Kommentar
13:17 Uhr, 04.11.2020

Hat dieser Sektor die größten Rebound-Chancen am Aktienmarkt?

Viele Sektoren haben sich seit März deutlich erholt. In einigen Sektoren ist jedoch noch viel zu holen, insbesondere in einer ganz bestimmten Branche.

Die Erholung vom ersten Lockdown lief alles andere als homogen. Technologieaktien konnten neue Allzeithochs erreichen. Der Ölsektor hingegen darbt weiter. Öl, Reiseunternehmen und Airlines stehen noch immer 50 % unter dem Vorkrisenniveau. Das ist ein stattliches Minus. Eine Branche schlägt sie aber alle: Kinobetreiber. Die Erholung lief in keiner Branche so schwach wie bei Kinobetreibern. Einige Unternehmen erreichten sogar in den letzten Tagen neue Tiefs. Das Minus beläuft sich je nach Unternehmen auf 60-90 %. Entsprechend hoch ist das Aufholpotenzial. Die Frage ist nur: Wird sich dieses Potenzial auch materialisieren?

Hier hilft ein Blick auf die Historie. Kino ist ein volatiles Geschäft. Den wenigsten Unternehmen gelingt konsistente Profitabilität (Grafik 1). Die Profitabilität hängt damit zusammen, welche Filme in die Kinos kommen. Welche Filme produziert werden, hängt nicht an den Kinobetreibern. Ob Kassenschlager gezeigt werden können, hängt von anderen ab. Damit haben die Betreiber nur geringen Einfluss auf die eigene Profitabilität.

Genau das ist aktuell eine Herausforderung. Filmstudios bringen ihre Filme derzeit nicht ins Kino. Kinobetreibern fehlen Zugpferde wie James Bond, um Kunden ins Kino zu locken. Einige Betreiber haben daher ihre Kinos wieder geschlossen, obwohl sie geöffnet haben dürften.

Die Branche wird doppelt getroffen. Es ist nicht nur die Pandemie an sich, sondern auch das Verhalten der Studios, die auf den Einnahmen lasten. 2020 wird daher das wohl schlechteste Jahr in der Kinogeschichte. Die Verluste der größten Ketten dürften zwischen 6 und 7 Mrd. Dollar liegen. Die gesamten Gewinne der letzten 20 Jahre sind damit ausgelöscht (Grafik 2).

Früher oder später ist die Pandemie vorüber bzw. gibt es einen Impfstoff. Die Frage ist nicht, ob es einen Rebound geben wird, sondern wann. Das Timing ist von zentraler Bedeutung. Nicht jedes Unternehmen hat ausrechend Barmittel, um ewig zu warten.

Einer der größten Kinobetreiber, AMC, hat Schulden in der Höhe von 11 Mrd. Dollar. Trotz Sparmaßnahmen werden über 250 Mio. Dollar an Cash verbrannt, jedes Quartal. Ohne zusätzliche Gelder ist AMC aller Voraussicht nach Anfang 2021 bankrott.

Anleger können die Aktien von Kinobetreibern nicht einfach kaufen und warten. Nicht jedes Unternehmen wird die Krise überleben. Neben der Bilanzstärke sind auch noch andere Aspekte wichtig. Seit vielen Jahren kämpfen Kinobetreiber mit zurückgehenden Kartenverkäufen (Grafik 3). Das Hoch wurden in den USA 2002 erreicht. Obwohl die Bevölkerung seither weiter gewachsen ist, gehen weniger Menschen ins Kino.


Die Einnahmen konnten weiter gesteigert werden, weil die Ticketpreise angehoben werden konnten. Wenn man zum Preis eines Tickets jedoch einen Monat Netflix bekommt und unbegrenzt Serien und Filme schauen kann, überlegen sich Konsumenten genau, ob sie ins Kino gehen. Die Preise können nicht ewig steigen. Die Konkurrenz aus dem Streaming ist groß.

Natürlich ist eine große Leinwand schon etwas anderes. Das Konsumentenverhalten ändert sich aber und keiner weiß wie schnell und wie zahlreich Konsumenten wirklich wieder ins Kino zurückkehren werden. Es gibt einen strukturellen Wandel.

Die Unsicherheit über die Zukunft der Branche ist besonders groß. Analysten erwarten daher auch nicht, dass Betreiber vor 2022 wieder Gewinne schreiben werden. Wer dennoch auf einen Rebound der Branche setzen will, muss auf die Bilanzstärke zählen. Derzeit kommen IMAX und Cinemark mit ihren bestehenden Barmitteln und geringerer Verschuldung am besten durch die Krise.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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