Kommentar
12:03 Uhr, 11.07.2019

Grazie Italia!

Italien ist eigentlich das Sorgenkind der Eurozone. Ohne diese Probleme ginge es der gesamten Eurozone jedoch schlechter.

Es wirkt paradox. Die Probleme eines Eurolandes sorgen dafür, dass es dem Rest besser geht. Dafür ist auch relativ schnell eine Erklärung gefunden. Die Logik geht über die Währung, die den meisten Ländern einen Vorteil verschafft.

Je tiefer der Euro steht, desto attraktiver sind Güter aus der Eurozone. Andere Ländern können vom niedrigen Währungskurs profitieren und Güter aus der Eurozone zu günstigen preisen importieren.

Der Wechselkurs wird von mehreren Faktoren bestimmt. Ganz vorne mit dabei sind natürlich die Zinsen. Die Zinsen können in der Eurozone kaum noch sinken. Die EZB wird uns möglicherweise eines Besseren belehren. Marktteilnehmer gehen von einer weiteren Zinssenkung aus.

Dabei würde der Einlagensatz, der Banken aktuell stark belastet, von -0,4 % auf -0,5 % oder -0,6 % gesenkt werden. Man darf durchaus anzweifeln, ob das noch etwas nützt. Eine Senkung des Einlagensatzes belastet Banken und schwächt das Finanzsystem. Es führt nicht dazu, dass mehr Kredit vergeben wird. Vermutlich führt es sogar dazu, dass weniger Kredit zur Verfügung steht.

Rein wirtschaftlich bringt das also nichts, zumindest nicht, wenn es um die Versorgung mit Kredit geht. Vielmehr drückt es die Währung. Ob der Zins nun aber um 10 oder 20 Basispunkte gesenkt wird, ist kaum ausschlaggebend. Gerade gegenüber dem Dollar ist das ein Rundungsfehler. Im Dollarraum können die Zinsen sehr viel stärker gesenkt werden.

Der Dollar kann aufgrund der Zinsveränderung sehr viel stärker unter Druck geraten, weil die Notenbank mehr Spielraum hat. Trotzdem bleibt der Dollar stark und der Euro schwach. Das dürfte vor allem an Italien liegen. Die Lage hat sich wieder beruhigt, doch eine neuerliche Eurokrise schwelt weiterhin im Hintergrund.

Das führt dazu, dass der Euro nicht aufwertet, obwohl er es müsste. Das liegt nicht nur am Zinstrend, sondern auch an den Überschüssen, die die Eurozone über die Leistungs- und Kapitalbilanz anhäuft (siehe Grafik). Der Geldfluss aus diesen Bilanzen ist phänomenal positiv. Der Euro müsste nicht nur aufwerten, sondern bereits bei mindestens 1,30 stehen.

Anstatt aufzuwerten, kommt der Euro kaum vom Fleck. Es besteht Aufwertungsdruck, dem die Zinsen nur wenig entgegenzusetzen haben. Es sind also andere Gründe, die den Euro tief halten. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das auf die Probleme einzelner Länder zurückzuführen, namentlich Italien.

Ohne dieses Damoklesschwert sähe die Sache ganz anders aus. Eine schnelle Euroaufwertung würde die Eurozone wohl endgültig in die Rezession stürzen. Es ist zwar niemand begeistert über Italiens Politik, doch unterm Strich hilft sie der Eurozone sogar.

Clemens Schmale

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16 Kommentare

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  • trunki
    trunki

    Sehr geehrter Herr Kühn,

    wie wollen sie den ein Land das Pleite ist bestrafen?

    Wollen sie es sanktionieren auf Kosten einer (ver-)hungernden Bevölkerung?

    Wem würde das am Meisten Schaden? Doch wohl dem "Exportweltmeister" Deutschland.

    Aus meiner Sicht eine Bezeichnung über die sich sowieso kein Land der Welt jemals freuen sollte, denn sie bedeutet nichts anders, als dass ein Land unter seinen Verhältnissen lebt und nur ein im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung geringer Teil von dieser einseitigen Exportausrichtung profitiert.

    Von der Abhängigkeit die sich gerade in der aktuellen Zolldebatte zeigt ganz zu schweigen.

    14:49 Uhr, 12.07. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • shark
    shark

    Grazie Italia-viel dümmer gehts nimmer!

    Ich habe bereits vor ca 3 Jahren auf die Italienproblematik verwiesen.

    Italien erpresst die EU und finaziert z.Teil seinen Staatshaushalt über die EZB

    Strukturwandel ist angesagt und die eigene Bevölkerung zur Kasse zu bitten,die ist vermögender als die deutsche .

    10:02 Uhr, 12.07. 2019
  • Spielwiese
    Spielwiese

    Hallo Herr Kuhn,

    Formal haben sie natürlich recht, lassen aber einen kritischen Fakt außen vor. Bleiben wir doch beim hypothetischen Austritt Italiens. Sie sagen, Deutschland wurde nur Ausfälle in Höhe des Kapitalschlüssels der EZB tragen müssen... in der Theorie korrekt, in der Praxis nur, wenn alle anderen auch entsprechend des Kapitalschlüssels haften. Das hieße also, dass Italien nach ihrer Überzeugung bei einem hypothetischen Austritt bereit ist, den eigenen Ausfall anteilig zu tragen.

    Wie realitätsnah das ist, soll jeder selbst einschätzen. Ich hab da eine Vermutung.

    09:44 Uhr, 12.07. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • trunki
    trunki

    wer sind den die "anderen" die mitzahlen würden (könnten), sehr geehrter Herr Kühn, ohne dass die Eurozone dadurch komplett auseinander fliegen würde?

    07:24 Uhr, 12.07. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • Tom66
    Tom66

    Ja, dann verabschiedet man sich doch gleich noch viel lieber von den Target2-Krediten, die Deutschland v.a. Griechenland und Italien gegeben hat.

    Und dann zahlt man doch auch gleich noch viel lieber die Steuern, aus denen diese (eigentlich bei EU-Gründung ausgeschlossene) Finanzierung fremder Staatshaushalte v.a. durch Deutschland bezahlt wird.

    Hauptsache, die deutsche Wirtschaft verdient gut daran! Ob die Gewinne auch bei den Arbeitnehmern ankommen, ist doch zweitrangig, wir wollen doch nicht so kleinlich sein!

    13:56 Uhr, 11.07. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • wolp
    wolp

    Da ist was dran. Merci

    12:12 Uhr, 11.07. 2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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