Kommentar
13:16 Uhr, 07.12.2018

Hebt die EZB die Zinsen an - ohne sie effektiv zu erhöhen?

Die EZB macht ernst und beendet ihre Anleihekäufe. Doch ob diesem Ausstieg auch die Zinswende folgt, bezweifeln viele. Der Kompromiss wäre eine Zinserhöhung ohne Zinserhöhung.

Eine Zinserhöhung ohne Zinserhöhung, wie soll das gehen? Die Antwort darauf ist überraschend einfach. Um die Sache aber zu verstehen, lohnt ein Blick darauf, was in den letzten Jahren überhaupt geschehen ist und wie die Zentralbanken die Geschäftsbanken überhaupt mit Geld versorgen.

Vor der Finanzkrise refinanzierten sich Banken vor allem kurzfristig. Banken liehen sich bei der Zentralbank für maximal 7 Tage Geld. Dafür mussten sie den Leitzins bezahlen. Banken liehen sich daher nur so viel Geld, wie sie wirklich brauchten.

Der Bedarf wird von der Zentralbank indirekt bestimmt. Die Zentralbank legt fest, wie viel Geld eine Bank z.B.für ausstehende Kredite hinterlegen muss. Ist dieser Reservesatz hoch, brauchen Banken viel Geld, ist er niedrig, brauchen sie weniger.

Für Banken war es am besten, möglichst knapp zu kalkulieren. Übersteigt die Geldmenge die Reservesätze, muss das Geld bei der Zentralbank geparkt werden. Dafür erhielten Banken Zinsen, allerdings weniger, als sie für das Ausleihen von Geld zahlen mussten. Überschussreserven sind also ein Verlustgeschäft.

Überschüsse konnten auch abgebaut werden, indem eine Bank mit Überschüssen einer Bank mit einem Defizit Geld lieh (Interbankenmarkt). Der Interbankenmarkt bracht während der Finanzkrise zusammen. Die Refinanzierung fand in der Folge fast ausschließlich über die Zentralbank statt.

Die EZB versprach, dass es nie an Geld mangeln würde. Vor der Finanzkrise gab es eine Limitierung des Betrages, den sich Banken bei der Notenbank besorgen konnten. Diese Limitierung wurde aufgehoben. Auch das ist ein Grund, weshalb der Interbankenmarkt kaum mehr existiert. Wer leiht sich schon Geld von einer anderen Bank bzw. verleiht es an eine andere Bank, wenn diese Rolle auch die absolut sichere Zentralbank übernehmen kann?

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Der unlimitierte Geldsegen war aber nicht genug. Die EZB führte daher Langfristrefinanzierungen ein. Das viele billige Geld führte nämlich nicht dazu, dass mehr Kredit vergeben wurde. Banken scheuten vor allem ein Risiko: Zinserhöhungen.

Banken leihen sich kurzfristig Geld und verleihen es langfristig. Die Zinsen waren niedrig. Entsprechend waren auch die Zinsen, die sie bei Unternehmen und Haushalten verlangen konnten, niedrig. Würden die Zinsen wieder steigen, hätten sie auf einmal eine sehr kleine Marge.

Die EZB begegnete diesem Umstand mit neuen Langfristfinanzierungen. Vor der Finanzkrise bedeutete langfristig 3 Monate. Nach der Finanzkrise bedeutete es 3 Jahre. Banken konnten so das Zinsänderungsrisiko ausschließen. Das war verlockend. Zeitweise borgten sich Banken so über 1 Billion Euro (Grafik 1).

Die Hauptrefinanzierung (wenige Tage) wurde immer unbeliebter (Grafik 2). De facto existiert die Hauptrefinanzierung gar nicht mehr. Banken schwimmen in so viel Geld, dass sie sich einfach nicht mehr kurzfristig refinanzieren müssen.

Dann kamen noch die Anleihekäufe, die noch mehr Geld ins System pumpten. Die Überschussreserven der Banken steigen daher immer noch an (Grafik 2). Sie haben inzwischen 1,2 Billionen überschritten. Vor der Krise lag dieser Wert bei wenigen Milliarden.


Hebt die EZB nun den Leitzins an, muss dieser nicht unbedingt in der Wirtschaft ankommen. Sie könnte einfach eine neue Langfristfinanzierung vor der ersten Zinserhöhung durchführen und so Banken das Zinsänderungsrisiko für mindestens 3 Jahre abnehmen. Gleichzeitig könnten Banken für die Kreditvergabe ein paar Basispunkte mehr verlangen und so die Profitabilität steigern.

Die EZB kann die Zinsen also optisch anheben, ohne dass es für die Banken kritisch wird. Auf dem Papier gibt es die Zinserhöhung. In der Realität gibt es sie nicht - jedenfalls für die Banken...

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2 Kommentare

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  • P_44
    P_44

    Meh! Theoretisch sollte man dann wohl möglichst bald eine Wohnung als Kapitalanlage kaufen. Praktisch muss man sie auch erst einmal finden, so dass alles passt!

    10:00 Uhr, 10.12.2018
  • marwing
    marwing

    Wieder mal eine super Analyse, Herr Schmale! Verständlich, sachlich, gut erklärt und mit selbsterklärenden Grafiken. Gerne mehr davon!

    10:45 Uhr, 08.12.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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