Kommentar
08:20 Uhr, 23.02.2015

Griechenland: Der Kompromiss, der keiner ist

Was war die Erleichterung am vergangenen Freitag doch groß! Ein Kompromiss wurde gefunden. Die eingegangenen Kompromisse lassen sich jedoch kaum erkennen. Statt eines Kompromisses ist die Einigung ein Diktat, welches die Situation keineswegs verbessert.

Im Grunde genommen bleibt alles beim Alten. Das Reform-Memorandum zum Hilfsprogramm bleibt in Kraft. Änderungen gibt es lediglich in einem Detail: dem Primärüberschuss. Der Haushaltsüberschuss ohne Berücksichtigung von Zinszahlungen soll dieses und nächstes Jahr den wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst werden. Das ist so unkonkret wie es nur geht. Ursprünglich sollten er in diesem Jahr 3% der Wirtschaftsleistung betragen. Das ist nun aufgeweicht, um Spielraum zur Bekämpfung der „humanitären Krise “ zu haben.

Das lässt erst einmal einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Sowohl wirtschaftliche Bedingungen wie auch humanitäre Krise können so ausgelegt werden, wie man gerade eben will. Das kommt der griechischen Regierung gelegen. Das kann sie als Sieg verkaufen, was auch dringend notwendig ist. Schäuble äußerte sich gewohnt direkt und analysierte, dass die Regierung es wohl schwer haben würde, die Einigung den Wählern gut zu verkaufen.

Das Statement lässt sich verkaufen. Es ist dafür oberflächlich genug. Liest man es genau, dann wird aber auch schnell klar, dass Griechenland überhaupt keinen Spielraum hat. Alle Änderungen der vereinbarten Reformen müssen abgestimmt und genehmigt werden. Die Troika (neu: Die Institutionen) wird das Reformprogramm weiterhin überwachen. Damit bleibt wirklich alles beim Alten. Fast zumindest. Im Unterschied zur ursprünglichen Vereinbarung muss Griechenland bis Montagabend einen neuen Reformkatalog aus dem Hut zaubern. Auch dieser bedarf der Zustimmung der Eurogruppe.

Wo Kompromisse eingegangen wurden bleibt weitestgehend offen. Im Text selbst ist kein Kompromiss erkennbar. Es scheint sogar so, als ob die Zügel noch einmal enger gezogen wurden. Gleichzeitig reicht die Verlängerung nur bis Ende Juni und nicht wie ursprünglich vorgesehen bis Ende August. Das gibt Griechenland einerseits weniger Zeit sich neu zu orientieren, andererseits garantiert es, dass die Eurogruppe auch für die kommenden Verhandlungsrunden einen großen Hebel hat. Nach Ende der Verlängerung werden Anleihen in Höhe von 6,7 Mrd. fällig. Das kann Griechenland wohl nur mit weiteren Hilfen stemmen.

Ein externer Retter außerhalb der Eurogruppe und des IWF wäre wahrscheinlich wenig erfreut, wenn das Geld dazu genutzt würde, um alte Schulden zu bezahlen. Will Griechenland im Sommer nicht doch noch in den Bankrott gehen, dann beginnt das Spiel von neuem. Wenn die Eurogruppe nun eines klar gemacht hat, dann sicherlich das: keine Kompromisse.

Die äußerst harte Haltung garantiert wohl, dass kein anderes Land noch auf den Gedanken kommt, Bedingungen könnten einfach so geändert werden. Kurzfristig mag das funktionieren. Langfristig kann eine zu harte Haltung nach hinten losgehen. Ein solches Szenario zeichnet sich bereits ab. Das liegt vielleicht nicht so sehr an der harten Haltung der Eurogruppe als am Verhandlungspartner. Tsipras verkauft die Einigung als Erfolg. Wie sich diese Einschätzung aus dem Kompromisspapier herleiten lässt ist absolut schleierhaft. Gut möglich, dass die griechische Regierung den fast unveränderten Bedingungen nur zugestimmt hat, um weiter auf Zeit zu spielen. Mich würde es nicht verwundern, wenn die Troika demnächst feststellt, dass alle Reformen ins Stocken geraten sind. Dann müssten weitere Zahlungen eingestellt werden. Immerhin kann Griechenland der Troika den Schwarzen Peter zuschieben, wenn es dann in die Pleite geht.

