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08:53 Uhr, 08.05.2012

Griechenland: Nach der Wahl ist vor der Wahl?

Athen (BoerseGo.de) – Die Zeichen in Athen stehen unmittelbar nach der Parlamentswahl auf Neuwahlen. Nach dem Scheitern des Konservativen Antonis Samaras, Chef der stärksten griechischen Partei Nea Dimokratia, wird vermutlich die Linksallianz Syriza versuchen, eine neue Regierung zu bilden.

Samaras erklärte am Abend in Athen, er habe das Mandat an den Präsidenten zurückgegeben. "Ich habe versucht, eine Lösung für eine Regierung der nationalen Rettung mit zwei Zielen zu finden", sagte Samaras in einer Fernsehansprache. "Das Land soll im Euroraum bleiben und die politische Ausrichtung des Rettungspakets über Neuverhandlungen geändert werden." Er habe alles versucht. Aber entweder hätten andere Parteien die Teilnahme abgelehnt oder eine Bedingung für ihre Teilnahme gestellt, die andere nicht akzeptiert hätten.

In Athen wird nun erwartet, dass Präsident Karolos Papoulias im Laufe des Tages dem Vorsitzenden der Radikalen Linken (Syriza), Alexis Tsipras, den Auftrag zu einer Regierungsbildung erteilt. Die Linksallianz wurde bei der Wahl am Sonntag die zweitstärkste Kraft, lehnt aber den bisherigen Sparkurs entschieden ab. Tsipras erklärte am Montag, seine Partei lehne die Thesen der Konservativen ab. Sie stünden im Widerspruch zu den Positionen, die Syriza vertritt. Samaras habe das Sparprogramm unterzeichnet und deswegen gebe es keinen Spielraum für eine Kooperation mit ihm.

Athen steht nun vor einem Scherbenhaufen: Keine der sieben ins Parlament gewählten Parteien kommt auf mehr als 20 Prozent der Stimmen, es gibt keine Mehrheit für oder gegen die Sparpolitik. Die beiden bisher größten Parteien Griechenlands, ND und die sozialistische Pasok, hatten bei der Wahl eine gemeinsame Mehrheit um zwei Mandate verpasst. Sie hatten den bisherigen Regierungschef Lukas Papademos gestützt und sich im Wahlkampf als einzige weitgehend zu den Reformauflagen von EU und IWF bekannt.

Die EU-Kommission sagte Athen unterdessen weitere Unterstützung beim Spar- und Reformkurs zu. Die Parteien müssten jetzt eine Regierung mit stabiler Mehrheit bilden, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Vorabend. Die Furcht vor einem lang anhaltenden politischen Chaos im hoch verschuldeten Griechenland drückten am Montag vor allem die Finanzwerte in Athen ins Minus. Der entsprechende Branchenindex stürzte um bis zu 19,6 Prozent auf den tiefsten Stand seit Mitte Januar.

Sollte bis zum 17. Mai keine neue Regierung zustande kommen, wird es Neuwahlen geben. Der Konsolidierungskurs in Athen steht mit dem Scheitern Samaras' aber vor dem wahrscheinlichen Aus. Christoph Weil von der Commerzbank sagte am Montag, er rechne bei einem Ausbleiben der Hilfen damit, dass Griechenland spätestens im Herbst seine Zahlungsverpflichtungen nicht mehr vollständig erfüllen könne.

Bis Juni verlangt die Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank weitere Sparanstrengungen über 11,5 Milliarden Euro im Gegenzug für frisches Geld. Am 19. Mai will die Troika die Fortschritte bei den von ihr geforderten Reformen in Athen inspizieren.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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