Kommentar
06:40 Uhr, 14.07.2015

Griechenland-Einigung: das Schlechteste von allem

Europa hat es der Welt wieder einmal gezeigt wie man einen Kompromiss aushandelt. Was jetzt als Einigung gefeiert wird ist alles andere als gut und die Lösung des Problems ist es erst recht nicht.

Politiker beklagen sich, dass die Menschen in Europa politikverdrossen sind, immer seltener wählen und wenn sie wählen zum rechten oder linken Spektrum am Rand tendieren. Nach den letzten Wochen und insbesondere den letzten Tagen kann das niemanden mehr verwundern.

Die Eurozone hat einen Kompromiss gefunden, der das schlechteste von allem beinhaltet. Dabei geht es nicht nur um den Inhalt der Erklärung, sondern auch um die Kommunikation. Zuletzt gab es in der Eurozone zwei Lager. Das eine - unter Führung Italiens und Frankreichs - wollte eine Eignung um jeden Preis. Griechenland sollte unter allen Umständen in der Eurozone gehalten werden. Das andere Lager, unter Beteiligung Deutschlands und Finnlands, wollten keine Einigung um jeden Preis. Ein Grexit wurde für möglich gehalten.

Das erste Lager warf dem zweiten vor, den europäischen Gedenken zu verletzten und sah gleich ganz Europa in Trümmern. Die anderen sahen den Grexit keineswegs als Kapitulation des europäischen Gedankens, sondern als einzig sinnvollen Ausweg. Letztlich saßen dann über 20 Parteien (Eurogruppe, EZB, IWF) an einem Tisch. Es gab mindestens 30 Meinungen. Diskutiert wurden 40 Alternativen. Am Ende wurde nicht das Beste aller Alternativen genommen, sondern das Schlechteste.

In der Konsequenz geht nun die internationale und auch die deutsche Presse auf Schäuble, Merkel und Deutschland im Allgemeinen los. Die Rede ist davon, dass Deutschland Griechenland zur Kapitulation gezwungen und seinen Willen durchgesetzt hat. Wäre dem so, dann hätte es den Grexit wohl inzwischen gegeben. So einfach ist es also nicht, wie es teils dargestellt wird.

Die Gruppe um Deutschland stimmte einem Verbleib Griechenlands in der Eurozone zu, weil es Frankreich und Co. forderten. Im Gegenzug mussten Frankreich und Co. den Forderungen der Gruppe um Deutschland nachgeben, ganz strikte Kontrollen durchführen zu können, da die Vertrauensbasis zerstört ist.

Griechenland stand bei diesem Kompromiss nicht im Zentrum. Die Bedingungen sind nicht viel anders als die, die Griechenland selbst vorgeschlagen hat. Dennoch wirkt es jetzt so, als wäre alles noch sehr viel drakonischer als jemals zuvor. Der Eindruck rührt vor allem daher, dass Griechenland nun unter einer extrem strikten Kontrolle agieren muss. Im übertragenen Sinne kann Griechenland nun nicht mehr aufs Klo gehen, ohne dass jemand in Brüssel zustimmt und genau zuschaut. Das wird zurecht als unwürdig bezeichnet.Länder wie die Niederlande halten das für angebracht, weil das Vertrauensverhältnis einfach nicht mehr vorhanden sei.

Jetzt steht die Eurozone nicht besser da als noch vor ein paar Tagen. Griechenland steht ein absoluter Abstimmungsmarathon bevor. Widerstand regt sich bereits. Das ist zwar merkwürdig, weil die Inhalte der Bedingungen größtenteils mit den Vorschlägen aus Athen übereinstimmen. Der größte Unterschied ist vor allem die sehr strikte Kontrolle.

Ob Griechenland seine Souveränität aufgeben will darf man bezweifeln. Für die Euroländer war das nun aber der Kompromiss, damit Frankreich und Deutschland ihren Willen bekamen. Darunter leidet nun Griechenland. Zudem ist die Einigung auch noch lange nicht in trockenen Tüchern. Passieren die Vorschläge das griechische Parlament gibt es erst einmal eine Absichtserklärung zur Verhandlungsaufnahme.

