Kommentar
19:24 Uhr, 15.08.2016

Gewinnwachstum? Trauerspiel in Europa

Viel wird über die US-Gewinnrezession geschrieben. Sie ist aber bei weitem nicht die einzige, die um sich greift. In Europa sieht es keinen Deut besser aus.

Ähnlich wie in den USA gibt es auch in Europa für Unternehmen große Probleme, Gewinnwachstum zu erzeugen. In den USA gibt es klare Argumente für den Trend. Im vergangenen Jahr waren es der starke Dollar und fallende Rohstoffpreise. In diesem Jahr sind fallende Rohstoffpreise noch immer ein Thema, dafür ebbt der Gegenwind des starken Dollars ab.

Auch in Europa brechen die Gewinne von Rohstoffunternehmen weg und von diesen gibt es nicht einmal so wenige. Man denke nur an die großen Ölunternehmen Shell, BP und Total. So wundert es nicht, dass sich auch europäische Unternehmen praktisch in einer Gewinnrezession befinden.

Grafik 1 zeigt die Jahreswachstumsrate der Gewinne von Finanz- und Nichtfinanzunternehmen. Der Nichtfinanzsektor hielt sich mehr oder weniger gut über Wasser. Das Gewinnwachstum auf Jahressicht rutschte erst Anfang 2016 in den negativen Bereich. Die offiziellen Zahlen für Q2 sind noch nicht veröffentlicht, doch das Minus dürfte im Bereich von 4 % liegen.

Im Vergleich zum Nichtfinanzsektor geht es dem Finanzsektor richtig schlecht. Im vergangenen Jahr gab es kein einziges Quartal mit positiven Wachstumsraten. Auch 2016 begann mit weiter fallenden Gewinnen. Q2 dürfte einen weiteren Rückgang zeigen, sodass sich in Europa nun beide Sektoren in einer Gewinnrezession befinden.
Für Aktienkurse ist das keine gute Nachricht. Grafik 2 zeigt den Euro Stoxx 50 und das durchschnittliche Gewinnwachstum. Beide Zeitreihen bewegen sich parallel. Das unterscheidet im aktuellen Umfeld US-Aktienindizes und ihre europäischen Pendants. US-Aktien konnten trotz der Gewinnrezession eine solide Performance vorweisen. Während US-Aktien über ein Jahr lang seitwärts tendierten, korrigierte der Markt in Europa deutlich.

Seit wenigen Wochen zeigen sich auch europäische Aktien wieder etwas robuster. Sie hinken der Entwicklung in den USA manchmal etwas hinterher. Aus fundamentaler Sicht gibt es freilich kaum Argumente für steigende Kurse. Das gilt insbesondere für den Finanzsektor.
Grafik 3 zeigt das Gewinnwachstum des Finanzsektors und den Stoxx 600 Banken. Beide Zeitreihen laufen auch hier parallel, wobei zuletzt eine Reduktion des negativen Gewinnwachstums (Hoffnung auf Trendumkehr) zu keinen Kursgewinnen bei Banken führen konnten. Im Gegenteil, Bankaktien verloren deutlich.

Ohne den Bankensektor wird es schwierig neue Mehrjahreshochs zu erreichen. Natürlich kann man sich fragen, ob Bankaktien überhaupt noch viel tiefer fallen können, nachdem sich viele Kurse in diesem Jahr fast halbierten. Wenn die Geschichte eine Lehre ist, dann muss man diese Frage klar mit Ja beantworten. Auch Kurse, die sich erst kürzlich halbiert haben, können sich noch einmal halbieren.

Jenseits des Finanzsektors ist die Lage auch nicht gerade rosig. Sonderfaktoren wie fallende Rohstoffpreise haben zwar auch hier ihren Tribut gefordert, doch es gab auch Sonderfaktoren, die den Markt hätten unterstützen sollen. Der Euro wertete gegenüber vielen anderen Währungen stark ab. Das hatte keine offensichtlich positive Auswirkung. Vielleicht hat es aber Schlimmeres verhindert.

Insgesamt ist die Lage ziemlich düster. Immerhin scheinen Anleger Hoffnung zu schöpfen, dass ähnlich wie in den USA ein Ende der Gewinnrezession absehbar ist. Diese Hoffnung wurde zuletzt gekauft. Im Gegensatz zu den USA ist der Trend hierzulande jedoch negativ. Die Wachstumsraten sinken, während sich die negativen Wachstumsraten in den USA verringern. Eine großangelegte Aufholjagd von europäischen Aktien gegenüber US-Aktien ist da schwer vorstellbar.

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Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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