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10:49 Uhr, 01.11.2018

Handelsstreit zwischen China und USA: „China ist nicht der Verlierer“

Für längerfristig orientierte Anleger gilt laut DJE-Kapital-Finanzexperte Stefan Breintner: Erneute zollbedingte Kursrückgänge bei chinesischen Aktien könnten sich als gute Einstieg- oder Zukaufgelegenheit erweisen.

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  • Hang Seng
    ISIN: HK0000004322Kopiert
    Kursstand: 24.996,54 Pkt (Commerzbank CFD) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Pullach im Isartal (GodmodeTrader.de) – Von Autos über Nahrung bis zu High-Tech: China bietet für zahlreiche Produkte einen der dynamischsten Märkte weltweit. Aufgrund des jüngsten Handelsstreits mit den USA muss aber genauer hingesehen werden, um frühzeitig Risiken und zugleich neue Chancen zu erkennen, wie Stefan Breintner, stellvertretender Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG, in einem aktuellen Marktkommnetar schreibt.

Mitglieder des Researchteams der DJE Kapital AG besuchten regelmäßig die Anlageregion China, um sich vor Ort ein besseres Bild über die aktuelle Entwicklung zu machen. 2018 habe man neben zahlreichen Unternehmen unterschiedlicher Branchen auch verschiedene Industrie- und Branchenexperten sowie einige Regierungsberater getroffen. In den kommenden Wochen reisten Mitglieder des DJE-Researchteams zudem in die USA um sich auch dort ein Bild über die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung sowie über mögliche Auswirkungen (auf US-Seite) des Handelsstreits zu machen. Sowohl an der West- als auch der Ostküste würden zahlreiche Unternehmen besucht, heißt es weiter.

„Vorab aber ein kurzer Rückblick nach Asien: Bei einer Reise nach Shanghai und Umgebung im Frühjahr 2018 waren vor allem die Themen ‚Luftverschmutzung‘ und ‚Food Safety‘ viel diskutiert und im Zentrum des Interesses. Die möglichen Auswirkungen eines Handelskrieges mit den USA standen an nachgeordneter Stelle. Gut ein halbes Jahr später hat sich die Situation stark verändert. Dominierendes Thema bei Unternehmensbesuchen und Konferenzen im September war der Handelskrieg mit den USA und dessen weitere Auswirkungen“, so Breintner.

Die Zolldiskussion lasse die Unsicherheit bei Unternehmen und Verbrauchern ansteigen – mit daraus resultierender Investitionszurückhaltung und abnehmendem Konsumentenvertrauen. Umweltschutz und Kampf gegen die Luftverschmutzung stünden unabhängig davon nach wie vor im Fokus. Allerdings zeigten hier die auch im Rahmen des „Supply-Side-Reformprojekts" erfolgten Kapazitätsschließungen in der Industrie ihre Wirkung: Bilder eines blauen Himmels in Beijing seien in den vergangenen Monaten ein sehr beliebter Post in den chinesischen sozialen Netzwerken gewesen, heißt es weiter.

„Auch über die Wintermonate 2018/19 wird es voraussichtlich weitere Kapazitätsschließungen geben, beispielsweise bei Stahlproduzenten oder bei Unternehmen der chemischen Industrie. Nur wer die strengen Standards und Auflagen erfüllt, darf uneingeschränkt produzieren. Diese im Rahmen der ‚Supply Side Reform‘ implementierten Maßnahmen haben kurzfristig einen dämpfenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum, sollten längerfristig aber positiv zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsentwicklung in China beitragen“, so Breintner.

Kurz- und mittelfristig sei ferner auch eine Belastung des chinesischen Wirtschaftswachstums durch den Handelskrieg mit den USA realistisch. Hintergrund: Seit dem 24. September erhöben die USA auf rund die Hälfte aller Wareneinfuhren aus China Sonderzölle. Hierbei handle es sich aktuell um ein Warenvolumen in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar, welches zunächst einem Zoll von zehn Prozent unterliege. Dieser steige im kommenden Jahr, sofern Washington und Peking den Handelskrieg nicht vorher beilegten oder eine andere Einigung fänden, voraussichtlich auf 25 Prozent an. Unternehmen, die in China für den US-Markt produzierten, seien daher mit deutlich steigenden Importpreisen konfrontiert, welche einen negativen Einfluss auf die Profitabilität hätten – sofern nicht deutliche Preiserhöhungen durchgesetzt würden, heißt es weiter.

„US-Präsident Donald Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping planen sich am Rande des G20-Gipfels Ende November dieses Jahres in Argentinien zu treffen und über die Handelsstreitigkeiten zu sprechen. Aufgrund der zuletzt tendenziell enttäuschenden chinesischen Wirtschaftsdaten steigt der Druck auf Peking mit den USA eine Lösung zu finden. Eine Beilegung des Handelsstreits bzw. chinesische Zugeständnisse an die USA und damit ein möglicher Verzicht auf weitere Zölle dürften von Investoren und Aktienmärkten sehr positiv aufgenommen werden und zu entsprechender Kurserholung an vielen, vor allem von China abhängigen Börsenplätzen führen. Ob es aber noch im Jahresverlauf zu einer Lösung im Handelsstreit kommt, ist nicht seriös prognostizierbar“, so Breintner.

