Kommentar
12:13 Uhr, 22.04.2010

Geschichten aus dem Schlaraffenland...

Als die Aktien von Goldman Sachs (GS) am vergangenen Freitag in die Tiefe stürzten, da dachte ich noch, wie gut, wenn man dort jetzt nicht dabei ist. In der Tat – so etwas sieht man wirklich nicht alle Tage:

Was war passiert? Die Börsenaufsicht SEC hatte umfangreiche Untersuchungen gegen die Bank angekündigt. Da dies aus heiterem Himmel und ohne jede Vorankündigung geschehen war, nahmen die Anleger die Sache sehr ernst. Und zwar völlig zurecht:

Nach aktuellem Erkenntnisstand lief der in die Schusslinie geratene Deal folgendermaßen ab: Der Hedgefondsmanager John Paulson kontaktierte Goldman Sachs im Jahr 2006 mit dem Anliegen, ein Finanzmarktprodukt mit Namen „Abacus“ zu gründen und zu vertreiben. Goldman nahm den Auftrag an.

Noch in der Gründungsphase soll Paulson darauf bestanden haben, dass möglichst riskante und schwach abgesicherte Hypothekenkredite in das Abacus-Portfolio aufgenommen werden. Goldman Sachs war einverstanden. Warum eigentlich? Im Interesse der Goldman-Kunden kann das ja kaum gelegen haben.

Doch jetzt kommt der Trick: Zeitgleich platzierte Paulson riesige Wetten auf den Kursabsturz von Abacus. Ergebnis: Die Käufer des von Goldman Sachs vertriebenen Produkts erlitten Verluste von rund 1.000 Millionen US-Dollar. Paulson und seine Mitstreiter strichen gigantische Gewinne in gleicher Höhe ein. Anfang 2007 war Abacus aufgelegt worden, nur neun Monate später war das Papierchen mit einem Verlust von 99 Prozent so gut wie wertlos.

Im Verfahren der SEC geht es jetzt um die Frage, inwieweit Goldman Sachs selbst in die Sache verwickelt ist und womöglich sogar an den Verlusten der eigenen Kunden verdient hat. Der Vorwurf lautet auf Anlegertäuschung. Nach Ansicht der SEC hätte Goldman Sachs die Kunden darauf hinweisen müssen, dass einige Akteure von Beginn an auf den wertlosen Verfall der Abacus-Papiere spekuliert hatten.

Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten:
Entweder wusste die Bank tatsächlich nicht, dass ihr ein eigener Mitarbeiter Schrott-Papiere untergejubelt hatte, was zwar möglich aber kaum vorstellbar ist. Oder aber es tauchen versteckte Zahlungen auf, etwa von Hedgefonds, die belegen, dass Goldman Sachs an dem Deal verdient hat. Das wäre so ziemlich der Gipfel der Unverfrorenheit. Doch so weit ist es noch nicht. Die Bank selbst wird sich jetzt vermutlich als bedauernswertes „Opfer“ hinstellen. Schuld wäre dann der Goldman-Banker Fabrice Tourre, Executive Director von Goldman Sachs in London, der Abacus konstruiert hatte.

Die US-Börsenaufsicht dagegen will nachweisen, dass Tourre Rückendeckung von seinen Vorgesetzten hatte. Dass die SEC die Sache ohne jede Vorankündigung ins Rollen gebracht hat, legt den Verdacht nahe, dass sich die Behörde recht sicher ist, einen dicken Fisch an der Angel zu haben.

Wie immer die Sache auch ausgeht, sie wirft ein katastrophales Schlaglicht auf den Bankensektor, die Finanzbranche ganz allgemein und viele der dort tätigen Menschen, die von Gier getrieben jede Moral über Bord werfen. Geheiligt werde der eigene Profit. Die anmaßenden Äußerungen von Goldman-Chef Lloyd Blankfein, der vor einigen Monaten erklärt hatte, Banker verrichteten Gotteswerk, werden nicht zum ersten Mal konterkariert.

Nebenbei bemerkt raten wir den Lesern des Antizyklischen Börsenbriefs schon seit vielen Monaten, sich von den Finanztiteln fern zu halten. Der neueste Betrugskrimi um Goldman Sachs zeigt, dass es Sinn macht, weiterhin einen Bogen um den Sektor zu machen.

Nun kommen einige Kollegen auf die Idee, die Geschichte „herunterzuschreiben“. So schlimm sei das alles doch gar nicht, die Vorwürfe würden sich sicherlich entkräften lassen, außerdem sei der Aufwärtstrend beim Aktienkurs weiterhin intakt.

Wir empfehlen einen Blick auf die Point & Figure-Betrachtung. Dort zeigt sich nämlich, dass der Aufwärtstrend keineswegs intakt ist – das Gegenteil trifft zu, der Trend ist hinüber:

Aber vermutlich werden die Anleger schon bald wieder zur Tagesordnung übergehen und die „tollen Zahlen“ feiern, die aus dem Sektor gerade bekannt werden: Große US-Finanzinstitute wie Bank of Amerika (BAC), JP Morgan (JPM), Citigroup ( C ) und auch Goldman Sachs (GS), sie alle übertreffen derzeit die Erwartungen der Analysten und beeindrucken mit Gewinnen in Milliardenhöhe.

Dabei wird leider völlig übersehen, woher diese Gewinne eigentlich kommen: Sie haben nichts mit solidem Geschäftsgebaren, erfolgreichem Wirtschaften und dergleichen zu tun, sondern sind einzig und allein der historisch einzigartigen Situation an den Kapitalmärkten geschuldet.

Die Banken streichen riesige Profite ein, weil sie sich nahezu kostenlos Geld bei den Zentralbanken leihen und davon beispielsweise langlaufende Staatsanleihen kaufen, die zwischen drei und vier Prozent Zinsen abwerfen.

Und vielleicht sind ja auch ein paar griechische Staatsanleihen dabei, die neuerdings sogar acht Prozent bringen. Ach ja, Griechenlands Haushaltsdefizit war im vergangenen Jahr noch ein wenig höher ausgefallen als bisher bekannt. Wie das Europäische Statistikamt heute mitteilte, belief sich das Defizit nicht wie bisher angenommen auf 12,7 sondern auf 13,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. Wegen nicht bekannter Daten aus der Sozialversicherung könnte dieser Wert noch einmal um 0,5 Prozentpunkte ansteigen.

Gut möglich also, dass griechische Staatsanleihen schon bald zehn oder zwanzig Prozent Zinsen in die Bankenbilanzen spülen! Ein Schlaraffenland! Aber nur für den, der diesen Wahnsinn durchschaut und sich rechtzeitig in Sicherheit bringt.

Wie wir die Lage jetzt einschätzen und was wir unseren Lesern raten, das lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs, die in Kürze erscheint.

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Zum Autor:
Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG, und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de und www.antizyklischer-aktienclub.de

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