Kommentar
16:07 Uhr, 06.09.2005

Hedgefonds und das Renditerätsel

Bin ich der Einzige, der wissen möchte, warum Hedgefonds in einem Zeitraum explosionsartig gewachsen sind, in dem - mit Ausnahme der Jahre 2000 bis 2003 - sowohl Aktien als auch Anleihen ihre Anleger normalerweise mit überdurchschnittlichen Erträgen belohnt haben? Während die Erträge dieser Hedgefonds während des Bärenmarktes im Vergleich zu Aktien ausgezeichnet ausfielen, sind sie seither ziemlich bescheiden geblieben. Ursprünglich setzten vorwiegend Privatpersonen und Stiftungen, für die absolute Erträge oberste Priorität haben, auf Hedgefonds. Diese werden heute in vielen institutionellen Portfolios zunehmend als Basisinvestment angesehen, wenn auch noch mit moderaten Gewichtungen. Ich spreche ausdrücklich von Investments, da es schwierig ist, Hedgefonds angesichts der Vielfalt von Strategien und Engagements als eine einzige Anlageklasse zu charakterisieren.

Gleich ob Privat- oder institutionelle Anleger - Investoren steigen normalerweise erst dann aus einer Anlageklasse aus, nachdem sie bereits seit einiger Zeit schlecht abgeschnitten hat. Es lässt sich umfassend belegen, dass Anleger dazu tendieren, die Anlageklasse zu kaufen, die gerade gut abschneidet, und die Anlage zu verkaufen, die unterdurchschnittlich gelaufen ist. Während das populäre Bild der Hedgefonds von einigen wenigen legendären Fonds mit äußerst hohen Erträgen geprägt wurde, müht sich der weitaus größte Teil der Branche ab, eine stabile Performance von etwa einem Prozent pro Monat nach Gebühren zu erzielen. Ein derartiger Ertrag war in langen Phasen der 80-er und 90-er Jahren wohl kaum spektakulär. Sicher gibt es Anleger, die beim Kauf tatsächlich auf Diversifikation setzen, aber nach meiner Erfahrung stehen für die meisten Kunden Diversifikation und Korrelation weit abgeschlagen auf Platz 2 oder 3, die Erträge dagegen auf Platz 1.

Betrachtet man die letzten fünfundzwanzig Jahre in einem längeren historischen Kontext, so waren sie für die Finanzmärkte ziemlich ungewöhnlich. Wir haben seitdem einen langfristigen Rückgang bei Inflation, Zinsen und Credit-Spreads erlebt, was den Preis des Geldes auf das niedrigste Niveau seit einer Generation gedrückt hat. Sowohl Aktien als auch Anleihen haben massiv davon profitiert und die Kursgewinnverhältnisse (KGVs) sind so schnell gestiegen, wie die Renditen gefallen sind. Häufig wird argumentiert, dass niedrige Renditen in gewisser Weise hohe KGVs "rechtfertigen". Tatsächlich muss man einräumen, dass Niedrigzinsphasen normalerweise mit Perioden hoher KGVs zusammenfielen. Natürlich fielen dann bei sinkenden Renditen die Erträge von Anleihen und Aktien generell hoch aus. Viel bedeutsamer ist noch, dass es einen klaren und wirklich ganz offensichtlichen Zusammenhang gibt: wenn erst einmal die Renditen gefallen und die KGVs gestiegen sind, sind die zukünftigen Erträge des Renten- und des Aktienmarkts in der Regel niedrig. Ist es also möglich, dass der Grund für das Wachstum der Hedgefonds darin besteht, dass die Anleger diesmal sehr scharfsinnig mit dem Aufbau von Investments in Anlageklassen begonnen haben, die nicht mit den Marktniveaus bei steigenden Bewertungen korrelieren? Ich muss gestehen, dass ich davon noch lange nicht überzeugt bin, da diese Periode der Finanzmärkte eine Reihe anderer bemerkenswerter Eigenschaften aufweist. Vor wenigen Wochen nahm ich an einer Präsentation eines "echten" Überlebenden der Hedgefonds-Branche teil. Er führte eine Reihe von Fakten auf, zwischen denen nur geringe Zusammenhänge bestehen:

· In dem Maße, wie die Renditen gefallen sind, ist auch der Anteil der Finanzwerte im S&P gestiegen. Die Korrelation ist bemerkenswert eng.

