EZB senkt Zinsen und bleibt vorsichtig
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Die EZB hat den Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt. Die Notenbank gibt zu, dass die Inflation zuletzt überraschend gestiegen ist und wiederholt ihre Aussage, dass der Weg zurück zur Preisstabilität holprig sei. Auf kurze Sicht hat die EZB die Wachstums- und Inflationsprognosen angehoben, geht aber von unveränderten Zahlen für 2025 und 2026 aus. Das deutet darauf hin, dass der disinflationäre Trend anhält, die Wahrscheinlichkeit direkt aufeinanderfolgender Zinssenkungen jedoch gering ist.
Seit den makroökonomischen Prognosen vom März haben sich mehrere Indikatoren anders als erwartet entwickelt:
- Die Kerninflation nach oben hat die EZB überrascht. Die Steigerung beträgt 0,1 Prozentpunkte im 1. Quartal und wahrscheinlich 0,2-0,3 Prozentpunkte im 2. Quartal.
- Das Wirtschaftswachstum hat im 1. Quartal mit einer Steigerung um 0,2 Prozentpunkte positiv überrascht. Dabei haben die Einkaufsmanagerindizes einen stärkeren Wachstumsimpuls angezeigt, als zum Zeitpunkt der letzten Prognose erwartet worden war. Außerdem gab es kaum Anzeichen für eine Schwäche auf dem Arbeitsmarkt.
- Das Niveau der ausgehandelten Löhne hat gegenüber den im März erwarteten Werten leicht um etwa 0,2 Prozentpunkte angezogen. Dieser Trend dürfte sich bis August fortsetzen, auch weil die Löhne in Deutschland im 2. Quartal steigen werden.
Das sind also gleich drei Überraschungen, die alle in dieselbe Richtung gehen. Dies hat zwar nicht ausgereicht, um die heutige Zinsentscheidung zu revidieren, die offenbar schon seit einiger Zeit feststand – und eine Umkehr hätte wie ein Fehler in der Kommunikation ausgesehen. Die Überraschungen reichen zudem auch nicht aus, um von der Meinung abzurücken, dass der disinflationäre Trend anhält. Die aktuellen Daten stärken aber die Argumente der EZB, eine vorsichtige Vorgehensweise zu wählen – und die Vorstellung, dass auf die heutige Zinssenkung eine weitere im Juli folgen wird, wird damit wohl ad acta gelegt werden. Vielmehr dürften die Prognosesitzungen im September, Dezember und März die wahrscheinlicheren Termine für weitere geldpolitische Anpassungen sein.
Die Debatte über den neutralen Zinssatz wird innerhalb der EZB immer hitziger. Isabel Schnabel hat in letzter Zeit dafür plädiert, dass der derzeitige geldpolitische Kurs nicht so restriktiv sein sollte, und argumentiert, dass der neutrale Zinssatz aufgrund der Energiewende und des digitalen Wandels jetzt viel höher sein könnte. Diese Ansicht wurde allerdings von anderen Ratsmitgliedern zurückgewiesen. Viele sind offenbar der Meinung, dass das derzeitige Zinsniveau nicht mehr angemessen ist, da die Inflationsrisiken nachlassen.
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