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6 Kommentare

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  • Chronos
    Chronos

    Thrakische Taktik. Das wird sicher ein "Erfolg" für die griechische Linke/Rechte, zumindest kurzfristig und in der lokalen Presse.

    Für die EU eigentlich auch ein Weg sich elegant diplomatisch aus der Kiste zu ziehen.

    Mal ehrlich, wer braucht Griechenland, die Ukraine und Georgien?

    Eigentlich niemand ausser BP & Standard Oil

    Für Thrakien gerade GR wäre TRACECA eine Lösung, nur spielen sie da selbst eine ungeliebte Rolle. Gerade jetzt nachdem sich die Ukraine mit Georgien schlafen legt. (Beischlaf).

    Ein nüchterner Blick auf die Versorgungsleitungen erklärt so manches politisches Gezicke.

    Druschba-Trasse - Umbau zu North-Stream, erledigt
    BTC-Pipelin (Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline) erledigt
    TRACECA (Transport Corridor Europe – Caucasus – Asia)

    Irgendwie bleibt da Griechenland und die Ukraine übrig, die keiner braucht und keiner will.

    Sollen sie Wasser, Wein und Oliven mit Waffen tauschen, bitte in einer anderen Währung, vor allem nicht in der Nato oder der EU.

    11:14 Uhr, 23.02. 2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Cogito
    Cogito

    Wie immer eine sehr klare Analyse von CS. Vermute, dass die "gekaufte Zeit" verwendet wird, um die eigene Bevölkerung und die EU zu täuschen und weiter auf Hilfe aus dem Osten zu warten.

    09:28 Uhr, 23.02. 2015
  • bembes
    bembes

    Ich würde sagen solange Griechenland den Euro hat ( nicht Troika-Diktat !!) kommt

    Griechenland auf keinen grünen Zweig. Die Lohnstückkosten sind viel zu hoch. Wer

    soll in diesem Land investieren. Da kann ein Investor nach Bulgarien und Rumänien

    gehen und findet günstige Rahmenbedingungen vor.

    Wenn Griechenland den Euro behalten möchte, müssen die europäischen Steuerzahler

    noch jahrelang bluten !

    Rußland hat selbst kein Geld und kann Griechenland mit Sicherheit nicht helfen !!

    China hätte zwar Geld......aber die wollen auch Gegenleistungen sehen !

    Ein Ende mit Schrecken ist das BESTE und geht am schnellsten.

    09:26 Uhr, 23.02. 2015
  • Stockhorn
    Stockhorn

    Absolut einverstanden.. ich habe schon vor letztem Freitag gedacht, die werden jeden Erdenklichen Kompromiss unterschreiben, um Zeit zu gewinnen. Die Zeit können sie dann nutzen, den Austritt zu planen. Drachme drucken, alles vorbereiten und im Sommer erklärt man die Pleite und den Euroaustritt.. Die A**-Karte haben dann die EU-Kommission. So kann man dann auch die Schuld der Kommission und der Troika in die Schuhe schieben und Griechenland kann einen Neuanfang starten. Sicher werden die nächsten Wochen noch Verhandlungen mit Russland und China erfolgen, um eine Überbrückung zu finanzieren. Ist ehrlich gesagt auch die einzige Chance für die Griechen. Solange sie unter dem Diktat der Troika stehen, wird es keine Erholung und nichts geben.. nur weitere Plünderungen des berüchtigten IWF's. Kennen wir aus anderen Ländern, ist eben nicht mehr als der verlängerte Arm der US-Finanz-Mafia. Soros lässt grüssen! Hoffentlich wird er dort einmal einen gewaltigen Verlust einfahren, würde es ihm von Herzen gönnen.

    09:11 Uhr, 23.02. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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