Kommentar
08:04 Uhr, 19.05.2015

Griechenland bleibt im Euro!

Die Verhandlungen über die Auszahlung von 7,2 Mrd. Euro an die griechische Regierung ziehen sich ins Unendliche. Keine Seite bewegt sich wirklich.

Der Internationale Währungsfonds und auch Berlin werden immer expliziter in ihrer Meinung, dass Athen wohl bald insolvent sein müsste (gab es daran jemals Zweifel?). Hinter und vor den Kulissen wird so immer deutlicher: die neue griechische Regierung hat verloren.

Syriza hat die Wahlen Anfang des Jahres mit großen Wahlversprechen gewonnen. Es sollte ein Ende der Troika geben. Das griechische Volk sollte seinen Stolz zurückerhalten, Gehälter und der Mindestlohn sollten steigen und Staatsbedienstete wieder eingestellt werden. Was damals wie Aufbruch klang war eigentlich nichts anderes als das Versprechen genau das zu tun, was Griechenland überhaupt erst in die Misere gebracht hat.

Der griechische Staat hatte zu viele Angestellte. Darüber hinaus war die Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig, weil die Löhne viel zu hoch waren. Während die Arbeitskosten europaweit nur wenig anstiegen, legten sie in Griechenland innerhalb weniger Jahre um 60% zu. Der Staat und die Bevölkerung lebten über ihre Verhältnisse. Die moderate Moral in Bezug auf Steuerzahlungen und sonstige Vetternwirtschaft halfen nicht gerade, das Land wieder auf die Beine zu bringen.

Man muss Syriza eines lassen: nicht jeder hätte es geschafft mit diesem Programm an die Macht zu kommen. Hätten die etablierten Parteien damit geworben, dass alles wieder zurückgedreht wird, dann hätten viele gedacht, die Parteien wären verrückt geworden. Tsipras und Varoufakis gelang es jedoch, das alles als Aufbruch zu verpacken. Was sie letztlich erreicht haben ist wenig. Weder konnten sie die Uhren zurückstellen, noch die Steuermoral heben oder die Wirtschaft in Gang bringen. Stattdessen rutscht das Land erneut in die Rezession. Die Entwicklung ist um Jahre zurückgeworfen worden. Gratulation.

Tsipras und Varoufakis glaubten wohl wirklich daran, dass sie etwas verändern könnten. Die Möglichkeiten dafür gab es. Hätte Griechenland kurz nach den Wahlen den Bankrott erklärt, dann hätte die Regierung viele ihrer Versprechen umsetzen können. Das klingt jetzt zunächst einmal etwas merkwürdig, ist aber tatsächlich so. Griechenland hatte vor den Wahlen einen Primärüberschuss im Haushalt. Für das Gesamtjahr 2014 lag er bei 630 Mio. Euro. Das ist nicht viel und weniger als die angestrebten 1,5% der Wirtschaftsleistung. Hätten die Wahlen nicht für eine Unterbrechung der Entwicklung gesorgt, dann wäre davon auszugehen gewesen, dass Griechenland in diesem Jahr einen Überschuss von 1 bis 1,5% der Wirtschaftsleistung hätte erzielen können. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein.

Der Primärüberschuss war das große Druckmittel der griechischen Regierung. Solange es einen Primärüberschuss gibt (Haushalsüberschuss ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen für Schulden) kann sich ein Land grundsätzlich selbst finanzieren. Zahlt eine Regierung seine Schulden nicht zurück und ist dadurch vom Finanzmarkt abgeschnitten, kann es trotzdem die Gehälter und Pensionen weiter zahlen, weil es auf den Finanzmarkt nicht angewiesen ist. Bei einem Primärüberschuss übersteigen die Einnahmen des Staates die Ausgaben. Somit ist es nicht notwendig Schulden aufzunehmen, um die Ausgaben zu finanzieren.
Der Primärüberschuss ist nun erst einmal vom Tisch.

Wieso aber ist das ein so großes Problem für die Regierung? Übersteigen die Ausgaben die Einnahmen, dann hilft es der Regierung nicht, wenn sie sich weigert, die Schulden zurückzuzahlen. Das Finanzpolster der Regierung ist sehr dünn. Bereits jetzt muss sie Krankenkassen und Gemeinden plündern, um Gehälter weiter zahlen zu können. Es ist ganz offensichtlich: die Ausgaben sind viel höher als die Einnahmen. Würde Griechenland nun offiziell den Bankrott erklären, dann wäre das Land vom Kapitalmarkt und den Geldgebern komplett abgeschnitten. Die Folge: innerhalb weniger Monate könnte die Regierung keine Gehälter oder Renten mehr zahlen. Das Gesundheitssystem würde zusammenbrechen. Kurzum: das Land würde im Chaos versinken.

