Fundamentale Nachricht
14:40 Uhr, 16.07.2018

Handelskrieg: Profitieren Value-Aktien?

Die „Wie-du-mir-so-ich-dir"-Politik verheißt laut Norm Boersma, CIO der Templeton Global Equity Group, nicht viel Gutes für das globale Wachstum.

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  • Dow Jones
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    Kursstand: 25.039,03 $ (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Minneapolis (GodmodeTrader.de) - Es wird zunehmend von einem „Handelskrieg“ zwischen den USA und mehreren ihrer wichtigsten Handelspartner gesprochen. China trägt die Hauptlast der US-Zölle, die sich auf eine Vielzahl von Waren beziehen, und hat seinerseits Vergeltungsmaßnahmen angedroht. So ist zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt eine Situation des „Wie du mir, so ich dir“ entstanden, wie Norm Boersma, CIO der Templeton Global Equity Group, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Boersma versucht die Ursachen der aktuellen Handelsspannungen zu ergründen. Obwohl sich der Aufwärtsdruck auf Inflation und Zinsen, der sich gegen Ende des Zyklus aufgebaut habe, durch die Situation verstärken könnte, was Value-Aktien zugutekommen könnte, die von einem solchen Umfeld profitieren könnten – glaubt Boersma, dass die aktuellen Entwicklungen insgesamt nicht viel Gutes für das weltweite Wachstum und die globale Zusammenarbeit verheißen.

„Die Handelsspannungen haben in den letzten Monaten für Schlagzeilen gesorgt und scheinen sich in letzter Zeit zuzuspitzen, doch ihre Ursachen liegen tiefer. Die Globalisierung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt und ausgeweitet – zugunsten von Verbrauchern aus dem Westen, Herstellern aus den Schwellenmärkten und der Weltwirtschaft im Allgemeinen. Sie hat dazu beigetragen, Millionen von Menschen aus der Armut zu befreien, und die weltweite Mittelschicht erheblich gestärkt. Aber die Vorteile der Globalisierung sind nicht gleichmäßig verteilt. Fabrikarbeiter im Westen mussten zusehen, wie ihre Jobs ins Ausland abwanderten, und es fiel ihnen schwer, sich an die neue Wirtschaftslandschaft anzupassen. Verständlicherweise waren sie mit der Globalisierung unzufrieden“, schreibt Boersma.

Die Finanzkrise vor zehn Jahren habe die Situation nicht besser gemacht, ebenso wenig wie die Reaktion der Politik, die zwar die Vermögenspreise in die Höhe getrieben habe, wie Anleger gehofft hätten, aber nicht die Lohninflation bewirkt habe, nach der sich die Arbeiter gesehnt hätten. Aus diesen und anderen Gründen seien protektionistische Strömungen in den entwickelten Märkten allgemein im Aufstieg begriffen. In den USA seien sie in der Plattform „America first“ von Präsident Donald Trump zum Ausdruck gekommen. Das Problem liege jedoch darin, dass protektionistische Maßnahmen auf lange Sicht selten ihre Versprechen hielten, heißt es weiter.

„Die angekündigten Zölle Trumps – die auf eine lange Liste von Waren abzielen, darunter Stahl, Aluminium, Solarmodule und Haushaltsgeräte – sind Teil einer protektionistischen Haltung, zu der auch der Austritt Amerikas aus der Transpazifischen Partnerschaft und eine laufende Untersuchung der chinesischen Praktiken hinsichtlich geistigen Eigentums zählen. Zu Juni 2018 hatte das Amt des Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten mehr als 1.000 chinesische Produkte im Wert von über 50 Milliarden US-Dollar nach Handelswerten für 2018 ins Visier genommen. Die Zölle werden nach und nach eingeführt und konzentrieren sich primär auf die wichtigsten Industriegüter und Technologien, die an die Initiative ‚Made in China 2025‘ geknüpft sind“, so Boersma.

