Kommentar
13:04 Uhr, 06.09.2024

Hinter den Kulissen von Dekas Blockchain-Strategie

Das Wertpapierhaus der Sparkassen zählt in Europa zu den Pionieren in der Adoption von Blockchain-Technologie. Ein Gespräch über die Motivation und Digital Assets Strategie des Unternehmens.

Dieser Beitrag erschien erstmals in der ersten Ausgabe des DACH Insider am 08.09. Der DACH Insider ist das neue Insider-Journal für die deutschsprachige Digital Assets Industrie. Jeden zweiten Sonntag liefern wir exklusive Analysen und Hintergrundberichte aus dem DACH-Raum. Schau dir hier die komplette Ausgabe an.

Das Wort “Tokenisierung” wird bei der Deka nur zögerlich verwendet, wenn es um die eigenen Blockchain-Initiativen geht. Es sei zu kurz gegriffen, heißt es; die Deka denke umfassender und prozessübergreifender - “Digitalisierung” sei daher der treffendere Begriff.

Dabei zählt das Wertpapierhaus der Sparkassen hierzulande zu den Pionieren der Tokenisierung. Bereits 2016 begann die Deka, sich intensiv mit den Potenzialen der Blockchain-Technologie für das eigene Geschäft auseinanderzusetzen. Den entscheidenden Impuls erhielt das Thema durch das elektronische Wertpapiergesetz (eWpG), das seit Juni 2021 die digitale Ausgabe von Wertpapieren ermöglicht.

Seitdem hat die Deka nicht nur eine Vielzahl von Finanzprodukten tokenisiert und erfolgreich emittiert, sondern auch regulatorisch und technologisch wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Eine eigene Blockchain-Infrastruktur, die später unter dem Namen SWIAT ausgegründet wurde und heute als Joint Venture mit Partnern wie der LBBW und Standard Chartered betrieben wird, ist nur ein Beispiel. Zudem plant die Deka, in Kürze neben der Kryptoverwahrung auch eine Tokenisierungsplattform umzusetzen. Im Juni erhielt das Unternehmen zudem als erste Bank überhaupt die endgültige Lizenz zur Führung eines Kryptowertpapierregisters. Bis dato hatte sie diese Geschäftstätigkeit auf Basis einer vorläufigen Lizenz betrieben. Und auch die Erteilung einer Kryptoverwahrlizenz steht wohl bald bevor.

Spielmanns Ziel ist es, „die gesamte Wertschöpfungskette eines digitalen Produkts abzubilden“ und den Sparkassenkunden innovative Finanzprodukte zu bieten. Was bereits heute wie ein präzise ausgeführter 5-Jahresplan erscheint, ist in Wahrheit das Ergebnis einer kontinuierlichen Exploration der Technologie, um „die Zukunft des eigenen Geschäftsmodells zu sichern“.

Wir wollten besser verstehen, was die Deka im Zuge dieser Exploration gelernt hat, worin die nächsten Etappen ihrer Blockchain-Strategie liegen und welche Best Practices das Unternehmen intern etabliert hat, um ihre eigene über 5.000 Mitarbeitende große Organisation sowie das Netzwerk an Sparkassen blockchain-fit zu machen. Dazu haben wir uns mit Marion Spielmann und den zwei Digital Assets Product Ownern Andreas Sack, verantwortlich für die Digital-Assets-Infrastruktur, und Ernesto Pereira, verantwortlich für die digitalen Finanzprodukte, für ein Interview zusammengesetzt.

Von links nach rechts: Marion Spielmann, Andreas Sack, Ernesto Pereira

Anfänge und Motivation

Marion, du meintest, dass ihr mit euren Blockchain-Initiativen vor allem sicherstellen wollt, dass die Deka auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. Was glaubt ihr, wie sich diese Technologie nicht nur strategisch, sondern auch finanziell auf eure P&L auswirken kann? Welche Effekte erhofft ihr euch langfristig?

