Kommentar
12:55 Uhr, 29.10.2020

Gold: Worauf es jetzt ankommt

Dem gelben Edelmetall ist nach der Rekordrally die Kraft ausgegangen. Die jüngste Korrektur ist aber kein Beinbruch. Gleichwohl könnte der Goldpreis in den kommenden Monaten weiterhin zur Volatilität neigen.

Es sind beeindruckende Zahlen, die der Goldindustrieverband World Gold Council unlängst veröffentlicht hat. Demnach hat sich der Goldbestand in physisch hinterlegten Gold-ETFs in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres um mehr als 1.000 Tonnen auf 3.880 Tonnen erhöht. Das sind beides phänomenale Höchstwerte. Selbst zur Zeit der Finanzmarktkrise mit der anschließenden globalen Rezession im Jahr 2009 war der Nettomittelzufluss mit 664 Tonnen bei weitem nicht so hoch. Es steht außer Frage, dass die immense Nachfrage der Investoren die treibende Kraft war, die den Goldpreis in diesem Jahr zunächst über seinen alten Bestwert bei 1.940 US-Dollar und dann sogar jenseits der magische Marke von 2.000 US-Dollar katapultiert hat.

Schwacher September

Wer erwartet hatte, dass es mit dem Goldpreis in diesem Tempo weiter nach oben geht, wurde enttäuscht. Mittlerweile steht die Feinunze wieder bei etwa 1.900 US-Dollar und damit um knapp sieben Prozent unter ihrem Allzeithoch. Wie das World Gold Council ermittelt hat, zeigte Gold im zurückliegenden September die schlechteste Performance seit November 2016. Bemerkenswert ist das deshalb, weil die Nachfrage der Investoren im gleichen Monat mit einem ETF-Nettomittelzufluss von 68 Tonnen ungebrochen war. Dass die ETF-Investoren dem Edelmetall weiterhin die Treue halten, ist auf das brisante monetäre Umfeld zurückzuführen. So sind in den USA zuletzt sowohl die Inflationsrate (plus 1,4 Prozent im September) als auch die von der Universität Michigan berechneten Inflationserwartungen für die kommenden zwölf Monate (plus 3,1 Prozent im August) gestiegen. Gleichzeitig sind die Nominalzinsen für 10-jährige US-Staatsanleihen in den vergangenen zwölf Monaten um fast 100 Basispunkt auf 0,63 Prozent gefallen.

Für Anleger sind fallende Nominalzinsen bei steigenden Inflationserwartungen eine furchteinflößende Mischung. Die Angst vor Geldentwertung, die durch rasant steigende Staatsverschuldung sowie die Aussicht auf dauerhaft niedrige Zinsen zusätzlich gefüttert wird, treibt die Flucht in Sachwerte voran. Dazu gehören Immobilien, Aktien und natürlich auch Edelmetalle wie Gold. Einige Kommentatoren sehen bereits eine Asset Price Inflation, also einer Vermögenspreisinflation, die im ungünstigsten Fall zu einer Spekulationsblase führen kann. Was zudem auffällt, ist der seit geraumer Zeit beobachtbare Gleichschritt von Aktien und Goldpreis. In der Vergangenheit ging die Korrelation dieser beiden Anlageklassen gegen null, was eine unabhängige Entwicklung anzeigt. Das hat sich geändert: Steigen Aktien, legt auch Gold in der Tendenz zu und umgekehrt. Wie lange dieses Phänomen noch anhält, ist schwer abzusehen. Wünschenswert ist es jedoch nicht, da der Diversifikationsnutzen von Gold erheblich unter der starken Korrelation leidet.

US-Dollar als Spielverderber

Wenn also die Nachfrage der ETF-Investoren ungebrochen ist, was hat dann für den Rücksetzer bei Gold gesorgt? Hohe Erklärungskraft hat die Betrachtung der Entwicklung des US-Dollars, in dem Gold bekanntermaßen gehandelt wird. Schwächelt der US-Dollar, wird Gold für Nachfrager außerhalb des Dollarraums – und dazu gehören insbesondere die riesigen Schmuckindustrien in Indien und China – günstiger. Entsprechend steigt die Nachfrage. Neigt der US-Dollar dagegen zur Stärke, verteuert sich Gold für Nachfrager aus dem Dollar-Ausland. Und genau das war insbesondere im September zu beobachten. Schuld daran ist die Furcht vor einer zweiten Infektionswelle, die viele Investoren wieder in den Dollar getrieben hat, der noch immer als sicherer Hafen gilt. Erhielt man im August für einen Euro noch 1,20 US-Dollar, waren es im September im Tief lediglich 1,16 US-Dollar. Mittlerweile liegt der EUR/USD-Wechselkurs wieder bei rund 1,18 USD, was prompt auch dem Goldpreis zu einer Stabilisierung verholfen hat (Stand: 27. Oktober 2020).

Gold-Bullen im Terminmarkt auf dem Rückzug

Der starke Zusammenhang zwischen Greenback und Gold in Form einer negativen Korrelation wird von Privatanlegern gerne außer Acht gelassen. Er ist aber – wie auch die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat – enorm wichtig. Eine andere Erklärung für das Abrutschen des Goldpreises ist taktischer Natur. Denn wenn sich Rohstoffpreise so schnell nach oben bewegen, wie der Goldpreis in den Monaten von April bis Juli, kommt es an den Terminmärkten häufig zu spekulativen Gegenbewegungen. So auch bei Gold. Umfassten die Netto-Long-Positionen der an der Terminbörse COMEX gehandelten Gold-Futures Ende Juli noch ein Volumen von 929 Tonnen Gold, waren es Mitte Oktober nur noch 740 Tonnen.

Weitere Rücksetzer als Chance nutzen

Doch wie geht es nun mit Gold weiter? Das World Gold Council rechnet in seinem jüngsten Report mit einem volatilen vierten Quartal für das Edelmetall. Das erscheint als eine realistische Einschätzung. Preisdruck könnte vor allem von einem stärkeren US-Dollar ausgehen, was auf die Nachfrage seitens großer Nachfrager wie der angesprochenen Schmuckindustrie oder der Zentralbanken drücken könnte. Auf der anderen Seite sollte die Nachfrage der Investoren angesichts des vermutlich über Jahre anhaltenden Niedrigzinsumfelds robust bleiben und etwaige Ausfälle anderer Nachfragekomponenten ausgleichen. Einen großen Unsicherheitsfaktor stellen natürlich die anstehenden US-Wahlen dar. Bei einem umstrittenen Wahlergebnis mit langer Hängepartie sind temporäre Verwerfungen an den Finanzmärkten zu befürchten. Allerdings ist Gold charttechnisch bei etwa 1.800 US-Dollar gut abgesichert. Dort verläuft mit der 200-Tage-Linie eine solide Unterstützung. Bullish eingestellte Trader könnten Rücksetzer bis zu diesem Niveau für den Aufbau von Long-Positionen nutzen

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