Die Erhebung von Zöllen sei kein neues Phänomen der amerikanischen Handelspolitik. Jeder Präsident seit Jimmy Carter habe eine Art von protektionistischen Handelsbeschränkungen auferlegt, häufig für Stahl. Für sich betrachtet werde außerdem kaum einer der von Trump eingeführten Zölle großen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Die bedeutendsten – Stahl- und Aluminiumimporte – würden das Bruttoinlandsprodukt der USA auf kurze Sicht lediglich um 0,2 Prozent pro Jahr senken. Neu an diesen Maßnahmen sei ihr Kontext. Sie kämen zu einer Zeit, in der Amerika sich nach innen wende, weg von seiner langjährigen Rolle als Verfechter eines freien Marktkapitalismus, der internationalen Zusammenarbeit und anderen Grundsätzen, die mit der Globalisierung einhergingen. Der Grund, aus dem der aktuelle Zeitpunkt besonders gefährlich sei, sei das erhöhte Potenzial für besorgniserregendere Formen der Vergeltung, insbesondere seitens Chinas, da Präsident Xi Jinping derzeit darauf bedacht sei, eine Alternative zu den Werten und der Vorherrschaft der USA zu bieten, heißt es weiter.

„Unseres Erachtens liegt das wahre Risiko darin, dass die bisher eingeführten Zölle nur der Startschuss in einem umfassenden, multilateralen Handelskrieg waren, der die Weltwirtschaft auf breiter Basis betrifft. Das vielleicht größte Pulverfass in diesem potenziellen Konflikt sind die geistigen Eigentumsrechte im Technologiesektor. Eine Untersuchung der chinesischen Praktiken hinsichtlich geistigen Eigentums durch den Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten kam in einer Studie aus dem Jahr 2017 zu dem Schluss, dass Chinas Diebstahl von geistigem Eigentum amerikanische Firmen pro Jahr bis zu 600 Milliarden US-Dollar kostet“, so Boersma.

Ein sich ausweitender Handelskrieg zwischen China und den USA bedeute steigende Preise für Verbraucher und wohl eine Beschleunigung der Inflation und somit Aufwärtsdruck auf die Zinsen. Alles in allem würde er wahrscheinlich dazu führen, dass der Wohlstand und die Sicherheit in beiden Ländern abnähmen. Doch Zölle seien nicht die einzige protektionistische Maßnahme der USA. Anfang des Jahres habe der Kongress ein Gesetz eingebracht, um Regierungsgeschäfte mit zwei chinesischen Telekommunikationsunternehmen zu verhindern (auch wenn Präsident Trump im Falle einer dieser beiden Firmen seither den Zugang zum US-Markt verteidigt habe). Außerdem habe Präsident Trump den ungewöhnlichen Schritt unternommen, die Übernahme eines US-Speicherchipherstellers durch einen Wettbewerber aus Singapur abzublocken. Er habe sich dabei auf nationale Sicherheitsbedenken bezogen, heißt es weiter.

„Obwohl das Risiko eines eskalierenden Handelskriegs aus unserer Sicht eindeutig negativ für das weltweite Wachstum und die globale Zusammenarbeit ist, könnte der Dominoeffekt einer höheren Inflation und steigender Zinsen die nachteiligen Konsequenzen für wertorientierte Aktien abfedern. Das ist darin begründet, dass Value-Aktien häufig auf zins- und inflationssensitive Sektoren wie Finanzwerte und Rohstoffe konzentriert sind“, so Boersma.

In zehn der vergangenen elf Jahre hätten Value-Aktien schlechter abgeschnitten als Wachstumswerte. Dies sei einer der bisher längsten und tiefsten Bärenmärkte für diesen Anlagestil. Eine wesentliche Ursache für die Schieflage bei Value-Aktien seien künstlich niedrige Zinsen, die den Wert des Geldes verfälscht und Anleger in ihrer Suche nach Wachstum und Rendite aus der Risikokurve gezwungen hätten, heißt es weiter.

„Die fortwährende Normalisierung der US-Zinsen könnte wertorientierte Aktien und andere spätzyklische Nutznießer wie Finanzwerte, Energietitel und europäische Märkte unterstützen. Aufgrund ihrer starken Präsenz in zins- und inflationssensitiven Sektoren wie Finanzwerten und Rohstoffen entwickeln sich europäische Märkte gegen Ende des Zyklus in der Regel gut. Europäische Firmen haben deutlich weniger als ihre US-Pendants verdient, während sie zu historischen Bewertungsabschlägen notierten. Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen normalisieren, bietet dies Spielraum für Ergebnisverbesserungen und höhere Multiplikatoren. Insgesamt sehen wir im Risiko eines eskalierenden Handelskriegs eine Negativbilanz für das weltweite Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Aktienmärkte. Auch wenn wertorientierte Portfolios mit Blick auf ein spätzyklisches Umfeld steigender Zinsen recht gut aufgestellt zu sein scheinen, geben eskalierende Handelsspannungen weltweiten Anlegern dennoch Anlass zur Sorge“, so Boersma.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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