Kommentar
09:45 Uhr, 29.11.2017

Geldpolitik: Die Illusion der Normalisierung

Notenbanken reden von einer Normalisierung. Davon ist erstens überhaupt noch nichts zu sehen und zweitens rechnen auch die Notenbanker selbst nicht damit.

Alles ist relativ, so auch die Normalisierung der Geldpolitik. Es gibt Ansätze einer Normalisierung. Die Zinsen stehen in den USA immerhin nicht mehr bei 0 % und die Bilanzverkleinerung der Notenbank hat begonnen. Was in den USA begonnen hat, lässt in Europa und Japan noch auf sich warten.

Wie lange die US-Notenbank ihren Normalisierungsweg durchhält, ist ungewiss. Notenbanker bereiten sich vorsichtshalber schon auf die nächste Krise vor. Allen ist klar: wenn die nächste Krise kommt, reicht es möglicherweise nicht mehr, die Zinsen zu senken und ein paar Anleihen zu kaufen.

Bei den Diskussionen wird immer betont, dass man sich lediglich auf den Eventualfall vorbereitet und es nichts mit den Aussichten der Wirtschaft zu tun hat, doch so recht glauben kann man es nicht. Eigentlich gehen alle davon aus, dass der Werkzeugkasten der Notenbanken erweitert werden muss. Was soll man auch tun, wenn beim nächsten Abschwung die Zinsen kaum gesenkt werden können?

Vielleicht gelingt es der Fed ein Zinsniveau von 2 % zu erreichen. Einen Abschwung von diesem Level aus mit Zinssenkungen abzufangen, ist illusorisch. Da viele Notenbanken schon einen hohen Bestand an Staatsanleihen halten, könnte auch QE zu wirkungslos sein.

Dafür gibt es Auswege. Eine nicht ganz neue Idee wird dabei wieder aufgewärmt. Es handelt sich um das Price-Level Targeting. Im Gegensatz zum aktuellen Inflationsziel, beinhaltet eine Preiszielvorgabe eine ziemlich weitreichende Komponente.

Das Inflationsziel soll so bald wie möglich und so häufig wie möglich erreicht werden. Wird es nicht erreicht, werden die Zinsen so lange niedrig gehalten, bis es erreicht wird. All die Jahre, in denen die Inflation unterhalb des Ziels lag, werden aber vergessen. Das Price-Level Targeting tut dies nicht.

Liegt die Inflation jahrelang unterhalb des langfristigen Ziels, so muss diese Underperformance aufgeholt werden. Es wird also höhere Inflation toleriert, um das Ziel zu erreichen. Ein Beispiel: Stagnieren die Preise bei 100 für 10 Jahre und erreicht die Inflation in Jahr 11 wieder 2 %, dann ist unter dem Inflationsziel-Regime alles in Ordnung. Unter dem Preislevel Ziel ist die Welt nicht in Ordnung. Stagniert der Preis für 10 Jahre lang, muss in der Folge der entgangene Preisanstieg von 21.9 % (2 % pro Jahr für 10 Jahre) in den Folgejahren aufgeholt werden.

Der ideale Verbraucherpreisindex (siehe Grafik) ist eine gerade Linie. Abweichungen zur Unter- und Oberseite werden nicht toleriert und müssen aufgeholt werden. Das hat den Vorteil, dass jeder ziemlich genau weiß, wo die Preise in 10, 20 oder 50 Jahren sein sollten. Der Nachteil: Preise lassen sich nicht verordnen und wenn sie verordnet werden könnten, wäre der freie Markt ausgehebelt.

Es ist schon ein kleiner Skandal, dass überhaupt über eine solche Politik diskutiert wird. Zum Glück ist es ein eher theoretisches Konzept. Nur, weil der Preis an einem bestimmten Ort sein sollte, befindet er sich in der Praxis nicht zwangsweise dort. Price-Level Targeting ist harmlos, solange Notenbanker nicht die Werkzeuge haben, das Ziel durchzusetzen. Es ist kein Werkzeug an sich. Hätte man Werkzeuge, um die Preise zu diktieren, würde vermutlich auch das Inflationsziel weiterhin seinen Zweck erfüllen.

Clemens Schmale

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Ein kleine mathematische Anmerkung:

    Die Idealkurve des Preissteigerungsindex ist nur in der halblogarithmischern Auftragung eine Gerade - mathematisch handelt es sich natürlich um eine Exponentialfunktion mit der Basis 1,02; also P(t) = 100 * 1,02^t

    11:05 Uhr, 29.11.2017
  • einfach
    einfach

    die fed hat eine möglichkeit der festsetzung von preisen.

    wenn sie sich an der boj orientiert, kann sie die von der boj eingeführte oberkante von 0,1% bei den 10 jährigen staastverschuldungen einführen.

    durch diese festsetzung des anleihepreises könnte die fed alle anderen beschränkungen aufheben.

    dadurch könnte der staat innerhalb von 5-7 jahren seine zinszahlungen um ca. 80% senken und die freiwerdenden mittel in die infrastrukturerneuerung investieren.

    10:27 Uhr, 29.11.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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