Kommentar
13:00 Uhr, 07.09.2016

Handelt die EZB mit sich selbst?

Das Wertpapierkaufprogramm der EZB ist vielen ein Dorn im Auge. Kritiker erhalten nun neue Argumente.

Als wäre das Wertpapierkaufprogramm der EZB nicht schon schlimm genug, scheint es nun auch noch einen merkwürdigen Auswuchs zu geben. Kurz zusammengefasst steht im Mittelpunkt die Frage: Kauft die EZB Anleihen von sich selbst?

Diese Frage warf das Investmenthaus Jefferies auf. Ihnen fiel eine merkwürdige Divergenz auf. Auf den ersten Blick kann man diese Divergenz nicht erkennen. Die EZB kauft Monat um Monat fleißig Wertpapiere (Grafik 1). Unregelmäßigkeiten sind nicht zu erkennen. Im Durchschnitt wird das angekündigte Volumen erworben.


Die EZB variiert ihre Wertpapierkäufe jeden Monat. Die unterschiedlichen Volumina in jedem einzelnen Monat haben gute Gründe. Die EZB tendiert dazu, im Sommermonat August und im Ferienmonat Dezember weniger Anleihen zu kaufen als in den Monaten direkt davor. Das Handelsvolumen im August und Dezember ist gering. Um den Markt nicht zu sehr zu beeinflussen, zieht die EZB Käufe vor. Soweit, so gut.

Ginge nun alles mit rechten Dingen zu, dann sollte der Bestand an Anleihen in der EZB Bilanz den monatlichen Käufen entsprechen. Kauft die EZB z.B. im September Anleihen im Umfang von 80 Mrd. Euro, dann sollte der Bestand an Anleihen Ende September auch um 80 Mrd. höher sein als zu Beginn des Monats. Es stellt sich allerdings heraus, dass die Rechnung so nicht aufgeht.

Grafik 2 zeigt das Mysterium. Dargestellt sind die monatlichen Käufe von Staatsanleihen sowie die Bestandsveränderung. Eigentlich sollten beide Werte gleich groß sein. Das sind sie jedoch nicht. Im Juni wies die EZB Käufe von 72,072 Mrd. aus. Der Bestand wuchs allerdings nur um 69 Mrd. Es fehlen also gut 3 Mrd.

Jefferies erklärt sich diese Differenz dadurch, dass die EZB Anleihen von sich selbst kauft. Das funktioniert so: Die EZB kauft z.B. Anleihen im Umfang von 69 Mrd., verkauft davon wieder 3 Mrd. und kauft diese 3 Mrd. dann wieder zurück. Sie kann in diesem Fall sagen, dass sie insgesamt 72 Mrd. gekauft hat, doch der Bestand an Anleihen ist um lediglich 69 Mrd. gestiegen.

Die EZB reagiert auf die Vermutung von Jefferies mit zwei Feststellungen. Einerseits bezweifelt sie, dass Jefferies eine absolut korrekte Datenbasis verwendet, andererseits gibt sie zu, dass es Fälle geben kann, in denen sie indirekt Anleihen von sich selbst kauft. Im Rahmen der Arbeit der nationalen Notenbanken wurden schon immer Anleihen gekauft und verkauft. Es kann also sein, dass im Rahmen dieser alltäglichen Transaktionen Staatsanleihen verkauft werden, die dann später wieder in der Bilanz der EZB landen.

Grundsätzlich ist an dieser Praxis nichts auszusetzen. Die EZB bzw. die nationalen Notenbanken müssen ihren Aufgaben nachkommen können. Problematisch ist jedoch, dass sie dadurch ihr selbst gestecktes Ziel nicht erreicht. Die nationalen Notenbanken untergraben vermutlich unbeabsichtigt ihre Kaufziele. Ein wenig fragwürdig ist das schon.

Clemens Schmale

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  • Gone Fishing
    Gone Fishing

    Zu gross, überreguliert, keine flankierenden Massnahmen durch die Fiskalpolitik. In einzelnen, kleineren Ländern der EU liegt die Inflation bei über 10% in anderen mag sie negativ sein, per Saldo kommt null bei raus. Als es noch 27 Zentralbanken waren, konnte die Bank gezielt auf die spezifischen Probleme des Landes reagieren und die Zinspolitik hat noch funktioniert.

    Fehler der Zentralbank betrafen dann auch nur ein Land, wurden relativ schnell offensichtlich und konnten nachträglich korrigiert werden.

    Fehler der EZB werden durch die Unterschiede der Länder über Jahre kaschiert, Änderungen in der Politik dauern weitere Jahre bis sie eine Auswirkung haben. Was für einige Länder gut sein könnte, wird dadurch zunichten gemacht das es andere, denen es sowieso schon gut geht, auch noch bevorteilt (übervorteilt).

    Die Eurozone braucht dringendst die Einführung einer ganz neuen Lesart von Statistiken und Umstrukturierung der Funktionsweise..

    Der ganze Euro sieht aus als ob er so mal nebenher von Sprachschülern der 3ten Klasse am lauen Spätnachmittag entworfen wurde, Note 6.

    17:51 Uhr, 07.09.2016
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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