Kommentar
16:07 Uhr, 03.06.2022

Hat der Ukraine-Krieg keine wirtschaftlichen Folgen?

Am Dax erkennt man nicht, dass es in Europa Krieg gibt. Werden die Risiken unterschätzt oder hat der Krieg wirtschaftlich wenig Einfluss?

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  • DAX
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Als der Krieg vor über drei Monaten begann, herrschte am Aktienmarkt Panik. Der Dax verlor innerhalb kurzer Zeit fast 20 %. Genauso schnell wie verkauft wurde, wurde dann auch wieder gekauft. Bereits Ende März stand der Dax wieder dort, wo er vor Kriegsbeginn stand. Aktuell liegt der Index nur 12 % unter seinem Allzeithoch. Das erscheint angesichts von Krieg, Geldpolitik und Inflation optimistisch.

Tatsächlich aber scheinen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen bisher in Grenzen zu halten. Die deutsche Wirtschaft konnte im ersten Quartal leicht wachsen. Der Einkaufsmanagerindex der Industrie liegt mit knapp 55 Punkten immer noch deutlich über der Wachstumsgrenze von 50 Punkten. Der Einkaufsmanagerindex der Dienstleister liegt sogar höher als im Februar und März.

Diese Daten überraschen. Intuitiv sind sie nämlich nicht. Der Krieg hat die Preise vieler Rohstoffe steigen lassen. Noch relevanter als Preissteigerungen ist die Verfügbarkeit. Fehlen gewisse Rohstoffe und Vorleistungsgüter, kann schlichtweg nicht produziert werden. Der Krieg führt zudem zu großer Unsicherheit, ob bei Konsumenten oder Unternehmen.

Grundsätzlich ist es möglich, dass Russland jederzeit die Erdgasexporte einstellt. Für die Industrie wäre es ein Desaster. Unter so hoher Unsicherheit lässt sich kaum planen. Investitionen müssen überdacht werden. Trotzdem, in den Daten sieht man all das nicht. Hat der Krieg also geringere Auswirkungen als gedacht?

Nicht unbedingt. Vielmehr treten die wirtschaftlichen Folgen mit Verzögerung auf. Das gilt nicht nur für Deutschland, Europa, sondern auch für Länder, die weiter weg sind, z.B. die USA. Erkennen lässt sich dies, wenn man das Wirtschaftswachstum mit einem wirtschaftlichen Unsicherheitsindex vergleicht.

Auch in den USA ist die Unsicherheit gestiegen. Im Normalfall sollte das Wachstum dem Index folgen (Grafik 1). Die Korrelation aus Unsicherheit und Wachstum ist sehr hoch. Selbst kleinere Anstiege der Unsicherheit wie in der Periode von 2015 bis 2018 verfehlten ihre Wirkung auf das Wachstum nicht.


Was für die USA gilt, gilt auch für Deutschland. Grafik 2 zeigt den Unsicherheitsindex (nicht geglättet). Der Index ist sehr volatil, doch auch hier gilt, dass ein plötzlicher Anstieg des Index mit gewisser zeitlicher Verzögerung zu geringerem Wachstum führt. Der Unsicherheitsindex stieg durch den Krieg auf einen Rekordwert.

In Europa insgesamt wurde kein neuer Rekordwert erreicht (Grafik 3). Durch die engen Verflechtungen der deutschen Wirtschaft und der hohen Abhängigkeit der Industrie von russischem Gas ist nachvollziehbar, weshalb der Index für Deutschland stärker anstieg.

Die Unsicherheit ist real, auch wenn es die Daten noch nicht zeigen. Wirtschaftliche Folgen aufgrund von Unsicherheit zeigen sich mit Verzögerung. Bis sich Lieferengpässe und Investitionsstopps manifestieren, vergehen viele Monate. Laufende Prozesse und Investitionen werden nicht von heute auf morgen gestoppt. Der Kriegsschock wirkt auf zukünftiges Verhalten und nicht so sehr auf das, was bereits läuft und beschlossen wurde.

Der Eindruck, dass die Wirtschaft gut läuft, kann daher täuschen. Die Rechnung für die Unsicherheit wird möglicherweise erst im dritten Quartal präsentiert. Für Deutschland sollte dies zumindest Stagnation bedeuten. Zwar konnten sich die Erwartungen zuletzt etwas verbessern, doch noch immer sind sie so tief, dass man negatives Wachstum erwarten muss (Grafik 4).

Clemens Schmale


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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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