Marion Spielmann: Zunächst muss man sich im Klaren sein, dass die Anfangsinvestitionen beträchtlich sind, da wir während der Transformationsphase nicht nur zwei Infrastrukturen parallel betreiben, sondern auch miteinander verzahnen müssen. Im Moment investieren wir mehr, als wir an Erträgen erzielen. Doch sobald digitale Produkte eine kritische Masse erreichen und sich am Markt etablieren, werden wir die Effizienzgewinne spüren und positive Effekte auf unsere P&L sehen. Wie groß diese Effekte sein werden, lässt sich noch schwer abschätzen. Ein Teil dieser Einsparungen können wir dann an unsere Kunden weitergeben.

Durch das elektronische Wertpapiergesetz (eWpG) und die Blockchain-Technologie ergeben sich auch Änderungen in der aktuellen Wertschöpfungskette im Wertpapiergeschäft. Eine Chance für euch, weitere Teile der Infrastruktur selbst abzubilden?

Andreas Sack: Das eWpG ist für einige Player am Markt eine Bedrohung und für andere eine Chance, den Fuß in die Tür zu bekommen. Warum? Weil die Blockchain bereits für sich genommen ein Settlement-System ist und ich mir dadurch für digitale Wertpapiere ein Stück vom traditionellen System rausschneiden kann. Das neue Ökosystem erlaubt es, neue Rollen zu verteilen. Für uns geht es da insbesondere um die Kryptoverwahrung, der Kerndienstleistung im Kontext digitaler Assets, und die Kryptowertpapierregisterführung, die die Emission von nativen digitalen Assets möglich macht.

Marion Spielmann: Unser Leitgedanke ist es, die gesamte Wertschöpfungskette eines digitalen Produkts abzubilden – von der Begebung über die Verwahrung bis hin zum Handel von Wertpapieren. Die Technologie bringt dabei Veränderungen in den Prozessen mit sich. So benötigen wir zur Abwicklung digitaler Wertpapiere beispielsweise keine Intermediäre mehr wie den Zentralverwahrer, was zu erheblichen Kosteneinsparungen führen wird.

Produktentwicklung: Strategie und Roadmap

Stichwort “Leitgedanke”: In den letzten Jahren habt ihr schon einige digitale Produkte auf den Markt gebracht. Wie sieht euer Ansatz in der Produktentwicklung aus?

Ernesto Pereira: Zum Einstieg haben wir uns auf einfache Use Cases konzentriert, um schnell wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Inzwischen arbeiten wir daran, eine robuste Infrastruktur für komplexere Token-Formen aufzubauen, einschließlich des vollständigen Lifecycle Managements. Wenn wir beispielsweise eine Aktie tokenisieren, müssen wir auch Prozesse wie Dividendenzahlungen und Stimmrechte nahtlos abbilden können. Daran arbeiten wir aktuell.

Grundsätzlich fokussieren wir uns dabei auf illiquide Finanzprodukte, die besonders stark von der Digitalisierung profitieren, wie Inhaber- und Namensschuldverschreibungen. Ein gutes Beispiel sind die digitalen Sparkassenbriefe, die eine zentrale Rolle bei der Refinanzierung der Sparkassen spielen.

Inwiefern profitieren diese besonders von der Digitalisierung?

Ernesto Pereira: Die Emission dieser Instrumente ist traditionell ein langwieriger Prozess, der oft bis zu sieben Tage dauern kann. Ähnlich zeitaufwendig gestaltet sich eine Sekundärtransaktion, bei der die Papiere zunächst abgetreten werden müssen, und die Abtretungsanzeige im Anschluss papierhaft den ursprünglichen Emittenten erreichen muss. Durch die vollständige Digitalisierung des Prozesses können solche Transaktionen nun untertägig abgewickelt werden.

