Kommentar
07:35 Uhr, 01.04.2017

Hat die EZB ihre Macht missbraucht?

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mehrfach ihr Mandat überschritten und sich in Entscheidungen eingemischt, die ihr gar nicht zustehen, heißt es in einem Bericht der Nichtregierungsorganisation Transparency International.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei der Bekämpfung der Eurokrise ihr Mandat deutlich überstrapaziert und sich zunehmend in politische Entscheidungsprozesse eingemischt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Transparency International, die sich weltweit gegen korrupte und intransparente Entscheidungsprozesse einsetzt. Die zunehmend politische Rolle der EZB stehe in einem klaren Widerspruch zu ihrer Unabhängigkeit von demokratischen Entscheidungsprozessen, heißt es in der Studie.

Dabei hat die EZB ihr Mandat in mehreren Fällen nach Einschätzung von Transparency International deutlich überstrapaziert. Die große Rolle der EZB bei der Krisenbekämpfung sei zwar der "Trägheit" der gewählten Institutionen und strukturellen Defiziten bei der Entscheidungsfindung innerhalb Europas geschuldet, heißt es in dem Bericht. Auch sei es positiv zu werten, dass die EZB mit ihren Entscheidungen einen Zusammenbruch des Euro verhindert habe. In mehreren Fällen aber habe die EZB ihr Mandat überschritten und politische Entscheidungen getroffen, die ihr eigentlich nicht zustanden. Der Bericht führt exemplarische Fälle an:

  • Im Zuge der Griechenlandkrise akzeptierte die EZB zeitweise keine griechische Staatsanleihen als Sicherheit mehr und zwang die griechischen Geschäftsbanken damit, sich über das Notfallliquiditätsprogramm ELA bei der griechischen Notenbank zu refinanzieren. Da das ELA-Programm gleichzeitig allerdings nur mit der Zustimmung der EZB weiter betrieben werden konnte, übte die EZB subtilen Druck auf die griechische Politik aus, sich mit den Gläubigern zu einigen und auf deren Forderungen einzugehen. Gleichzeitig saß die EZB als Teil der sogenannten Troika der Gläubiger mit am Verhandlungstisch und konnte damit Griechenland Bedingungen für weitere Finanzhilfen diktieren.
  • Vor der Einführung des Anleihekaufprogramms OMT, mit dem im Extremfall unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenstaaten gekauft werden sollten, schickte EZB-Präsident Mario Draghi geheime Briefe an die Premierminister von Italien und Spanien und machte die Anleihekäufe darin von konkreten politischen Reformen innerhalb eines von der EZB aufgestellten Zeitplans abhängig. Die EZB machte genaue Vorgaben für politische Reformen und mischte sich damit in Angelegenheiten ein, die eigentlich nur von demokratisch gewählten Institutionen getroffen werden können.
  • Mit ihrem Quantitative-Easing-Programm hat die EZB laut Transparency International ein gigantisches geldpolitisches Experiment gestartet, dessen finanzielle, wirtschaftliche und verteilungspolitische Folgen so weitreichend sind, dass sie weit über das geldpolitische Mandat der EZB hinausgehen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde bewusst als unabhängige Organisation geschaffen, deren einziges Mandat die Geldwertstabilität ist. Mit anderen Worten: Die EZB soll durch ihre Leitzinsentscheide eine übermäßige Deflation oder Inflation in der Eurozone bekämpfen und ist in ihren Entscheidungen unabhängig von politischem Druck - und damit auch von demokratisch gewählten Institutionen. Sowohl mit ihrer Unabhängigkeit als auch mit dem Ziel der Inflationsbekämpfung steht die EZB in der Tradition der Deutschen Bundesbank, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich für die Stabilität der Deutschen Mark verantwortlich war.

Doch nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 und im Zuge der Eurokrise hat sich die Rolle der EZB immer stärker gewandelt und ausgeweitet. So spielte die EZB auch zunehmend die entscheidende Rolle und war treibende Kraft bei den Hilfspaketen für zahlreiche Euro-Staaten. Indem die EZB gleichzeitig die Bedingungen für mögliche Finanzhilfen vorgab, entfernte sie sich aber immer weiter von ihrem eigentlichen Mandat und geriet zunehmend auch in Interessenskonflikte.

Die besondere Unabhängigkeit der EZB bei der Geldpolitik müsse mit einem engen Mandat einhergehen, fordert Transparency International. Denn andernfalls drohe die Gefahr, dass Entscheidungen, die eigentlich demokratisch legitimiert werden müssten, von der EZB und damit außerhalb des demokratischen Rahmens getroffen werden. Die Fokussierung einer Notenbank auf die Geldwertstabilität und ihre Unabhängigkeit sind laut Transparency International zwei Seiten der selben Medaille: Nur, wenn sich die Notenbank auf ihre Rolle bei der Inflationsbekämpfung beschränkt, ist auch die Unabhängigkeit der Notenbank gerechtfertigt. Begnügt sich die Notenbank nicht mit der Bekämpfung der Inflation und entscheidet zum Beispiel über Auflagen für Euro-Rettungspakete und damit über die konkrete Gestaltung der Wirtschaftspolitik mit, dann muss sie auch einer demokratischen Kontrolle unterstehen.

