Kommentar
07:22 Uhr, 26.05.2018

Geldpolitik: EZB müsste jetzt die Zügel anziehen

Was in den USA geht, sollte auch in der Eurozone möglich sein. Die Ausgangslagen sind nämlich gar nicht so verschieden. Trotzdem divergiert die Geldpolitik massiv.

Die EZB hat ein Mandat: Preisstabilität. Was als stabil gilt, darüber kann man trefflich streiten. Im Sinne der EZB ist Preisstabilität als knapp 2 % Inflation definiert. Dieses Ziel wird bei einer aktuellen Rate von 1,2 % nicht erreicht. Die USA scheinen da in einer viel komfortableren Lage zu sein. Die Inflationsrate liegt bei 2,5 %.

Lesen Sie dazu auch: Das Märchen Geldwertstabilität - Wie die EZB die Sprache dehnt und die Bürger täuscht

Die Inflationsraten täuschen darüber hinweg, dass die Teuerung in den USA anders gemessen wird als bei uns. Darauf hatte ich bereits im vergangenen Jahr hingewiesen. Damals lagen die Inflationsraten auf vergleichbarer Basis fast exakt gleichauf. Heute liegt die Rate in der Eurozone bei 1,2 % und in den USA bei 2,2 % (Grafik 1).

Generell lässt sich sagen, dass die Inflationsrate in der Eurozone weniger volatil ist als in den USA. Langfristig ist sie auch ein klein wenig niedriger. Das Inflationsziel ist aber auch niedriger als in den USA. Insofern ist eigentlich alles in Ordnung.

Rechnet man den Effekt der Euroaufwertung heraus, sind die Inflationsraten in den USA und der Eurozone nicht so verschieden. Dafür ist die Arbeitslosigkeit in der Eurozone (EZ) viel höher – oder auch nicht. In den USA fiel die Quote zuletzt unter 4 %. In der EZ waren es 8,5 %. Wie vergleichbar die Daten sind, kann man hinterfragen.

Hinterfragt man die Daten nicht und vergleicht die Quoten wie sie sind (Grafik 2), ergibt sich zunächst ein erschreckendes Bild. Wenn man genauer hinblickt, erkennt man allerdings, dass die Arbeitslosenquote in der EZ generell höher ist. Vor der letzten Rezession war die Quote mit 7,3 % auch nicht wesentlich tiefer. Vor der vorletzten Rezession erreichte die Quote sogar nur ein Tief von 8,2 %, also fast dem heutigen Niveau.

Die Quoten sind über die EZ unterschiedlich verteilt. In Deutschland ist die Quote sehr niedrig, in Spanien ist sie nach wie vor hoch. So lässt sich fast einwandfrei sagen, dass die EZB die Geldpolitik am besten nicht straffen sollte. Was aber, wenn man nicht die Arbeitslosenrate, sondern die Partizipationsrate betrachtet?

In diesem Fall erkennt man (Grafik 3), dass die Partizipationsraten der Bevölkerung am Arbeitsmarkt in den USA und in der Eurozone ähnlich hoch sind. Nimmt man dies als Maßstab, so sollte die allgemeine wirtschaftliche Situation in den zwei Währungsräumen vergleichbar solide sein.

Die EZB drückt das Gaspedal immer noch durch, die Fed bremst. Betrachtet man die Eurozone als einen Wirtschaftsraum, macht das überhaupt keinen Sinn. Die EZB stellt allerdings ganz offensichtlich andere Betrachtungen an. Anders lässt sich die nach wie vor sehr lockere Geldpolitik kaum erklären. Einzelinteressen überwiegen in der Währungsunion. So können sich in einigen Ländern schön weiter Vermögenspreisblasen bilden, z.B. auf dem deutschen Immobilienmarkt, während Länder wie Griechenland noch immer stagnieren.

Die EZB richtet die Geldpolitik mehr nach den schwächsten Unionsmitgliedern aus. Zu lockere Geldpolitik ist aber auch nicht gut. Sollten die Zinsen jemals wieder substantiell steigen, haben wir dann den Salat. Wäre die EZ wirklich ein Währungsraum, müsste die EZB die Geldpolitik straffen, wenn man die US-Geldpolitik und Umstände (Inflation, Partizipation) heranzieht.

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19 Kommentare

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  • Spitze
    Spitze

    Die EZB hat das Loch viel zu tief gegraben als dass es daraus noch einen Ausweg geben könnte. Bei 1% Zinsen am kurzen Ende haben wir ein neues 1929, nur viel gravierender. Oder wir machen noch zwei Jahre so weiter, dann knallt es sowieso. Die ´gekaufte Zeit´ läuft ab.

    12:55 Uhr, 28.05. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Genauso ist es, aber das war schon immer so. Als unter rot-grüner Schröder Regierung noch Deutschland und Frankreich schwächelten, wurde die Geldpolitik an uns ausgerichtet und damit die Saat für den Salat, den wir später in Griechenland und anderen Südländern gesehen haben gelegt. Die EZB hat also nichts gelernt. Sie richtet ihre Geldpolitik seit je her an den schwächsten Ländern aus. Das wird bald erneut zu einem Problem!!

    10:36 Uhr, 28.05. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    Man kann nur hoffen, das Super-Mario "Draghi" endlich auch mal die Interessenslage der Nordeuropäer sieht. Für sein Land Italien mögen die niedrigen Zinsen ja gut sein, für Deutshland jedoch nicht !!!

    07:29 Uhr, 28.05. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • einfach
    einfach

    vermögenspreisblasen sind für die breite bevölkerung kein problem, solange die inflation in dem aktuellen bereich bleibt.

    außerdem gibt es in einem null zins umfeld ein viel geringeres risiko das es zu massiven kreditausfallsraten kommt.

    das einzige was zinserhöhungen erreichen ist die wahrscheinlichkeit einer rezession, mit der folge der reduzierung der vermögenspreise.

    aber ist es überhaupt notwendig rezessionen zu forcieren um vermögenspreise zu senken ?

    vermögenspreise kommen immer an ein natürliches ende an dem es keinen weiteren käufer gibt.

    wen juckt es ob für einen picasso in dem einen jahr 10 mil € in nach 5 jahren 20 mil € gezahlt werden.

    10:42 Uhr, 26.05. 2018
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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