Marion Spielmann: Damit verwandeln wir ein illiquides Produkt in ein liquides. Der gesamte Abtretungsprozess der Urkunde kann nun auf der Blockchain erfolgen, was die Übertragbarkeit deutlich beschleunigt. Mit der schnelleren Übertragbarkeit steigt das Interesse der Investoren, wodurch die Liquidität des Produkts erhöht und es zweitmarktfähig wird.

Was sind neben dem angesprochenen Wertpapier-Lifecycle-Management noch weitere Themen, an denen ihr auf der Produktseite arbeitet?

Ernesto Pereira: Wir beteiligen uns sehr umfangreich an den ECB-Trials, bei denen wir den Einsatz von Wholesale CBDC im Zusammenspiel mit Blockchain-Infrastrukturen für das Interbankengeschäft, insbesondere Lieferung gegen Zahlung, untersuchen.

Wir haben bereits drei Transaktionen mittels Bundesbank-Triggerlösung durchgeführt, darunter die bis dato größte eWpG-Emission überhaupt, und stecken inmitten der Vorbereitung weiterer. Die Experimente sind besonders interessant, weil sie zeigen, wie die Interoperabilität zwischen verschiedenen Infrastrukturen funktionieren kann – in diesem Fall zwischen unserer Asset Chain und der Settlement Chain der Bundesbank.

Zudem arbeiten wir an der Marktreife verschiedener Kredit-Token und prüfen, welche Dienstleistungen durch Tokenisierung möglich werden, die in der traditionellen Welt bisher undenkbar waren.

SWIAT und Public Permissionless Blockchains

Warum habt ihr damals eigentlich entschieden, mit der SWIAT-Blockchain eine eigene Infrastruktur aufzubauen, auf der ihr eure digitalen Produkte heute auch emittiert?

Marion Spielmann: Der Grundgedanke war, eine offene Infrastruktur für Marktteilnehmer zu schaffen, die das gemeinsame Ziel haben, die Vorteile im Wertpapiergeschäft zu nutzen. Wir haben uns für eine permissionierte Blockchain entschieden, da hier die Möglichkeit gegeben ist, einen klaren Governancerahmen für die Teilnehmer festzulegen und auch die Verantwortung für die Validierung und den Betrieb des Netzwerkes transparent ist. Dieses Umfeld hilft uns, Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln und Vertrauen aufzubauen.

Könnt ihr euch auch vorstellen, irgendwann auf public permissionless Blockchains zu bauen?

Andreas Sack: Ob sich künftig die Public oder Private Chain durchsetzen wird, ist offen und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Heute liegt es in der Entscheidung des Emittenten. Die einen wünschen sich eine Emission auf einer Private Chain, andere möchten eine Emission auf einer Public Chain.

Erstere stellt eine Art „Safe Space“ dar, mit allen Vorteilen, zum Beispiel aus regulatorischer oder Compliance-Sicht. Die Public Chain kann ihre Vorteile vor allem bei Retail-Use-Cases ausspielen. Hier braucht man eine sichere Infrastruktur, die mit sehr vielen Akteuren und Transaktionen zurechtkommt. Bei institutionellen Use Cases, wo andere Anforderungen hinsichtlich Regulatorik, Anonymität und Datenschutz bestehen, machen Private Chains mehr Sinn. Beide Varianten haben ihre Vorteile und wir sind in der glücklichen Situation, beide Varianten bespielen zu können.

Herausforderungen in der Adoption

Worin seht ihr aktuell noch die größten Hürden hinsichtlich der Adoption eurer digitalen Produkte?

Marion Spielmann: Die größten Herausforderungen sehen wir vor allem noch in der Infrastruktur, insbesondere bei den Themen “Cash on Chain” und “Zweitmärkte” - sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfrageseite. Institutionelle Investor beispielsweise dürfen heute meist nur in Produkte investieren, für die ein liquider Zweitmarkt besteht. Und das ist bei digitalen Anleihen noch nicht gegeben. Wir brauchen also noch Marktinfrastruktur in Form von Handelsplätzen. Außerdem braucht es noch einen Standard für Cash on Chain im Markt.


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