Sollte ein drittes Programm beschlossen werden, dann wird es gut 80 Mrd. Euro umfassen. Damit kann Griechenland den bestehenden Verpflichtungen bis 2020 nachkommen. Geht es dem Land dann nicht wesentlich besser, dann liegt die Schuldenlast bei über 200% der Wirtschaftsleistung ohne Perspektive auf Wachstum.

Kritiker der Einigung werfen vor allem Deutschland vor, dass weitere Einsparungen sinnlos sind. Mir persönlich fehlt an dieser Kritik die Alternative. Es wird davon gesprochen, dass man expansive Politik betreiben muss, aber von welchem Geld? Ist ein Staat pleite, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder er druckt Geld, investiert es und löst das Schuldenproblem über die Inflation oder das Land geht durch eine Depression wegen des Deleveraging Prozesses. Beides soll letztlich auf eines hinauslaufen: eine gesundere Wirtschaft.

Expansiv zu sein fällt schwer, wenn man keine eigene Währung hat. Ebenso hilft es nicht, wenn man nun einer Regierung 100 Mrd. in die Hand drückt. Es wird so getan als sei das die Lösung, doch einfach Geld ausgeben macht eine Wirtschaft nicht wettbewerbsfähiger. Es verzögert den Anpassungsprozess um einige Jahre, mehr nicht.

Wie dem auch sei, über den Inhalt der vorläufigen Einigung muss man gar nicht lang debattieren. Die Euroländer sind sich verbal gegenseitig an die Kehle gegangen. Die gegenseitigen Vorwürfe waren hart, der dann gefundene Kompromiss so offensichtlich schlecht und am eigentlichen Thema vorbei, dass es einem die Sprache verschlägt.

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22 Kommentare

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  • Gone Fishing
    Gone Fishing

    Politische Ideologien haben wiederum einen Phyrrus-Sieg davongetragen. Die Auflagen die an die Rettungspakete gekoppelt sind, schrumpfen die griechische Wirtschaft, zerstören den Mittelstand und machen die Rückzahlung der Schulden unmöglich. Es ist mir unverständlich warum ein wirtschaftliches Problem nicht mit praktischen Massnahmen angegangen werden kann, die in erster Linie das Wirtschaftswachstum fördern und nicht das kurzfristige Steueraufkommen maximieren. Jeder Arbeitsplatz der in der Privatwirtschft vernichtet wird, erhöht die Staatsquote noch mehr, und genau das passiert seit 5 Jahren. Ich sehe 200-300tausend neue Arbeitslose auf Jahresfrist, allein aus der Massnahme der MWST-Erhöhung im Gaststättengewerbe. Der Ausfall von Sozialversicherungsbeiträgen wird ein geringfügig höheres Mwst.- Aufkommen bei weitem übersteigen. Die Massnahmen sind einseitig und kurzsichtig.

    Solange die Banken noch die Hauptgläubiger waren verständlich, seit es sowieso Europa ist, ist die Art der Auflagen, die eine Verschärfung des Problems beinhalten, nicht nachvollziehbar.

    Das von Europa als alternativlos aufgestellte troikanische Pferd ist Griechenlands Untergang - auf Sicht der nächsten 50 Jahre.

    19:55 Uhr, 14.07.2015
  • mkgeld
    mkgeld

    Wenn die Südstaaten sich an den Euro klammern sollten wir einfach die DM wieder einführen. Damit würden wir denen wieder helfen und der Euro könnte abwerten. Stabile Währung sind Gift für diese Länder

    11:30 Uhr, 14.07.2015
  • HumphreyWeyden
    HumphreyWeyden

    Geht es hier zu den zu Sterntagebüchern ?

