Kommentar
18:00 Uhr, 03.03.2008

Hedging von Hebelzertifikaten - Spekuliert der Emittent gegen den Anleger ?

Wenn es einen Bereich im Banking gibt, der vor allem innerhalb der letzten Jahre enorm an Popularität gewonnen hat, ist es der Handel mit Hebelzertifikaten. In aller Munde sind Ausdrücke wie Wave Call, Mini Long oder Turbo Bear. Überraschend ist die rasante Verbreitung nicht wirklich, denn noch nie zuvor war es für die breite Masse so einfach mit geringem Eigenkapital derart große Summen in allerlei möglichen Basiswerten durch Leveraging zu bewegen. Vor allem die Transparenz der Hebelzertifikate gegenüber Optionsscheinen verhalf dem Finanzprodukt zum Siegeszug im derivativen Handelsbereich. Die Entwicklung oder die Vor- und Nachteile dieser Produkte sollen aber nicht Thema dieses Artikels sein. Auch auf die Gewinnmöglichkeiten der Bank durch den Zertifikatehandel wird im Folgenden nur marginal eingegangen. Viel mehr möchte ich Ihnen kurz und knapp erklären, wie das Managen des Risikos auf der Seite der Banken im Zertifikate Geschäft aussieht.

Natürlich ist die ganze Angelegenheit komplexer als hier beschrieben, aber es ist sehr sinnvoll die grundlegenden Prinzipien zu verstehen.
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Ein Großteil der Transaktionen von Zertifikaten findet im Direkthandel mit den Banken statt. Der Anleger stellt bei der zuständigen Bank eine Quote Anfrage für das gewünschte Zertifikat und hat dann mehrere Sekunden Zeit diesen Quote mit seiner gewünschten Stückzahl für einen Kauf/Verkauf anzunehmen oder abzulehnen. Abgewickelt wird der ganze Prozess über eine Direkthandelsmaske des Brokers des Anlegers. Der Handel findet für fast alle Produkte von 8.00 - 22.00 Uhr statt.

Was passiert nun, wenn Sie zum Beispiel 1000 Long Zertifikate für jeweils 2,00 Euro auf SAP kaufen?

In diesem Fall spekulieren Sie auf steigende Kurse. Verkauft ihre Bank Ihnen diese 1000 Long Zertifikate zu 2,00 Euro, läuft sie Gefahr im Falle tatsächlich steigender Kurse die 1000 Long Zertifikate z.B. für 3,00 Euro zurückkaufen zu müssen. Der Bank würde hier ein Buchverlust von 1000 Euro entstehen und Ihnen ein Gewinn von 1000 Euro. Fällt der Wert der Long Zertifikate dagegen um 1,00 Euro aufgrund fallender SAP Aktien wäre die

Gewinn-/Verlustverteilung genau anders herum. Die Bank würde 1000 Euro Gewinn einstreichen und Sie 1000 Euro Verlust. Wie Sie sehen, nimmt die Bank also zunächst (!) immer ihre Gegenposition ein. Wenn Sie long spekulieren, ist die Bank durch den Verkauf der Long Zertifikate short. Spekulieren sie short, ist die Bank long.
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Aber spekuliert die Bank tatsächlich gegen den Anleger? Nein!
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Die Umsätze im Zertifikate Handel sind im mehrstelligen Bereich. Es wäre fatal ,wenn eine Bank Wetten darauf eingehen würde, ob der Anleger oder sie selbst richtig liegen. Das Verlustrisiko wäre zu hoch. Deshalb hedget die Bank das Portfolio aller Gegenpositionen, welche sie gegenüber dem Anleger hält, durch eine entsprechende Positionierung im jeweiligen Basiswert ab. Die Positionshöhe der Bank im Basiswert entspricht genau der Höhe des bewegten Kapitals des Anlegers und ist natürlich auch dem Anleger entsprechend entweder long oder short. So gleichen sich gegenläufige Positionen vollkommen aus. Der hier beschriebene Vorgang wird „Delta Hedging“ genannt - das Portfolio der Gegenpositionen wird „deltaneutral“ gestellt.

Was ist das Delta und wie kann es von der Bank für den Hedging Prozess genutzt werden?

Das Delta ist eine Maßzahl aus dem Optionsscheingeschäft und gibt analog bei Zertifikaten an, wie stark sich das Produkt preislich ändert, wenn sich der Basiswert um eine Einheit ändert. In unserem SAP Beispiel würde ein Delta von 0,1 bedeuten, dass sich das Zertifikat um 0,1 Euro ändert, wenn die SAP Aktie um 1 Euro steigt. Dadurch, dass es bei Hebelzertifikaten keinen Zeitwertverlust gibt, ist das Delta immer 1 * Bezugsverhältnis, ergo also immer das Bezugsverhältnis. Im Gegensatz zu Optionsscheinen bleibt dieser Delta Wert für das Produkt auch über die Laufzeit konstant. Eingesetzt wird das Delta von der Bank, um schnell die benötigte Höhe der Hedge Position zu bestimmen.

Ein Beispiel:

Wieder nehmen wir einen Kauf unseres Anlegers von 1000 SAP Long Zertifikate für 2,00 Euro mit einem Bezugsverhältnis von 0,1 und somit einem Delta von 0,1 an. Will die Bank ihre durch den Verkauf der 1000 Long Zertifikate entstandene Gegenposition nun hedgen, muss sie am Kassa Markt 1000*0,1 = 100 SAP Aktien kaufen.

Fall 1:

Die SAP Aktien steigen um 1 Euro --> Das Zertifikat steigt um 0,1 Euro --> 100 Euro Verlust der Bank durch die Gegenposition.

Aber durch die Hedge Position entsteht ebenso ein Gewinn von 100 Euro weil die erworbenen 100 SAP Aktien am Kassa Markt 1,00 Euro an Wert zulegen.

--> Nullgeschäft

Fall 2:

Die SAP Aktien fallen um 1 Euro --> Das Zertifikat fällt um 0,1 Euro --> 100 Euro Gewinn der Bank durch die Gegenposition.

Aber durch die Hedge Position entsteht ebenso ein Verlust von 100 Euro weil die erworbenen 100 SAP Aktien am Kassa Markt 1,00 Euro an Wert verlieren.
--> Nullgeschäft

Sie sehen also, dass aus den Hedging Prozessen "idealerweise" immer Nullgeschäfte für die Banken resultieren. Es sind stets risikolose Geschäfte mit dem Anleger. Auch andere Kursrisiken wie z.B. Gap-Down/Gap-Up Bewegungen des Basiswertes können mehr oder weniger eingeschränkt werden, anhand Agios oder Spreads.

Der aufmerksame Leser dieses Artikels fragt sich nun: Warum bietet die Bank den Zertifikate Handel überhaupt an, wenn so viele Risiken winken und nur Nullgeschäfte stattfinden? Ganz einfach, weil der Bank damit auch große Profitmöglichkeiten offen stehen. Genau genommen macht die Bank nämlich keine Nullgeschäfte sondern aufgrund Gebühren, Spreads und Agios normalerweise regelmäßig Gewinne.

Herzlichst, ihr Tim Kuske

Die Wissensbibliothek von GodmodeTrader.de : http://www.godmode-trader.de/wissen/

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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