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10:16 Uhr, 11.07.2017

Geringer Anteil chinesischer A-Aktien im MSCI EM Index bietet Chancen

Der geringe Anteil chinesischer A-Aktien im MSCI EM Index bietet nach Meinung von Tim Love, Investment Director für Schwellenländeraktien bei GAM, eine enorme Alpha-Chance für aktive Manager.

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Zürich (GodmodeTrader.de) - Am 21. Juni berichteten Schlagzeilen in der gesamten Finanzwelt über die Aufnahme Chinas in den 1,6 Billionen US-Dollar schweren MSCI Emerging Markets (EM) Index – ein Schritt, der Portfoliomanager wahrscheinlich dazu bewegen wird, massenhaft sogenannte A-Aktien zu kaufen, die an den lokalen Börsen in Shanghai und Shenzhen notiert sind. Trotz der reißerischen Schlagzeilen bleibt die Aufnahme jedoch ein relativ unbedeutendes Ereignis im Hinblick auf die Entwicklung der Emerging-Markets-Landschaft, wie Tim Love, Investment Director für Schwellenländeraktien bei GAM, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Denn mit dem dritten Anlauf der Entscheidungsträger bei MSCI, chinesische A-Aktien in ihre Benchmarkindizes aufzunehmen, sei der letztendliche Beschluss nunmehr eine symbolische Geste gewesen. „Der ursprüngliche Aufnahmevorschlag begrenzt sich auf nur 222 Aktien, mit einer Gewichtung von nur fünf Prozent. Folglich werden chinesische A-Aktien mit 0,73 Prozent nur einen winzigen Anteil der Benchmark ausmachen“, erklärt Love.

Eine weitere Expansion des chinesischen Engagements sei zunächst nicht in Sicht. „Die Index-Ersteller haben eine Liste anspruchsvoller Liberalisierungsforderungen aufgestellt, bevor sie dazu bereit sind, eine weitere Expansion des chinesischen Engagements in Betracht zu ziehen. Es ist zwar durchaus vorstellbar, dass der Anteil Chinas am Benchmarkindex letztlich auf 40 oder sogar 50 Prozent steigen könnte - dies wird aber nicht sofort geschehen. Wir gehen deshalb davon aus, dass ein anfänglicher Auftrieb für chinesische Aktien aufgrund von koordinierten Käufen in der gesamten Vermögensverwaltungsbranche recht gering sein dürfte“, fährt Love fort.

Worum es in China jedoch mit der Aufnahme in den Index eigentlich gehe, sei die ständige Notwendigkeit, die ‚aktuellen Best Practices für die Corporate Governance‘ einzuhalten und infolgedessen offene, transparente Kapitalmärkte mit freiem Handel zu fördern. Diese Realität müsse sich zumindest bis zu einem gewissen Grad in der Marktkapitalisierung widerspiegeln. In letzter Zeit sei dieses Tauziehen zu ungleich geworden. „Eine Woche vor dem Ende eines wichtigen halbjährlichen Performancezeitraums kommt die Ankündigung einer bedeutenden Änderung allerdings zu einer ungünstigen Zeit“, findet Love. „Sie verstärkt den Effekt einer eigentlich willkürlichen Entscheidung, die damit zu einem Marktereignis wird, aber wesentlich weniger dramatisch hätte umgesetzt werden können.“

Der chinesische A-Aktienmarkt, der bis zum Inkrafttreten dieses Beschlusses weitgehend aus dem Erfassungsspektrum für die MSCI-Indizes ausgeschlossen bleibt, ist ein gigantisches Universum, das das des MSCI Europe bei Weitem überragt. Das Fehlen des gesamten A-Aktienmarktes hatte zur Folge, dass dieser riesige Wirtschaftsraum von MSCI vernachlässigt wurde – mit Ausnahme bestimmter H-Aktien (Hongkong). „Da China weiterhin mit einem Tempo wuchs, von dem Europa nur träumen kann, wurde dieses Missverhältnis schlicht irreal. Aktive Emerging-Markets-Anleger glichen den Unterschied mit der Investition in A-Aktien aus, die eine höherwertige Corporate Governance boten. Effektiv wurden sie damit zu ‚indexfremden Wetten‘, die aktiven Managern eine enorme Alpha-Chance boten, welche indextreuen Anlegern verwehrt blieb“, so Love.

Der Experte verweist dazu beispielhaft auf einen führenden chinesischen Haushaltsgerätehersteller, der im letzten Jahr einen deutschen Machine-to-Machine-Hersteller der Spitzenkategorie übernahm: „Aus Sicht von MSCI wurde das Zielunternehmen effektiv von der Börse genommen. Wir investierten in die A-Aktien des übernehmenden Unternehmens, um von dieser Technologie, dem Wachstumspotenzial in China und seinem nicht börsennotierten Status zu profitieren. Kurz gesagt: Die MSCI-Indizes lösten sich immer weiter von der Anlagerealität der Emerging-Markets-Anleger. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als würde man zum Autofahren nur die Seitenspiegel benutzen. Wenn das Auto an einer sich entwickelnden Situation vorbeigefahren ist, würde dieses Ereignis erst hinterher sichtbar, statt dass man es durch die Frontscheibe auf sich zukommen sähe. Das ist keine vernünftige Methode, ein Anlageuniversum aufzubauen, ganz gleich, wie attraktiv die allgemeinen Streubesitzkriterien von MSCI sind. Diese fehlende Erfassung hat zu Arbitrage-Aktivitäten von aktiven Anlegern mit Zugang zu den lokalen Märkten in China geführt, die sich die Unternehmen mit der besten Corporate Governance am A-Aktienmarkt herauspickten“, so Love.

Obwohl der Umfang der ersten Aufnahme von A-Aktien in die MSCI-Benchmarks eher symbolisch als wesentlich sei, bedeute dies trotzdem, dass der zweitgrößte Aktienmarkt der Welt allmählich anerkannt werde. „Seine Marktkapitalisierung von über sieben Billionen US-Dollar lässt den Rest des gesamten Aktienuniversums der Schwellenländer klein erscheinen. Wie im Falle des BIP hat die Marktkapitalisierung kaum etwas mit der formellen Aufnahme in den Index zu tun. Aber in den 30 Jahren der Analyse von Schwellenmärkten und verschiedenen Indizes hat es kaum jemals eine Verzerrung dieses Ausmaßes gegeben“, sagt Love. Eine vergleichbare Parallele könne man zuletzt nur mit der Situation Japans vor der Aufnahme in die Indizes für Europa, Australasien und Fernost (EAFE) ziehen. Fast 30 Jahre nachdem japanische Aktien auf einem fast doppelt so hohen Stand des Nikkei-Index als heute den Höhepunkt erreichten, macht die Gewichtung Japans im EAFE-Index derzeit immer noch rund 25 Prozent aus.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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