· Die Blase zum Ende des Bullenmarktes beruhte auf außerordentlich hoher Volatilität. Tatsächlich sind die "geringen" Volatilitätsniveaus von heute viel näher am historischen Durchschnitt.

· Heute gibt es in den USA mehr Hedgefonds als Aktien, und auch mehr Investmentfonds! Aber nur etwa 20% von ihnen weisen ein Volumen von über USD 200 Mio. auf und nur etwa 40% von ihnen bestehen länger als fünf Jahre. Dann wurden die angegebenen Ertragszahlen mit Argumenten des Survivorship und Inclusion Bias (d.h. die Zahlen betreffen nur die überlebenden und im Index erfassten Fonds) zerpflückt.

Was bringt uns das? Die Annahme trifft wohl zu, dass das Wachstum der Hedgefonds-Branche nicht auf die bemerkenswerte Voraussicht der Anleger eines zuvor völlig unbekannten Typs zurückgeführt werden kann. Aber es liegt auch auf der Hand, dass einige äußerst kluge Investoren - dabei denke ich vor allem an die Vertreter von Stiftungen jeder Art - aus "richtigen" Gründen in Hedgefonds eingestiegen sind - basierend auf der rationalen Betrachtung von Risiko und Ertrag sowie der Korrelation.

Parallel dazu lässt immer mehr Research-Material vermuten, dass Hedgefonds im Durchschnitt keine überragende Kompetenz demonstrieren. Tatsächlich können ihre Erträge weitgehend durch Portfolios mit Faktor-Engagements potenziell repliziert werden. Erträge können tatsächlich konstruiert werden.

Dies ist vor allem heute ziemlich interessant. Da die Renditen nach wie vor nahezu auf dem historischen Tiefststand liegen, lernen wir aus der Geschichte, dass es unklug wäre, hohe vorab Erträge von Märkten zu erwarten - genau das Gegenteil ist richtig. Damit werden für mich zwei Dinge klar. Einmal werden die Anleger, da die Markterträge niedrig bleiben dürften, weiterhin überall eifrig nach Kompetenz suchen. Eine "Mauer aus Geld", die sich auf die Hedgefonds zu bewegt, wird sich negativ auf die Erträge auswirken, vor allem bei Strategien mit nur begrenzten Kapazitäten. Aber diejenigen, die über tatsächliche Kompetenzen verfügen, stehen vor einer erfreulichen Zukunft. Für die Sparer als Ganzes können wir uns dennoch der Tatsache nicht verschließen, dass die Jagd nach Alpha unter Berücksichtigung der Kosten ein Verlustgeschäft darstellt. Kompetenz alleine kann daher die heute wahrgenommene Lücke - zwischen dem, was an den Märkten voraussichtlich erzielbar ist und dem, was die Anleger offenbar fordern - nicht schließen.

Ein weiteres Stück des Puzzles besteht daher darin, die von uns gewünschten Erträge neu zu strukturieren oder zu konstruieren. Hier ist vieles möglich. Wir können begreifen, dass das Abwärtsrisiko nicht ebenso hoch ist wie das Aufwärtsrisiko und diese Risiken entsprechend einpreisen. Das klingt nicht gerade revolutionär, ist es jedoch, wenn Sie den größten Teil ihrer beruflichen Laufbahn in einer Welt verbracht haben, die auf Indizes fixiert ist. Denken wir auch an das Einmaleins der Finanzen. Wenn Sie Geld zu einem Zinssatz leihen oder verleihen können, der nahe am risikolosen Satz liegt, dann können Sie Erträge auf das gewünschte Niveau herauf- oder herabhebeln, und genau das können Hedgefonds nur allzu gut. Der richtige Weg besteht offenbar aus einer sinnvollen Mischung von Hebelwirkung, Konstruktion und der Jagd nach Kompetenz. Setzt man sein gesamtes Vermögen auf eine dieser Möglichkeiten, könnte dies in Tränen enden.

Für Anleger und auch für Hedgefonds ist dies eine interessante Zeit. Da immer mehr von uns damit in Berührung kommen - als Anleger, Hedgefonds-Manager oder Dach-Hedgefonds-Manager - lassen Sie uns den Versuch wagen und sicherstellen, dass wir es aus dem richtigen Grund und auf richtige Weise tun.

Quelle: Schroders - Alan Brown, Chief Investment Officer

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2005 rund 158,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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