Kommentar
20:46 Uhr, 03.08.2015

Griechenland: So schlimm war's doch gar nicht

Vielleicht klingt es wie Hohn, wenn man einen Kurssturz von über 16% als "nicht so schlimm" bezeichnet, doch bedenkt man die Umstände, dann hat sich der Markt gut gehalten.

Der ASE Index (Athens Stock Exchange General Index) eröffnete heute mit einem Minus von 22% und schloss mit einem Minus von 16%. Ein Großteil der Bewegung geht auf Bankentitel zurück. Diese verloren allesamt ziemlich genau 30%, was dem Tageslimit für Kursbewegungen entspricht. Mehr als 30% kann eine Aktien an einem Tag nicht gewinnen oder verlieren. Der Handel wird bei Erreichen des Limits gestoppt. Das geschah bei Bankaktien im Prinzip sofort nach Eröffnung, sprich, wer heute mit seinen Verkaufsorders noch nicht durchgekommen ist (und davon gibt es viele), kommt vielleicht morgen zum Zug.

Der morgige Tag wird an der Athener Börse vermutlich noch keine Gegenbewegung bringen, weil Bankaktien weiter verlieren dürften. Mit einem Abschlag von 30% ist sicherlich noch nicht das ganze Ausmaß des Desasters eingepreist. Bankaktionäre sind dabei mit zwei Problemen konfrontiert, wenn sie sich ein Bild vom fairen Kurs machen wollen. Einerseits fehlt den Banken Kapital und andererseits entgehen Banken durch die Kapitalverkehrskontrollen wichtige Einnahmequellen.

Die Frage der Rekapitalisierung ist noch lange nicht geklärt. Wer optimistisch ist, der hofft auf die Klärung Anfang des vierten Quartals. Die Banken selbst gehen nicht von einer so schnellen Lösung aus. Fast alle Banken veröffentlichten heute Statements, in denen sie davon ausgehen, dass der Kapitalbedarf Ende des Jahres geklärt sein wird. Vor Ende 2015 wissen Anleger also nicht einmal, wie viel Kapital fehlt.

Bisher werden Größenordnungen von 25 Mrd. Euro herumgereicht. Kommt das so und wird dieses Geld über den griechischen Stabilitätsfonds bereitgestellt, dann übernimmt dieser Fonds die Banken de facto komplett. Aktionäre müssten sich auf eine massive Verwässerung einstellen. Allein diese Aussicht rechtfertigt die Halbierung der Kurse.

Das zweite Problem sind die wegfallenden Umsätze. Griechen können nur sehr begrenzt Bankgeschäfte tätigen. Darüber hinaus ist der Kreditmarkt tot. Beides dürfte die Einnahmen der Banken um mindestens ein Drittel zurückgehen lassen. Gleichzeitig werden die Kreditausfälle wieder zunehmen und die Kosten der Banken steigen. Die Alpha Bank veröffentlichte in ihrer Mitteilung die Höhe der EZB Notkredite. Diese stehen bei 23 Mrd. EUR. Diese Notkredite kosten ungefähr 1,5% mehr als das Geld, welches Banken normalerweise über die EZB beziehen können (hier werden 0,05% gezahlt).

Wenn es um griechische Banken geht, dann kann man als Anleger momentan nur die Beine in die Hand nehmen - sofern man überhaupt zum Verkauf kommt und der Handel nicht schon vorher gestoppt wird. Bankaktien verloren heute 3,9 Mrd. ihrer zuletzt gültigen 13 Mrd. Euro Marktkapitalisierung. Morgen könnten bei Ausschöpfung des Tageslimits von 30% noch einmal 3 Mrd. folgen.

Der Gesamtmarkt gemessen am ASE General Index verlor heute übrigens 7,4 Mrd. Euro an wert (Grafik 1). Die Banken machten mit 3,9 Mrd. den Großteil davon aus. Der ASE General Index, der fast 100% des Marktes repräsentiert, hat heute per Börsenschluss noch ein Gewicht von 35,5 Mrd. Der Leitindex Athex, der die größten Unternehmen abbildet, bringt es derzeit noch auf 24 Mrd.

In einigen Medienberichten war von deutlich niedrigeren Marktkapitalisierungen zu lesen (ca. 10 Mrd. für den Athex). Wie man auf diese Zahlen kommt ist rätselhaft. Die Athener Börse veröffentlicht die Marktkapitalisierung aller Unternehmen tagesaktuell. Zählt man die Werte zusammen, dann erhält man die in den Grafiken dargestellten Größenordnungen.

In den Grafiken ist auch ein Indikator gezeigt. Es handelt sich dabei um das Kurs-Umsatz Verhältnis. Die im ASE Index enthaltenen Unternehmen erwirtschafteten nach ihren letzten Geschäftszahlen zusammen einen Umsatz von 77 Mrd. Euro. Nach dem heutigen Kurssturz kann man einen Euro Umsatz um 0,459 Euro kaufen. Beim Athex sieht es mit 0,407 noch günstiger aus, allerdings haben Banken hier ein großes Gewicht. Würde man Banken außen vor lassen, dann reduziert sich das Verhältnis noch einmal um einige Punkte.

Das Kurs Umsatz Verhältnis ist natürlich nur bedingt aussagekräftig. Die letzten Geschäftszahlen stammen häufig noch aus den Zeiten bevor die Regierung ihr "Wunderwerk" tat. Mit der aktuellen Krise dürften die Umsätze der Unternehmen gut und gerne 20% zurückgehen, denn letztlich befindet sich das Land durch die Kapitalverkehrskontrollen in einer neuen wirtschaftlichen Depression. Eigentlich wäre das ein guter Kaufzeitpunkt, wenn man nur zumindest ein vages Vertrauen haben könnte, dass die Regierung die Reformen dieses Mal wirklich umsetzt...

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2 Kommentare

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  • Chronos
    Chronos

    Es gibt nur 3 gr. Werte die im Ansatz interessant sind, Bank ist keine dabei, wenn überhaupt ausser GNB eine übrig bleibt.

    Den Zahlen zu trauen ist schon blauäugig, der Chefstatistiker ging ja schon freiwillig.

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/athener-stat...

    23:12 Uhr, 03.08. 2015
  • Austrochris
    Austrochris

    Lieber Herr Schmale !

    Das dicke Ende kommt noch !

    21:12 Uhr, 03.08. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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