Fundamentale Nachricht
13:05 Uhr, 07.04.2020

Gewinnentwicklungen nach Corona

Wie stark werden Unternehmensgewinne unter Corona leiden? Ein deutlicher Rückgang wird nicht zu verhindern sein. Doch es gibt auch Grund zu Optimismus, sagt Lars Kreckel, Global Equity Strategist bei Legal & General Investment Management.

„Angesichts der extremen Umstände verwende ich zwei Modelle, die sich den Gewinnprognosen aus unterschiedlichen Perspektiven nähern:

  • Der klassische Ansatz ist darauf ausgerichtet, die Makroszenarien unserer Ökonomen in konsistente Gewinnprognosen zu übersetzen. Dabei werden das umsatzgewichtete BIP-Wachstum, die Unternehmensmargen und ein Maß für die Konjunkturflaute herangezogen.
  • Angesichts der einzigartigen Herausforderungen der aktuellen Krise habe ich zur Überprüfung des Modells für das heutige Umfeld auch einen sektorbasierten Ansatz verwendet, der Daten über die Gewinnrückgänge in den US-Sektoren während der Rezessionen 2000-2003 und 2007-2009 einbezieht.

Der Gewinneinbruch dürfte der beste Ausgangspunkt sein, um abzuschätzen, wie weit Aktien in dieser Baisse fallen können. In den meisten Fällen fiel der Kursverfall von der Spitze bis zur Talsohle etwas geringer als der Gewinneinbruch aus, und davon gehe ich auch diesmal aus. Natürlich spielen auch andere Faktoren eine Rolle: Anfangsbewertungen, Stimmung, Sektoreffekte usw.

Insgesamt erwarten wir einen viel größeren Einbruch, als der Markt aktuell einzupreisen scheint: Unsere Schätzungen implizieren, dass die Gewinne um etwa 40-50 % einbrechen.

Silberstreifen

Der sektorbezogene Ansatz gibt allerdings auch Grund zur Hoffnung:

Erstens ist die sektorale Zusammensetzung der US-Aktienmärkte heute eine andere als im Jahr 2008. Zwei der Sektoren mit der schlechtesten Performance im Jahr 2008, nämlich der Finanz- und der Energiesektor (letzterer dürfte angesichts des angebots- und nachfragegetriebenen Einbruchs des Ölpreises bei diesem Rückgang besonders stark betroffen sein), haben heute in den USA etwa die Hälfte des damaligen Indexgewichts. Das sollte ihren Einfluss auf die Gesamtentwicklung abschwächen.

Zweitens hat sich die Gewichtung von Technologieaktien in den wichtigsten US-Indizes seit der Finanzkrise etwa verdoppelt. Das fällt nicht unbedingt auf den ersten Blick auf, weil einige Technologiewerte sich außerhalb des offiziellen Informationstechnologiesektors „verstecken“: Amazon fällt zum Beispiel unter privaten Konsum, Facebook, Alphabet/Google und Netflix unter Kommunikation.

Technologiewerte sollten sich im Großen und Ganzen in dieser Krise als widerstandsfähiger erweisen als andere Sektoren – insbesondere als die Index-Schwergewichte des Jahres 2008 im Finanz- und Energiesektor. Der Technologiesektor ist dank abonnementbasierter Geschäftsmodelle und dank des Übergangs zu einer stärker online geprägten Wirtschaft weniger zyklisch, und viele Anbieter profitieren sogar vom momentanen Zwang zu Home Office und Social Distancing.

Wir wollen die Auswirkungen des Wirtschaftsabschwungs auf die Unternehmensgewinne nicht kleinreden: Der Rückgang wird wahrscheinlich einer der größten sein, die wir jemals gesehen haben. Aber ein besonnener und mehrgleisiger Ansatz bei der Gewinnprognose sollte uns helfen, Bandbreiten zu finden, in Aktien mittelfristig Wert entwickeln können.“

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