Kommentar
16:16 Uhr, 02.01.2024

Hat der Aktienmarkt ein Gedächtnis?

Hat der Aktienmarkt ein Gedächtnis, dann bestimmt die vergangene Performance die zukünftige maßgeblich mit. In diesem Fall werden die kommenden Wochen interessant.

Interessant werden sie deshalb, weil der Jahresausklang positiv war. Die Jahresendrally war sensationell. Es war die zweitbeste seit 1950 (Grafik 1). Die bisher beste Performance wurde 2020 erreicht. Dafür gab es gute Gründe. Zum einen wurde klar, dass die Pandemie nicht zur Katastrophe führt, Regierungen alle Probleme mit Geld zuschütteten und ein Impfstoff absehbar war.

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2023 gab es diese Katalysatoren nicht. Immerhin aber konnten Anleger die geldpolitische Wende des laufenden Jahres vorwegnehmen. Ein Großteil der guten Performance fand im November statt. Der Dezember war mit einer Performance von knapp 5 % für den S&P 500 zwar gut, aber nicht außergewöhnlich gut (Grafik 2). November und Dezember zusammen waren hingegen etwas, das viele Anleger nur einmal im aktiven Anlegerleben erwarten können.

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Die außergewöhnliche Jahresendrally ist nun Geschichte. Es drängt sich die Frage auf, welche Konsequenzen das hat. Zuerst muss man klären, ob die vergangene Performance auf die zukünftige wirkt. Die Frage lässt sich mit Erfahrungswerten klar beantworten. Nicht umsonst gelten Börsenweisheiten wie „the trend is your friend.“ Es ist wahrscheinlicher, dass sich ein Trend fortsetzt, als dass er sich umkehrt.

Demzufolge sollte der Januar gut werden. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel. Der Januar ist eine Ausnahme. Dies gilt nicht unbedingt, wenn man betrachtet, wie viele Jahresanfangsmonate negativ abschließen, wenn die Jahresendrally oder der Dezember überdurchschnittlich waren.

War die Jahresendrally überdurchschnittlich, schließt der Januar in 45 % der Fälle mit einem Minus ab. Ist der Dezember überdurchschnittlich, sind es 43 %. In allen Jahren liegt der negative Anteil bei 41 % (Grafik 3). Das ist statistisch nicht signifikant. Was hingegen signifikant ist, ist der Performanceunterschied.

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Dieser liegt bei besonders guter Jahresendrally am höchsten. Im Januar ist in diesem Fall nur mit einer Rendite von 0,1 % zu rechnen. In allen Jahren ist es 1 % (Grafik 4). Betrachtet man nur Januarmonate, in denen die vorherige Jahresendrally unterdurchschnittlich war, liegt die Januarperformance sogar bei 2,3 %.

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Ist die Jahresendrally sehr stark, wirkt dies auf den Januar. Im Gegensatz zu dem, was man im Normalfall erwarten würde (Trendfortsetzung), kommt es zu einer Verschnaufpause. Dem Markt geht die Luft aus. Es ist, als ob die Januarperformance vorgezogen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Januar mit einem Minus endet, liegt in etwa bei 50 %. Wie sich das genau in den Performancezahlen widerspiegelt, ist schwer vorherzusagen. Als der Markt 2020 die beste Jahresendrally seit 70 Jahren vorwies, ging es im Januar um über 5 % abwärts.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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