Kommentar
08:00 Uhr, 11.02.2016

Geldpolitik: Warum die Normalisierung trotz Crash gelingen muss

In diesen Tagen steht viel auf dem Spiel. Es geht im Kern um nicht weniger als die Entscheidung, ob sich die globale Geldpolitik jemals wieder normalisieren kann.

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Die Volatilität an den Märkten zu Beginn des Jahres hat viele aufgeschreckt. Nichts schien den Kursrutsch aufhalten zu können, doch dann kam ein Reigen an Zinsentscheidungen der Notenbanken. Innerhalb von zwei Wochen veröffentlichen die EZB, die US-Notenbank Fed und die Bank of Japan ihre Pläne für die zukünftige Geldpolitik.

Die EZB deutete weitere Lockerung an. Das stabilisierte den Markt. Die US-Notenbank war in ihrem Statement sehr vorsichtig. Für viele klang es so, als würde die Fed von ihrem Plan abrücken die Zinsen in diesem Jahr 4 Mal anzuheben. Die Entscheidung der japanischen Notenbank brachte dann den entscheidenden Durchbruch. Sie senkte die Zinsen erstmalig in den negativen Bereich. Weltweit war der Jubel groß.

Man kann jetzt trefflich darüber streiten, wie die Notenbanken zu ihren Entscheidungen gelangt sind. Dass die Aussicht auf weitere Lockerung und Zinssenkungen zu einem Zeitpunkt kommen, in dem die Märkte extrem nervös sind, wirkt nicht wie ein Zufall. Viele gehen davon aus, dass sich die Notenbanken vom Markt haben breitschlagen lassen.

Persönlich schließe ich mich dieser Vermutung an. Die Entscheidungen waren geprägt vom Marktumfeld und nicht so sehr von der wirtschaftlichen Realität. Um darin nun aber das Ende der Normalisierung zu sehen ist verfrüht.
Derzeit versucht lediglich die US-Notenbank ihre Geldpolitik zu normalisieren. Das allein sorgt seit 2013, als der ehemalige Notenbankchef Ben Bernanke ein Ende des Anleihenkaufprogramms ankündigte, für Nervosität. Die Normalisierung braucht enorm viel Zeit und Fingerspitzengefühl.

Die Normalisierung ist eine Gratwanderung. Inmitten der Finanzkrise brauchte der Markt die Sicherheit, die Notenbanken gaben. Ohne diese Sicherheit hätte niemand mehr Risiken eingehen wollen. Es wäre nicht mehr investiert worden. Die Folge: eine jahrelange wirtschaftliche Depression. Das wurde verhindert und es war richtig, dass die Notenbanken so eingriffen, wie sie es taten.

Die Kehrseite dieser Eingriffe und Stabilisierung des Marktes war eine Gewöhnung der Marktteilnehmer an diese Sicherheit. Investoren gingen hohe Risiken ein, weil sie notfalls auf ein Eingreifen der Notenbanken vertrauten. Ein solches Verhalten ist langfristig ungesund. Es entsteht eine Abhängigkeit des Marktes von der Geldpolitik der Notenbank.

Diese Abhängigkeit kann man kaum abstreiten. Sie ist eine Tatsache. In der Normalisierung geht es nun um den Entzug. Erfolgt dieser zu schnell und zu brutal, dann steht die Welt in Kürze wieder vor einem Scherbenhaufen. Es braucht eine gewisse Raffinesse. Die Kunst besteht nun darin, die Geldpolitik zu straffen, ohne den Markt in Panik zu versetzen. Ohne Volatilität geht das natürlich nicht. Der Trick: Volatilität zulassen, ohne dass sie außer Kontrolle gerät.

Der Schritt der US-Notenbank, ihr Anleihenkaufprogramm zu beenden und die Zinsen anzuheben, hat für Volatilität gesorgt. Zusammen mit einem Normalisierungsprozess in China hat das den Markt an den Rand von Panik gedrängt. Die EZB und die japanische Notenbank (BoJ) haben nun gegengesteuert. Das dürfte größere Panik verhindert haben.

Die Wirkung der EZB und BoJ Entscheidungen im Januar sind inzwischen wieder verpufft und spätestens wenn die Fed die Zinsen das nächste Mal anhebt, wird es richtig ungemütlich. An anderer Stelle wird dem Markt dann vermutlich wieder eine Beruhigungspille verabreicht. Das ist notwendig, damit der Markt nicht komplett kippt.

Keiner kann sagen, ob das Spiel zwischen Entzug und Beruhigung letztlich erfolgreich sein wird. Grundsätzlich muss es jedoch Erfolg haben. Kann der Markt nicht mehr ohne ständige Unterstützung der Notenbanken agieren, dann haben wir ein erhebliches Problem.

Permanente Unterstützung durch die Notenbanken mit einer Geldflut sorgt für Fehlallokation von Kapital. Investoren nehmen viel zu hohe Risiken auf sich und Unternehmen investieren in Bereiche, die eigentlich keine nachhaltige Rendite bringen. Beides führt dann früher oder später zu einem ganz bösen Erwachen.

Der Markt würde wie 2008 einbrechen. Investoren und Anleger verlieren einen Großteil ihres Vermögens. Das macht zukünftiges Wachstum schwierig. Bei Unternehmen kann man sich die Situation so vorstellen wie man sie derzeit bei den Schieferölunternehmen beobachten kann. Sie haben sich mit Schulden vollgesogen und Projekte begonnen, die nur bei Ölpreisen von 80 Dollar aufwärts rentabel sind. Wird zu viel in Bereiche investiert, die kaum rentabel sind, dann führt bereits ein kleiner Abschwung zu einer Katastrophe. Unternehmen können ihre Kredite nicht mehr bedienen. Das belastet Banken. Letztlich gehen die Unternehmen bankrott und Arbeitsplätze werden vernichtet. Auch so kann eine tiefe wirtschaftliche Krise entstehen.