Anleger sollten auch ein Szenario berücksichtigen, in dem es zu keiner Einigung komme sowie die Möglichkeit bestehe, dass die US-Regierung das gesamte Einfuhrvolumen der USA aus China mit Sonderzöllen belege. In diesem Fall würden weitere chinesische Waren im Wert von rund 267 Milliarden US-Dollar mit Sonderzöllen von 25 Prozent belegt. Sollten die USA wirklich diese dritte Phase einleiten, könnte die chinesische Regierung aber auch weitere Gegenmaßnahmen erlassen. So habe China bisher mit Zöllen auf US-Produkte im Umfang von 60 Milliarden US-Dollar reagiert. Lokale Marktbeobachter hielten es für wahrscheinlich, dass im Falle einer weiteren Zuspitzung auch US-Unternehmen, die in China aktiv seien und für die das Land ein wichtiger Teil ihrer Wachstumsstory sei, in den Fokus gerieten, heißt es weiter.

„Es besteht also auch das Risiko, dass der Handelskrieg zu einem weiter gefassten Wirtschaftskrieg wird und US-Geschäfte in China direkt belangt werden könnten. Eine erneute Eskalation dürfte die Börsen weiter belasten. Der chinesische CSI 300-Index und der Hang Seng-Index in Hongkong haben von Ihrem Höchststand bereits mehr als 25 Prozent verloren. Insofern erscheint hier bereits ein Teil der durch den Zollkonflikt bedingten erwarteten Wachstumsabschwächung eingepreist“, so Breintner.

Der Welthandel dürfte generell unter verschärften Zollerhebungen leiden. Schätzungen gingen bisher von bis zu einem Prozent Wachstumsabschwächung in China durch die US-Zollpolitik aus. China arbeite aber seit Jahren daran, die Binnenkonjunktur (Konsum, Service) zu stärken und den Exportanteil zu verringern, damit das Land weniger abhängig vom Ausland sei. Darüber hinaus habe die chinesische Regierung auch bereits begonnen monetär zu stimulieren, heißt es weiter.

„Unter anderem hat die Chinesische Notenbank zuletzt am 8. Oktober die Mindestreserve-Anforderungen für Banken – also das Level an Bargeld, welches Banken als Reserve halten müssen – erneut gesenkt und damit Liquidität im dreistelligen Milliarden-Bereich an USD zur Verfügung gestellt. Weitere Stimulierungsmaßnahmen folgen: So wurde vergangenes Wochenende bekannt gegeben, dass die Einkommensteuer ab 1. Januar 2019 gesenkt wird. Auch im Immobilien-Bereich wird gelockert, Preisobergrenzen für Immobilien könnten bald in mehreren Städten aufgehoben werden“, so Breintner.

Allerdings wirkten solche Maßnahmen immer erst mit Zeitverzug – und könnten daher erst im Laufe des Jahres 2019 eine positive Wirkung auf die Entwicklung des volkswirtschaftlichen Wachstums haben. China habe insgesamt viele Möglichkeiten zu stimulieren und sollte daher letztendlich nicht der Verlierer des Handelskriegs sein. Exportnationen wie Deutschland dürften vom chinesisch-amerikanischen Handelskonflikt deutlich stärker betroffen sein. China selbst dürfte heute nicht stärker von der weltweiten Exportkonjunktur abhängig sein als die USA oder Japan, heißt es weiter.

„Mit Blick auf die Anlageperspektiven in China bzw. in der Region Asien Pazifik ist die Unsicherheit kurzfristig hoch. Die von DJE verwalteten Asienfonds verfügen daher aktuell über eine höhere Kassenposition und sind vor allem in defensiven Sektoren übergewichtet. Im Falle einer Einigung oder einer Beilegung des Zollstreits könnten die Kassenbestände allerdings schnell in strukturell gut positionierte Werte aus zyklischen Sektoren, deren Kurse unter dem Handelsstreit massiv gelitten haben, umgeschichtet werden. Im Falle einer Verschärfung der Zollstreitigkeiten sollte die defensive Positionierung zu einem relativ besseren Abschneiden führen. Durch die Stimulierungsmaßnahmen der chinesischen Regierung könnte aber auch im Laufe des kommenden Jahres wieder eine Wachstumsphase beginnen. Fazit für längerfristig orientierte Anleger: Erneute zollbedingte Kursrückgänge könnten sich daher als gute Einstieg- oder Zukaufgelegenheit erweisen“, so Breintner.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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