Gleichzeitig benennt Transparency International in dem insgesamt 77-seitigen Bericht zahlreiche Maßnahmen, mit denen die EZB ihre Transparenz und Unabhängigkeit stärken könne. So schlägt die Organisation vor, dass die EZB nicht mehr Teil der Gläubiger-Troika sein solle und auch ihre Rolle bei der Überwachung der Reformmaßnahmen der Euro-Krisenstaaten aufgeben müsse. Gleichzeitig sollten die Kommunikation der EZB und ihre Entscheidungsprozesse transparenter werden. So solle sich die EZB dem EU-Transparenzregister anschließen, was dazu führen würde, dass nur noch registrierte Vertreter privater Interessen sich mit EZB-Vertretern treffen könnten. Auch sollten EZB-Ratsmitglieder ihre privaten Interessen und Vermögenswerte offenlegen, um Interessenskonflikte bei geldpolitischen Entscheidungen zu vermeiden.

Die EZB betonte in einer Stellungnahme, dass sie bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen habe, um ihre Transparenz zu verbessern. Außerdem sei die EZB dem Europäischen Parlament direkt rechenschaftspflichtig. Auf den Vorwurf, das eigene Mandat verletzt zu haben, ging die EZB nicht ein. Die EZB betonte aber, dass man auch die Untersuchung von Transparency International unterstützt habe, indem man mehrere Mitglieder der Nichtregierungsorganisation zu Sitzungen mit hochrangigen EZB-Mitarbeitern einlud.

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10 Kommentare

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  • tourguide
    tourguide

    Die EZB war die letzte zu gründene Institution der Bankenkartelle um die globalisierte Finanzsteuerung ohne Eingriffsmöglichkeit demokratische Regularien zu missbrauchen! Die Politiker haben sehenden Auges eine gleiche Kreatur wie die FED geschaffen. Nun soll sich keiner wundern, das sie auch genauch das macht, wie die FED. Die meisten der weltweit verteilten Zentralbanken unterliegen keiner Regularie mehr! Sie lassen keine Prüfungen zu und Gerichte und Polizei haben keine Machtbefugnisse gegenüber diesen Institutionen (privaten Machtstrukturen) Ich denke die Muster in der Vergangenheit sind der Vatikan und die City of London. Mit Verlaub muss man mittlerweile sagen, wir haben so viele studierte Wirtschaftsfachleute und kaum jemand begrieft noch die Hintergründe! Sie beschäftigen sich mit Zahlen Statistiken und bunten Diagrammen, aber geostrategische Ableitungen haben sie kaum gelernt!!! Es musste so kommen wie es gekommen ist!

    07:39 Uhr, 03.04.2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Wir haben ajauch keine Infaltion!!! Neee nur die Importe des täglichen Bedarfs stiegen um ca. 7% im März.. das ist doch nichts.. Wer redet hier von infaltion? alles Supi

    Nur die Einkommen steigen nicht um 7% jeden Monat, die folge ist Konsum bricht massiv ein!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    23:56 Uhr, 02.04.2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Vertrauensverlust pur

    21:44 Uhr, 02.04.2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    alle sprachlos über meine Vohersagen?
    der dumme Mario welcher News liest, wie dumm muss man sein News in die Bewertung [b]nicht[/b] einfliessen zu lassen?? Oder ist es Richtig lieber MOD? Und wer ist dann dumm, wenn er es nicht macht?

    aber es ist ja falsch [b]NEWS[/b] zu posten

    Flucht aus dem EURO läuft an, short auf USD, aber long wird dieser auch nichts wert sein wie schon gepostet
    http://bitcoinity.org/markets/kraken/EUR 1035
    http://bitcoinity.org/markets/coinbase/EUR 1039

    USD

    http://bitcoinity.org/markets/bitfinex/USD 1112
    http://bitcoinity.org/markets/itbit/USD NY 1105 kein ASK bis 1200
    http://bitcoinity.org/markets/coinbase/USD 1110 BID voller als ASK
    http://bitcoinity.org/markets/gemini/USD 1107 bei 1270 ASK widerstand
    http://bitcoinity.org/markets/kraken/USD 1111 ASK widerstand bei 1270

    der 1Std Chart zeigt einen klaren Aufwärtstrend https://bitcoinwisdom.com/markets/bitstamp/btcusd unterbewerte auf bitstamp 1086 USD

    der Markt gegen die Zentralbank "EZB"
    "Wir kaufen alles ausser Gold" google, kapiert? aus der Erinnerung gefischt
    https://www.godmode-trader.de/artikel/draghi-wir-k...

    21:36 Uhr, 02.04.2017
    1 Antwort anzeigen
  • jaja
    jaja

    Alles total außer Kontrolle geraten, politisch so von naiven Trolls initiiert und überhaupt nicht mehr transparent !

    22:53 Uhr, 30.03.2017
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    McPonzi druckt solange Geld, bis ihm die Druckerpresse um die Ohren fliegt, aber das hat er ja schon vor ein paar Jahren angedroht....what ever it takes. Im Übrigen konnte die EZB ihr Mandat nur mit dem schweigenden Einverständis von Merkel&Co. derart missbrauchen.

    Inzwischen funktionieren durch die laufenden Markteingriffe die Gesetze der Ökonomie nicht mehr bzw. nur noch sehr bedingt und bis zum großen Knall werden Notenbanken und Politik weiterhin Zeit kaufen. Spannend wird es nach einer Neuordnung des Finanzsystems. Wird man die Schurken ungeschoren davonkommen lassen? Gibt es in Nürnberg die Volksbelüger Prozesse? Oder regiert der Mob und Frl. Guillotine kümmert sich um die Angelegenheit

    21:34 Uhr, 30.03.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    Mit Verlaub! Was ist jetzt die Neuigkeit? Das Pfeiffen die Spatzen doch schon längst von den Dächern.

    15:25 Uhr, 30.03.2017
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Alles genau richtig, was Transparency International da schreibt ...

    14:51 Uhr, 30.03.2017

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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