    Kann mir jemand erklären, wie Herr Schmale seinen Artikel am 14.7. um 6:07 Uhr veröffentlicht, aber der erste Kommentar bereits vom 13.07. um 20:52 Uhr stammt. (???)

    Ist da der Kommentator vom Dienstag dem Schmale vom Montag begegnet ?

    10:54 Uhr, 14.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Ragazzo
    Ragazzo

    @wuwei:es gibt auch Deutsche, die nicht mehr an Europa glauben . Dennoch müssen wir unentwegt zahlen.Unsere Infrastruktur ist marode,weil wir uns den Erhalt und Ausbau nicht mehr leisten können, es muss gespart werden für die schwarze Null. Der Berliner Flughafen soll nun erst 2022 eröffnet werden, die Politik kriegt es einfach nicht hin. Die Arbeitnehmer werden aufmüpfig. Soviele Streiks, die mit großer Härte geführt wurden, wie in diesem Jahr gab es im Nachkriegsdeutschland noch nie.Immer mehr Deutsche haben überhaupt keine Lust mehr zu den Wahlen zu gehen. Uns allen hängt das Politspektakel zum Halse heraus.

    09:15 Uhr, 14.07.2015
  • Kaputtnick
    Kaputtnick

    Zitat aus dem Interview von Yanis Varoufakis

    YV: Heutzutage schockiert mich nichts mehr – unsere Eurozone ist ein sehr feindseliger Ort für anständige Menschen.

    so seh ich das auch

    07:37 Uhr, 14.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • dieter22
    dieter22

    Wer hat einen besseren Vorschlag hat soll ihn nach Brüssel schicken . Aber genau sagen wie es dem Griechischem Volk danach geht. Und keine Geschichten schreiben.

    07:31 Uhr, 14.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • wuwei
    wuwei

    hier gab es drei verliererr, europa selbst denn nun gibst es keinen europ. Gedanken mehr, entweder man macht das was Deutschland will, oder man wird gedemütigt.

    Die Griechische Bevölkerung ist der größte Verlierer, denn die dürfen nun die Merkels und Schäubles Rache für das Referendum ausbdaden.

    Aber dauch das Ansehen Deutschlands in Europa und der Welt wurde erheblich beschädigt.

    Merkel kann sich nun das TTip abschminken,denn sie wird nichts mehr in Europa anordnen können, ohne das hundert Tausende auf die Strasse gehen.

    Ab nun werden es die Menschen in Europa nicht mehr hinnehmen von Deutschland gesagt zu bekommen, wo es lang geht. und das ist das einzig positive an der ganzen Geschichte.

    Die etablierten Parteien werden eine Wahlniederlage nach der anderen erleben, und das verdanken sie Tsipras.

    Das wissen sie und Greichenland wird dafür bestraft.

    Das nennt man europ. Demokratie, nur inwzischen haben die naivsten kapiert wem Merkel und Co wirklich dienen,!

    So gesehen war es für die Demokratie in Europa ein guter Deal.

    Ja es ist Vertraeuen verloren gegangen, aber nicht in die Griechen sondern an unsere Europaretter.

    Es wird einen Ruck durch Europa geben, und das darf sich Merkel auf ihre Fahne schreiben.

    sie hat Europa lange genug an die Wand gefahren, aber nun werden die Menschen in euopa aufstehen und sich gegen sie und Deutschland stellen.

    Dieser Sieg war in wirklichkeit für sie eine Niederlage.

    Außerhalb von Deutschland wo es auch noch länder gibt, wo nicht auschließlich die Pensionisten (Mutti wählen) die wahlen entscheiden, wird es Bewegung geben.

    und das ist das beste was diesem korrupten Euopa basieren konnte.

    21:06 Uhr, 13.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    Wie vor Wochen vorausgesagt. Die Pflaumen namens Juncker und Merkel und der Franz. Superpräsident haben sich mal wieder durchgesetzt.

    Ein Ausscheiden aus dem Euro wäre das "Einzig" sinnvolle gewsen.

    20:53 Uhr, 13.07.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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