaft robust bleibt. Bin wegen der ziemlich schwachen Währungen dort daher nur in Schwellenländeraktien investiert.

    00:18 Uhr, 29.01.2015
  • Garten
    Garten

    00:00 Uhr, 29.01.2015
  • Jarakoff
    Jarakoff

    Wirklich interessanter Artikel​!

    20:57 Uhr, 28.01.2015
  • 2 Antworten anzeigen
  • Juan
    Juan

    ​Herr Schmale,alle Achtung. Ihre Artikel in letzter Zeit gehören zum Feinsten bei Godmode!

    09:28 Uhr, 28.01.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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