Die Politik der letzten Jahre hat beides begünstigt. Investoren sind hohe Risiken eingegangen und Teile der Wirtschaft haben in Bereiche investiert, die sich als unrentabel herausstellen. Diese Fehlallokation muss nun korrigiert werden. Ganz ohne Schmerz geht das nicht. In der Ölindustrie werden Firmen bankrottgehen und Investoren werden auch einen Teil ihres Geldes verlieren.

Noch ist die Fehlallokation von Kapital klein genug, um sie zu korrigieren. Solche Korrekturen können ausarten, wenn der Markt den Glauben an den Rest der Wirtschaft verliert. Die Folge ist eine Rezession. Notenbanken müssen also aus einzelnen Bereichen Luft ablassen, ohne den Markt auf falsche Gedanken zu bringen. Das ist ein sehr schwieriges Unterfangen und das Experiment kann schiefgehen.

Geht das Experiment schief, dann greifen Notenbanken noch radikaler in den Markt ein. Die Fehlallokation verstärkt sich und folglich kann es keine Normalisierung mehr geben. Die Fehlallokation ist dann so gravierend, dass jegliche Normalisierung das ganze System zum Einsturz bringt.

Man kann sich vorstellen, wie schwierig es für Notenbanker ist, die Normalisierung erfolgreich durchzuführen. Die Straffung in den USA und die dadurch entstehende Unruhe kann durch andere Notenbanken ausgeglichen werden. Gleichzeitig sorgt eine zu große Divergenz zwischen den Notenbanken für Stress in der US Wirtschaft.

Die gute Nachricht für den Markt ist immerhin, dass bereits sehr viel korrigiert wurde. In den vergangenen Jahren gab es einen erheblichen Konsens zwischen den Marktteilnehmern. Dieser Konsens zog sich von Ramschanleihen über Emerging Markets bis hin zu Aktien und Währungen. Ein Großteil der Anleger war der gleichen Meinung.

Ein großer Konsens führt zu Übertreibungen und übermäßiges Risiko. Durch die in den USA begonnene Normalisierung haben sich viele Konsensmeinungen aufgelöst. Lange Zeit kannten Yen, Dollar und Euro nur eine Richtung. Es waren die großen Konsenstrades der letzten 2 Jahre. Dieser Konsens schwindet nun. Das ist gut.
Bleibt ein Konsens zu lange bestehen, wie es die Notenbankpolitik begünstigte, dann bauen sich enorme Risiken auf. Ein gutes, aktuelles Beispiel ist die chinesische Währung. Durch die Dollarbindung und die jahrelange, konstante Aufwertung gegenüber dem Dollar baute sich ein weltweiter Konsens auf: der Yuan wertet langsam gegenüber dem Dollar auf.

In dieser Zeit verschuldeten sich chinesische Unternehmen in Dollar. Für sie machte es Sinn, denn es war klar, dass die Zinsen im Dollarraum geringer sind als in China und der Yuan auch noch aufwertete. Ein besseres Geschäft kann man gar nicht machen. Gleichzeitig strömte viel Kapital nach China, auch viel spekulatives Kapital.

Der festlandchinesische Yuan kann nicht frei gekauft und verkauft werden, dafür aber der in Hong Kong notierende Offshore Yuan. Hunderte Milliarden wetteten auf eine Fortsetzung der Yuan Aufwertung. Der Konsens war enorm, doch nun ist der Konsens gebrochen. Bisher musste die chinesische Notenbank 800 Mrd. Dollar verwenden, um den Markt einigermaßen stabil zu halten. Es werden viele weitere 100 Mrd. folgen bis alle, die aufgrund des Konsens eine Position eingenommen haben, diese aufgelöst haben.

Es kann sein, dass die chinesische Notenbank nicht ausreichend Mittel zur Verfügung hat, um für einen schonenden Bruch mit dem Konsens zu sorgen. Sie versucht es, doch aufgrund der Dauer des Konsenses kann es sein, dass die Positionen zu groß geworden sind. Sind sie das, dann besteht Potenzial für einen Schock. Die Devisenreserven würden an einem Punkt ausgehen und der Yuan plötzlich und deutlich abwerten. Das würde die ganze Wirtschaft in Bedrängnis bringen.

Die US-Notenbank versucht nun ebenfalls, den Konsens schonen zu brechen. Ob ihr das gelingt wissen wir nicht. Es ist jedoch die letzte Chance, die sie hat. Stellt sich heraus, dass eine schonende Auflösung nicht mehr möglich ist, dann muss sie entweder wieder intervenieren oder eine Schocktherapie zur Marktbereinigung zulassen. Beides ist unschön. Die Normalisierung muss also gelingen und zwar jetzt.

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19 Kommentare

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  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Wäre doch super wenn die Banken pleite gehen. Das wird die Welt schon überleben. Denn Krebsgeschwüre müssen halt auch mal operativ entfernt werden.

    22:49 Uhr, 11.02. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Contrarian
    Contrarian

    "Normalität" wird es auf mittlere Sicht nicht geben können, dafür sind die Staatsschulden aller entwickelten Länder viel zu hoch. Vielleicht noch ein oder zwei kosmetische Zinserhöhungen der FED, dann geht es wieder abwärts bis in den negativen Bereich. Es wir einen Reset geben müssen, der allerdings mit starken Schmerzen verbunden sein wird.

    12:21 Uhr, 11.02. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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