Griechenland kann auch nicht einfach drohen, wieder eine eigene Währung einzuführen. Versuchen könnten sie es. Die bisherigen Geldgeber wären dann allerdings soweit brüskiert, dass sie Griechenland wohl aus der EU schmeißen würden. Entschließt sich nämlich ein Land aus dem Euro auszutreten, dann kann es aus der EU ausgeschlossen werden. Das würde das ohnehin schon am Boden liegende Land noch einmal um Jahre zurückwerfen, denn die bisherigen Exporte (vor allem landwirtschaftliche Produkte) könnten mit hohen Zöllen belegt werden.

Ein Alleingang Griechenlands ist kaum denkbar, es sei denn, die Regierung verfällt der wahnsinnigen Idee es wäre eine Lösung ohne einen Kompromiss mit den Geldgebern weiterzumachen. Natürlich geht es dem Land unter dem Diktat der Troika nicht gut. Die Troika umgehen zu wollen ist verständlich, doch die Geldgeber haben momentan die besseren Karten. Würde die Regierung in Athen einseitig die Beziehungen aufkündigen, dann würden die Geldgeber das wohl einfach aussitzen, denn die Regierung könnte sich danach wohl keine drei Monate mehr im Amt halten.

Werden Verträge nicht eingehalten bzw. nicht ordentlich gekündigt, dann können die Geldgeber richtig unangenehm werden. Griechenland könnte eine eigene Währung einführen und der Staat die Gehälter über Schuldverschreibungen zahlen, doch auch das ist keine Lösung, wenn die Geldgeber nicht zustimmen. Weigern sich die Euroländer einen solchen Schritt zu unterstützen würden sie die neue Währung einfach nicht anerkennen. Kein Grieche könnte mit dem staatlichen Geld etwas im Euroraum kaufen, weil es kein anerkanntes Zahlungsmittel wäre.

Kurz gesagt: hätte Griechenland einen ordentlichen Primärüberschuss, dann könnte sich die Regierung selbst finanzieren und einfach die Rückzahlung der Schulden aussetzen. Da die Regierung für maximale Unsicherheit gesorgt hat und das Land wieder in der Rezession steckt, gibt es keinen Primärüberschuss mehr. Die Option einer einseitigen Kündigung von Vereinbarungen ist keine Option mehr. Kommt es dennoch so, dann ist die aktuelle Regierung noch schneller weg als sie ins Amt gekommen ist.

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10 Kommentare

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  • Harald Weygand
    Harald Weygand Head of Trading

    Sehr traurig, aber letztenendes wird am Beispiel von Griechenland den Bevölkerungen der anderen Eurozonenmitgliedern ein Exempel statuiert, was passiert, wenn man unberechenbare radikale Randparteien wählt, die Amok laufen und totales Chaos zu verantworten haben ...

    09:33 Uhr, 19.05. 2015
    2 Antworten anzeigen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Meines Erachtens wird das Kamikazeverhalten der griechischen Regierung unterschätzt - die Kollegen sind nicht pragmatisch, sondern ideologisch unterwegs. Varoufakis ist Spieltheoretiker - wenn man sich seine aktuelle Position anschaut (also da wo er sich hinmanövriert hat) kann man nur feststellen, dass er anscheinend nur ein Laie in dieser Disziplin ist.

    09:00 Uhr, 19.05. 2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    zu a) kann ich nichts sagen

    zu b) möglich, was will Russland / China mit Griechenland, wenn GR aus der EU geworfen wurde. Darüberh hinaus: GR ist wirtschaftlich so groß wie Hessen

    zu d) keine Auswirkungen - alles reine Angstmacherei. Die Gläubiger haben sich auf das Szenario des Austritts schon längst eingestellt, ebenso der Kapitalmarkt. Was passieren könnte, ist eine kurzfristig Aufwertung des USD zum EUR, die sich dann aber umkehrt, weil man feststellt, dass es tatsächlich Wechselkursregime gibt, die hart ihre Regeln durchsetzen.

    08:45 Uhr, 19.05. 2015
  • JOEs
    JOEs

    gute Analyse, was fehlt ist noch folgendes:

    a) Interessante Rüstungssituation (Griechenland / Türkei - hohes Militärbudget)

    b) Anbiederung an Russland und China bei evtl. Austritt (= Zugang zu Rohstoffen für China und Zugang zu Mittelmeer für Russland)

    d) Und immer noch: die finanzmarktechnische Nicht-Kalkulierbarkeit der Austrittsfolgen für die gesamte EU-Euro-Liga

    Griechenland somit sicher nicht völlig chancenlos .. ein verwundetes Tier ist oft am gefährlichsten !!

    08:26 Uhr, 19.05. 2015
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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